Nach Lkw-Anschlag Schweden trauert – und diskutiert über Abschiebepraxis

Der mutmaßliche Fahrer beim Lkw-Anschlag in Stockholm hatte offenbar Komplizen. Die Details über den 39-Jährigen Usbeken lassen die Nation mit Frust zurück. Gleichzeitig wird über die aktuelle Abschiebepraxis diskutiert.

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Ganz Schweden trauert nach dem Anschlag in Stockholm, bei dem vier Menschen getötet und 15 verletzt worden waren. Quelle: dpa

Drei Tage nach dem Lkw-Anschlag in Stockholm beginnt in Schweden die Diskussion um die Durchsetzung von Abschiebungen. Dem mutmaßlichen Attentäter war 2016 das Aufenthaltsrecht in dem Land verwehrt worden. Statt Schweden zu verlassen, war der 39-jährige Usbeke untergetaucht.

„Wenn die Angaben, die wir über die Person bekommen haben, stimmen, dann müssen wir verlangen, dass jemand dafür die Verantwortung übernimmt. Vor allem von der Regierung“, sagte der Chef der Rechtspopulisten, Jimmie Åkesson, am späten Sonntagabend im schwedischen Fernsehen.

Zuvor hatte Schwedens Regierungschef eine konsequentere Abschiebepraxis angemahnt. Nach Angaben der schwedischen Grenzpolizei sind rund 12 000 Menschen nach abgelehnten Anträgen in Schweden nicht auffindbar. Auch die Bundesregierung will Ausländer ohne Bleiberecht konsequenter abschieben und Gefährder besser kontrollieren.

Bei dem mutmaßlichen Terroranschlag in einer Einkaufsstraße in Stockholm waren am Freitag vier Menschen getötet und 15 verletzt worden. Zwei Tage nach dem Lkw-Anschlag in Stockholm verdichten sich die Anzeichen, dass die Todesfahrt mit dem gekaperten Fahrzeug nicht die Tat eines Einzelnen war. Die schwedische Polizei nahm am Sonntag eine zweite Person fest, wie Polizeisprecherin Karin Rosander der Nachrichtenagentur AP sagte. „Eine Person, die der terroristischen Straftaten des Mordes verdächtigt wird, wurde verhaftet“, sagte sie. Weitere Details nannte sie nicht.

Unterdessen sorgten die jüngsten Erkenntnisse über den Hauptverdächtigen, einen 39-Jährigen Usbeken, für Entsetzen. „Es frustriert mich“, sagte der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven der landeseigenen Nachrichtenagentur TT am Sonntag unter anderem mit Blick darauf, dass es sich um einen abgelehnten Asylbewerber handelt. Der mutmaßliche Fahrer des Lkw war am Freitag durch die Fußgängerzone gerast und schließlich in den Eingang eines Kaufhauses gekracht.

Der Mann hätte Schweden eigentlich im Dezember verlassen sollen, nachdem ein weiterer Aufenthalt schon im Sommer abgelehnt worden war. Doch dann tauchte er offenbar unter, teilte die Stockholmer Polizei mit. Er sei nicht unter seiner bekannten Adresse auffindbar gewesen. Außerdem hätten die Behörden gewusst, dass er „mit extremistischen Organisationen“ sympathisierte, sagte Jonas Hysing von der schwedischen Nationalpolizei.

Schwedischen Migrationsbehörden zufolge gibt es rund 12 500 Personen im Land, die so wie der Hauptverdächtige trotz Ausweisungsanordnung noch in Schweden sind.

Neben der weiteren Verhaftung wurden im Zuge der Ermittlungen laut Polizei zusätzlich vier Personen in Gewahrsam genommen. Insgesamt 500 Personen seien befragt worden. Bei dem Lkw-Anschlag am Freitag waren vier Menschen getötet und 15 verletzt worden. Bei den Todesopfern handelt es sich nach Behördenangaben um zwei Schweden, einen Briten und eine Belgierin.

Bei einer Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Opfer war eine Mischung unterschiedlicher Gefühle sichtbar. „Wenn Menschen hier Asyl suchen und uns dann so behandeln, ist das nicht gut“, sagte der 73-jährige Lars Holm aus Stockholm. „Jetzt brauchen wir mehr Sicherheit in unserer Gesellschaft, aber wir wollen auch nicht in Bunkern leben.“

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