Naher Osten Sisis Drei-Stufen-Plan für Palästina

Ägypten will im palästinensischen Bruderzwist zwischen Hamas und Fatah schlichten, um sich im Nahen Osten als Friedensstifter zu profilieren. Ägyptens Präsident Sisi hat ehrgeizige Pläne. Doch die Risiken sind hoch.

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Ägyptens Präsident al-Sisi will die palästinensischen Brüder von Hamas und Fatah miteinander versöhnen. Für eine Zusammenarbeit müssen beide Seiten über ihren Schatten springen. Quelle: AP

Tel Aviv Präsident Abdel Fatah al-Sisi lässt bitten: Die zerstrittenen Palästinenser aus Gaza und vom Westufer des Jordans verhandeln derzeit in Kairo über die Lösung ihres zehn Jahre alten Bruderzwistes. Sisi macht Druck. Die radikal-islamische Hamas und die Fatah-Partei von Mahmoud Abbas sollen sich bis Ende November einigen. Am 1. Dezember müsse die neue Einheitsregierung im Gazastreifen antreten, hatte Sisi bei der letzten Verhandlungsrunde im Oktober gefordert.

Die Bearbeitung der noch offenen Dossiers brauche freilich „noch viel“ Zeit, sagt der palästinensische Publizist Talal Okal. Zu den schwierigen Fragen gehöre zum Beispiel, welche Rolle die Hamas künftig in der Palästinensischen Befreiungsbewegung PLO spielen werde und ob Beamte der Hamas auch von der neu zu gründenden Regierung angestellt würden. Am dringendsten sei die Klärung der Frage, ob die Hamas im Zuge der Versöhnung ihre Waffen abgeben müsse. 

Die Hamas wäre zwar bereit, ihre Polizeitruppe sowie ihren Geheimdienst aufzulösen und Abbas die Kontrolle über den Gazastreifen zu überlassen. Aber, erklärt ein Hamas-Vertreter in Gaza-City, es komme für sie überhaupt nicht in Frage, den militärischen Flügel aufzulösen, der für den Widerstand gegen Israel zuständig ist: „Darüber verhandeln wir nicht.“ Solange Israel die Blockade des Küstenstreifens aufrechterhalte, würden die Brigaden bewaffnet bleiben. Abbas werde das akzeptieren müssen, wenn es ihm mit der Versöhnung ernst sei.

Eine Forderung, die für die Fatah nicht akzeptabel ist. Er lehne es „auf jeden Fall“ ab, dass der bewaffnete Flügel der Hamas in der Einheitsregierung weiterhin kampffähig sein werde, meint der Chef der palästinensischen Polizei in Ramallah, dem Amtssitz des palästinensischen Präsidenten Abbas. Er könne nicht für die Sicherheit verantwortlich sein, solange andere Gruppen über Raketen und Gewehre verfügten.

Beobachter sind skeptisch, dass sich die Fatah und die Hamas in der Waffenfrage einigen werden und fragen sich, wie Sisi die verfeindeten Palästinenser versöhnen will. Sicher sei bloß: Die innerpalästinensische Versöhnung ist für ihn die zweite Stufe im regionalen Plan des ägyptischen Präsidenten, sagt der Arabien-Spezialist des israelischen Armeesender, Jacky Hugie. Sisi strebe als dritte Stufe einen von ihm vermittelten israelisch-palästinensischen Friedensvertrag an, um Ägypten wieder als regionale Macht zu etablieren. Damit wolle er auch bei US-Präsident Donald Trump punkten, der in Washington ebenfalls an einem „ultimativen Deal“ arbeiten lässt. Die Aussöhnung zwischen der Fatah und der Hamas sei ein wichtiger Zwischenschritt, um den israelisch-palästinensischen Friedensprozess mit Israel wieder in Gang zu setzen.

Die Risiken sind hoch. Ein Scheitern der Gesprächsrunde in Kairo würde mit „größter Wahrscheinlichkeit zu einem neuen Konflikt führen“, warnte Nickolay Mladenov, der UNO-Sondergesandte der Vereinten Nationen für den Nahostfriedensprozess. Das wäre verheerend und für alle mit großem Leid verbunden, so Mladenov.

Ein erstes Ziel seines Drei-Stufen-Plans hat Sisi allerdings bereits erreicht. Die Vertrauensbasis zwischen seiner Regierung und der Hamas ist wiederhergestellt. Sisi und die Hamas arbeiten im Kampf gegen Terroristen des Islamischen Staates zusammen.

Die Hamas hat sich im Oktober verpflichtet, Terroristen aus dem Gazastreifen vom Eindringen in den ägyptischen Sinai abzuhalten. Dazu wurde ein über zwei Kilometer breiter Sicherheitsstreifen an der Grenze zu Ägypten eingerichtet, der zunächst von der Hamas bewacht wurde. Zudem verhaftet die Hamas auf Wunsch Kairos Salafisten, die von Ägypten gesucht werden. Im Gegenzug erhoffte sich die Hamas eine Öffnung der Grenze zu Ägypten. Bisher ist Kairo diesem Wunsch allerdings nur zögerlich nachgekommen.

Der innerpalästinensische Streit ist inzwischen zehn Jahre alt. Im Sommer 2007 hatte die radikale Hamas die Fatah nach einem wochenlangen Bürgerkrieg mit Gewalt aus dem Gazastreifen vertrieben. Seither werden Westjordanland und Gaza voneinander getrennt regiert: Die Hamas kontrolliert den Gazastreifen, und die vom Westen unterstützte palästinensische Fatah regiert Teile des Westjordanlands. Am 12. Oktober waren die Fatah und die Hamas übereingekommen, dass Abbas und sein Premier Rami Hamdallah die Kontrolle in Gaza übernehmen würden. Wesentliche Fragen waren damals aber offen geblieben.

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