Nach Terroranschlag Neue Debatte um Ausnahmezustand in Frankreich heiß entbrannt

Wegen des neuen Terrorangriffs in Südfrankreich gibt es Streit um die Sicherheitspolitik. Staatschef Macron gerät ins Visier von Kritikern.

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Der französische Präsident Emmanuel Macron und sein Innenminister Gerard Collomb. Quelle: Reuters

Carcassonne/Paris Nach den Angriffen eines bekennenden Islamisten in Südfrankreich haben Konservative und Rechtspopulisten Staatschef Emmanuel Macron Nachlässigkeit im Anti-Terror-Kampf vorgeworfen. Die Mitte-Rechts-Partei Les Républicains sprach am Montag von einer „schuldhaften Naivität“. Parteichef Laurent Wauquiez forderte, den im November 2017 ausgelaufenen Ausnahmezustand wieder zu verhängen und mutmaßlich gefährliche Islamisten zu internieren.

Die Rechtspopulistin Marine Le Pen verlangte den Rücktritt von Innenminister Gérard Collomb. Das Macron-Lager warf ihr und Wauquiez dagegen vor, das Drama politisch auszuschlachten.

Der 25-jährige Radouane L. hatte am Freitag bei mehreren Angriffen in der Region Carcassonne zusammen vier Menschen getötet. Nach einer Geiselnahme in einem Supermarkt wurde er von der Polizei erschossen. Der Angreifer hatte sich als „Soldat“ der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bezeichnet. Zwei Menschen aus seinem Umfeld seien immer noch im Polizeigewahrsam, berichtete Anti-Terror-Staatsanwalt François Molins am Abend.

Für Diskussionen sorgte, dass der Täter seit 2014 wegen Radikalisierung in einer Gefährder-Datenbank der Sicherheitsbehörden stand. Wauquiez forderte, die gefährlichsten Radikalisierten zu internieren. Diejenigen, die keine Franzosen sind, sollten sofort abgeschoben werden. „Wir müssen sie außerstande setzen, Schaden anzurichten, bevor sie das Blut von Unschuldigen vergießen.“ Chefermittler Molins sagte, dass der Tatverdächtigte bis in den laufenden Monat hinein von Geheimdiensten überwacht wurde.

Marine Le Pen forderte im Sender BFMTV ebenfalls die Ausweisung mutmaßlicher ausländischer Gefährder. Macron warf sie vor, das Ausmaß der Terrorgefahr nicht erkannt zu haben.

Nach früheren Angaben von Molins war der Angreifer 2016 und 2017 von den Behörden überprüft worden - offen blieb aber, in welcher Form. Er wiederholte am Montag, es hätten sich keine Anzeichen ergeben, dass er einen Terrorakt begehen würde. Im Gewahrsam waren eine 18 Jahre alte Frau aus dem Umfeld des Täters sowie ein minderjähriger Freund. Die junge Frau sei radikalisiert und habe bei ihrer Festnahme „Allahu akbar“ (Gott ist groß) gerufen, so Molins. Beide Verdächtige bestreiten demnach, etwas mit den Terrorangriffen zu tun zu haben.

Frankreich wird Mittwoch mit einer nationalen Gedenkfeier an den Gendarmen erinnern, der sich in dem Supermarkt als Austauschgeisel zur Verfügung gestellt hatte. Arnaud Beltrame (44) war von dem Täter getötet worden und wird als Held geehrt. Die Zeremonie soll am Pariser Invalidendom stattfinden. Macron wird eine Rede halten.

Frankreich hatte seine Sicherheitsgesetze erst im Herbst verschärft. Das Land wird seit drei Jahren von einer islamistischen Terrorwelle mit mehr als 240 Todesopfern erschüttert.

Ein ehemaliger Parlamentskandidat der Linkspartei La France Insoumise sitzt seit Sonntag in Polizeigewahrsam, nachdem er sich positiv über den Tod des Beamten geäußert hatte.

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