Nach Unabhängigkeitsvotum Bundesregierung stellt Ausbildung von Kurden-Kämpfern infrage

Bisher werden kurdische Milizen von deutschen Sicherheitskräften geschult – jetzt wird über die weitere Entwicklung der Zusammenarbeit diskutiert. Die Kurden fordern von Deutschland eine Fürsprecherrolle in Europa.

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Nach dem Referendum über die Unabhängigkeit der Kurden vom Irak gibt es in der Region vermehrt politische Spannungen. Quelle: dpa

Berlin, Diyarbakir, Erbil Nach dem Unabhängigkeitsvotum in den nordirakischen Kurdengebieten stellt die Bundesregierung die weitere Ausbildung von Peschmerga-Kämpfern in der Region infrage. Das Bundestagsmandat für die Schulung der kurdischen Milizen ende im Dezember, sagte Außenamtssprecher Martin Schäfer am Freitag. Man wolle jetzt in Ruhe beobachten und vielleicht Gespräche mit den Verantwortlichen in Erbil führen, um zu schauen, ob die Umstände „gedeihlich genug“ seien, um die Mission „in dieser oder einer anderen Weise da überhaupt fortsetzen zu können“. Die Türkei hatte als Reaktion auf das Referendum die Ausbildung gestoppt.

In der Kurden-Region verschärften sich unterdessen die Spannungen: Die kurdische Regionalregierung weigerte sich, die Kontrolle über die Grenzübergänge zur Türkei, zum Iran und zu Syrien zurück an die Zentralregierung in Bagdad zu übertragen, wie diese es gefordert hatte. Bei einem Angriff der türkischen Armee wurden nach Angaben aus Sicherheitskreisen drei Kämpfer der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK getötet. Auch ein Soldat kam bei den Kämpfen in der Region Dohuk um. Der Iran verbot vorübergehend Öltransporte in und aus den Kurden-Gebieten. Am Freitagabend sollten auf Anordnung der Regierung in Bagdad alle internationalen Flüge in die Region eingestellt werden.

Die Bundesregierung sei in großer Sorge, dass das Referendum „kein Beitrag zu Frieden und Stabilität in der Region“ sei, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes. Es müsse geprüft werden, ob der Einsatz „in dieser oder in einer anderen Weise“ fortgesetzt werden könne. Die Kurdische Gemeinschaft Deutschland rief die Bundesregierung auf, die Kurden weiter zu unterstützen und eine Fürsprecherrolle für die Volksgruppe in Europa zu übernehmen.

Auch die Türkei hatte als Nato-Mitglied die Peschmerga im Kampf gegen die Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS) seit 2014 ausgebildet. Als Reaktion auf das Referendum am Montag drohte die türkische Regierung mit einer Blockade der Kurden-Region und hat auch einen Militäreinsatz nicht ausgeschlossen. Regierungschef Binali Yildirim sagte am Freitag, alle Maßnahmen würden sich nur gegen die Verantwortlichen der Abstimmung richten, die Zivilisten würden sie nicht zu spüren bekommen. Die Türkei befürchtet genau wie der Iran, dass das kurdische Ja-Votum zur Unabhängigkeit Separatisten unter ihren kurdischen Minderheiten Auftrieb geben könnte.

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