Nach Mord an Botschafter Russland warnt vor Türkei-Reisen

Nach dem Mord an dem russischen Botschafter in Ankara hat das Außenministerium in Moskau vor Türkei-Reisen gewarnt. Der Kreml hat ein 18-köpfiges Ermittlerteam entsandt.

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Blumen sind vor einem Porträt des getöteten russischen Botschafters Andrej Karlow zu sehen. Quelle: AP

Nach der Ermordung des russischen Botschafters Andrej Karlow in Ankara hat das Außenministerium in Moskau vor Türkei-Reisen gewarnt. „Jeder sollte vor einer Türkei-Fahrt ernsthaft nachdenken, weil es dort fast täglich zu Terrorakten kommt“, sagte Vizeaußenminister Oleg Syromolotow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Reisende sollten das Risiko genau abwägen.

Ähnlich äußerte sich der Chef des außenpolitischen Ausschusses im russischen Föderationsrat, Konstantin Kossatschjow. „Bis zur Klärung der Situation ist es besser, nicht in dieses Land zu fahren“, meinte der Abgeordnete. Es gebe „eine Reihe kritischer Fragen“ an Ankara.

Der Kreml hat ein 18-köpfiges Ermittlerteam nach Ankara entsandt. Der Gruppe gehören Experten des Geheimdienstes, der Polizei und des Außenministeriums an, wie Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge in Moskau sagte. Die Ermittler sollen mit türkischen Kollegen den Mord an dem russischen Diplomaten in Ankara untersuchen und nach Drahtziehern fahnden.

Auf das Team hatten sich die Präsidenten Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan verständigt, wie Peskow sagte. Botschafter Karlow war am Montagabend bei der Eröffnung einer Ausstellung erschossen worden.

Trotz des Anschlags werden die Syrien-Verhandlungen an diesem Dienstag in Moskau wie geplant stattfinden, sagte Außenminister Sergej Lawrow. Die Gespräche mit seinen Kollegen aus der Türkei und dem Iran sollten ein Zeichen gegen den internationalen Terror setzen. Es ist das erste Treffen in diesem Format. Russland und der Iran sind Verbündete des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, während die Türkei gegen Assad ist und Einfluss auf die syrische Opposition hat. Irans Präsident Hassan Ruhani hatte bei einem Telefonat mit Putin am Montagabend gesagt, es sei wichtig, dass sich die Menschen in Syrien im Kampf gegen Terroristen nicht im Stich gelassen fühlen.

Der Attentäter von Ankara war bei den türkischen Behörden aktenkundig - aber nicht als Terrorverdächtiger, sondern als aktiver Polizist. Das Innenministerium gibt seinen Namen mit Mevlüt Mert Altintas an. Seit zweieinhalb Jahren war Altintas bei der Bereitschaftspolizei in Ankara eingesetzt. Geboren wurde er am 24. Juni 1994 im Distrikt Söke in der westtürkischen Provinz Aydin. Er besuchte die Polizeiakademie in der westtürkischen Metropole Izmir, die er im Jahr 2014 abschloss. Nach dem Mord an dem russischen Botschafter Karlow wurde der 22-Jährige erschossen.

Welche Verbindungen Altintas hatte, wird nach Angaben des Innenministeriums untersucht. Regierungsnahe türkische Medien berichten, Altintas werde verdächtigt, der Gülen-Bewegung angehört zu haben. Die Regierung wirft der Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen vor, für den Putschversuch in der Türkei von Mitte Juli verantwortlich gewesen zu sein.

Videos vom Attentat zeigen, wie Altintas „Allahu Akbar“ - Gott ist groß - skandiert. Altintas ruft auf Türkisch außerdem „Vergesst nicht Aleppo“ und „Vergesst nicht Syrien“. Unmittelbar nach den Schüssen sagt er zunächst auf Arabisch: „Wir sind diejenigen, die dem Propheten Mohammed Treue und dem Dschihad Treue schwören.“ Diesen Satz rufen auch syrische Extremisten, wenn sie ins Gefecht ziehen.

Die Zeitung „Hürriyet“ berichtet, Altintas habe sich mit seinem Dienstausweis Zutritt zu der Ausstellungseröffnung verschafft, in der er das Attentat verübte. Auf Videos ist zu sehen, wie Altintas - gekleidet in einem Anzug und mit Krawatte, also in zivil - hinter Karlow steht, der die Eröffnungsansprache hält. Altintas wirkt dabei wie ein Leibwächter - bis er das Feuer auf den Diplomaten eröffnet.

Vor der US-Botschaft in Ankara sind am frühen Dienstagmorgen Schüsse gefallen. Quelle: REUTERS

Wenige Stunden nach dem Attentat auf den russischen Botschafter in der Türkei hat ein Mann vor der US-Botschaft in Ankara Schüsse in die Luft abgegeben. Er wurde am Dienstagmorgen von den Wachmännern der Botschaft überwältigt und von der Polizei festgenommen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Die Botschaft teilte mit, um 03.50 Uhr (Ortszeit/01.50 MEZ) sei eine Person auf das Haupttor der Vertretung in Ankara zugegangen und habe Schüsse aus einer Waffe abgegeben. Verletzt wurde niemand. Hintergründe der Tat waren zunächst unklar.

Die US-Botschaft in Ankara und die Konsulate in Istanbul und Adana blieben wegen des Vorfalls am Dienstag geschlossen.

Indessen hat die türkische Polizei mehrere Familienmitglieder des getöteten Attentäters festgenommen. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, darunter seien der Vater, die Mutter, die jüngere Schwester und zwei weitere Verwandte. Außerdem sei ein Onkel festgenommen worden, der eine leitende Funktion in einer Schule gehabt habe, die von der Polizei im Rahmen der Ermittlungen gegen die Gülen-Bewegung geschlossen worden sei. Dieser Onkel sei bei diesen Ermittlungen bereits festgenommen, dann aber wieder freigelassen worden.

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