Naher Osten Außenminister Maas ist in Jordanien Konflikten umzingelt

Jordanien gilt als Insel der Stabilität mitten im Krisenherd. Von Deutschland wird es als Verbündeter umworben. Doch die Partnerschaft hat Tücken.

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Außenminister Heiko Maas ist in Jordanien Konflikten umzingelt Quelle: dpa

Amman Um seine Lage ist Jordanien wahrlich nicht zu beneiden. Nördlich des Landes tobt seit sieben Jahren der syrische Bürgerkrieg mit hunderttausenden Toten. Westlich spitzt sich der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern wieder zu. Im Osten liegt der Irak, der die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zwar verdrängt, aber nicht besiegt hat. Und im Süden ist es nicht weit bis zum nächsten Krieg, der den Jemen – ohnehin eins der ärmsten Länder der Welt – brutal erschüttert.

Mittendrin liegt also Jordanien, ein kleines Königreich mit nicht einmal zehn Millionen Einwohnern, kaum Rohstoffen, wenig Industrie, einem winzigen Küstenstreifen und sehr viel Wüste. Wirtschaftlich hat das Land keine besondere Bedeutung für internationale Partnerschaften, strategisch dagegen eine umso größere. Das von Konflikten umzingelte Land ist deswegen ein beliebtes Reiseziel hochrangiger Politiker auch großer westlicher Staaten.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war erst vor wenigen Wochen hier. Und der neue Außenminister Heiko Maas besucht das Land nun rund drei Wochen nach seiner Vereidigung. „In einer Region, die schwer gezeichnet ist von Terror, Gewalt und dem Ringen um Macht und Einfluss, kommt es umso mehr an auf die, die sich verlässlich für konstruktive Lösungen einsetzen“, lautet die Begründung.

Für Deutschland hat Jordanien nicht nur eine strategische, sondern auch eine innenpolitische Bedeutung. Das Land hat unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 650.000 und 1,2 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Die deutsche Botschaft in der jordanischen Hauptstadt Amman ist Anlaufstelle für diejenigen von ihnen, die zu ihren Angehörigen nach Deutschland wollen. Wie viele das sind, weiß niemand so genau. Einer Schätzung zufolge können sich 70 000 Syrer Hoffnungen machen.

Einer von ihnen ist Aessa Ahmed, der im kleinen Wartezimmer der deutschen Botschaft sitzt, als Maas die Visastelle besucht. Seine Frau ist vor knapp drei Jahren nach Deutschland geflohen. Den dort geborenen Sohn kennt Ahmed bisher nur von Fotos. Er selbst ist mit zwei Töchtern in Amman hängen geblieben. Dort wartet er nun auf sein Visum für Deutschland.

„Es ist deprimierend“, sagt er. Er habe gedacht, es würde vielleicht ein halbes Jahr dauern, oder höchstens ein Jahr, bis ihm die Einreise nach Deutschland genehmigt wird. Nun sind es zwei Jahre und sieben Monate. „Jetzt sagt man mir, in drei Monaten gibt es eine realistische Chance“, sagt Ahmed. Er hat seine Zuversicht noch nicht verloren.

An drei Schaltern werden in der Visastelle Anträge bearbeitet. 40 am Tag waren es durchschnittlich im vergangenen Jahr. „Ich will mir ganz einfach einen Eindruck davon verschaffen, wie das praktisch abläuft“, sagt Maas mit Blick auf das hochaktuelle Thema des Familiennachzugs nach Deutschland. „Denn es nützt nichts, im fernen Berlin schöne Gesetze zu schreiben, die vor Ort dann nicht mehr praktizierbar sind.“

Es ist eine bewusste Spitze gegen seinen Kabinettskollegen von der CSU, Innenminister Horst Seehofer. Der hat gerade einen Gesetzentwurf vorgelegt, der einen Kompromiss aus dem Koalitionsvertrag umsetzen soll. Bis zu 1000 Angehörige von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz sollen danach nach Deutschland kommen dürfen. Die SPD wirft Seehofer vor, die Zahl wieder drücken zu wollen. Einem solchen Entwurf werde man nicht zustimmen, sagt Maas.

Bei seinen Gesprächen mit dem Amtskollegen Ayman Safadi in Amman geht es aber nicht nur um die Flüchtlingsfrage und wie Deutschland das Land weiter unterstützen kann. Die Krisen in der Nachbarschaft prägen das Gespräch der beiden.

Jordanien ist zwar ein sehr wichtiger, aber kein unproblematischer Partner in einer Region, in der die beiden Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran miteinander konkurrieren. Das Königreich versucht sich an das ölreiche Saudi-Arabien anzulehnen, ohne zum direkten Gegner Irans zu werden. So beteiligt sich das Land zwar in einer von Saudi-Arabien geführten Allianz am Krieg gegen die vom Iran unterstützten schiitischen Huthi-Rebellen - aber nicht an vorderster Front. Der Kampf wird vor allem von den Saudis und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführt.

Safadi spricht offensichtlich nicht gerne über den Krieg. Auf einer Pressekonferenz mit Maas sagt er auf die Frage nach der jordanischen Beteiligung lediglich, „sie finde im Namen des Völkerrechts statt“.

Aus deutscher Sicht ist die konkrete militärische Beteiligung Jordaniens zur Kriegsallianz aber entscheidend für weitere Waffenlieferungen in das Partnerland. In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, dass keine Rüstungsgüter in Länder exportiert werden dürfen, die „unmittelbar“ am Jemen-Krieg beteiligt sind. Welche das sind, muss die Regierung aber erst noch definieren. „Das werden wir jetzt in Berlin zügig angehen und entscheiden müssen“, sagt Maas.

Für die Zusammenarbeit mit Jordanien spielt die Frage eine große Rolle: Die Rüstungshilfe ist fester Bestandteil der Unterstützung für das Königreich. So wurden bereits rund 50 Schützenpanzer „Marder“ aus Bundeswehrbeständen an Jordanien geliefert. Weitere Rüstungshilfe für das laufende Jahr ist bereits zugesagt. Safadi betonte bei seinem Treffen mit Maas, dass er mit weiterer Unterstützung im Verteidigungsbereich rechne.

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