Nahost Trotz Dubai-Blase geht der Bauboom weiter

Die Ölmonarchien am Golf haben das Ende der Dubai-Blase bisher gut überstanden. Solange der Ölpreis hoch bleibt, werden die gewaltigen Investitionsprojekte weiter verfolgt.

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grafik Dubai

Die große Sause wird weitergehen, da ist sich Christophe Berthonneau sicher. Der weltweit bewunderte Feuerwerkskünstler aus Frankreich hat Anfang des Monats das Eröffnungsspektakel für das höchste Gebäude der Welt in Dubai arrangiert – ideale Werbung für die nächsten Aufträge aus den Golfstaaten. „Unsere vier ständigen Mitarbeiter in Dubai sind viel zu wenig für das wachsende Potenzial des Nahen Ostens“, sagt Simon Ransom, Direktor des Berthonneau-Unternehmens Groupe F.

Wachsendes Potenzial? War da nichts im vorigen Jahr? Das Platzen der Dubaier Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt, die Bonitätskrise der großen Staatsholding des Emirats Dubai im November, die Flucht der ausländischen Top-Verdiener? Alles wahr – aber derzeit sieht es so aus, als hätten die Herrscher am Golf es geschafft, die Misere auf das kleine Dubai zu begrenzen.

Das Emirat ist ja noch nicht einmal ein selbstständiges Land, sondern eines der sieben Mitglieder des Bundesstaates Vereinigte Arabische Emirate. Und selbst in Dubai wird immer noch viel gebaut. Nach einer Erhebung der Kölner Bundesstelle für Außenhandelsinformation (BfAI) summiert sich das Budget für alle aktiv in den Vereinigten Emiraten betriebenen Bauprojekte für die drei Jahre 2009 bis 2011 auf 423 Milliarden Dollar. Das ist vier Mal mehr als die entsprechende Summe für Saudi-Arabien, das mit über 25 Millionen Menschen fast fünf Mal so viele Einwohner hat wie die Emirate.

„Zweifel an der Zahlungsfähigkeit von Abu Dhabi haben wir keine, auch wenn wir heute überall am Golf lange warten müssen, bis unsere Rechnungen bezahlt werden“, berichtet der in Dubai residierende Geschäftsführer eines westeuropäischen Baukonzerns.

Schwierige Verhandlungen

Innerhalb der Emirate haben sich die Gewichte allerdings deutlich verschoben. Die Krise im Nachbaremirat Dubai mag das internationale Standing von Abu Dhabi sogar noch verbessert haben. Schon aus dem einfachen Grund, dass Abu Dhabi auf den viertgrößten Erdölreserven der Welt sitzt, und bei allen Preisschwankungen ist Öl im Vergleich zu Dubais krisenempfindlichen Assets – Immobilien, Bankensektor und Tourismus – ein stabiles Wirtschaftsgut. Und dann hat es Emir Chalifa von Abu Dhabi im vergangenen Jahr verstanden, zwei Mal seinen Kollegen Mohammed von Dubai vor der wirtschaftlichen Katastrophe zu retten, ohne sich selber in den Dubaier Morast ziehen zu lassen.

Im Februar 2009 lieh die von Abu Dhabi beherrschte Staatsbank der Emirate den vom Kollaps bedrohten Dubaiern zehn Milliarden Dollar. Weil der Vorgang schnell ablief und erst hinterher publik wurde, blieb die internationale Finanzszene gelassen. Ganz anders war es Ende November 2009, als Abu Dhabi sich ganz bewusst zwei Wochen Zeit nahm, um den Brüdern in der Glitzerstadt Dubai erneut mit angeblich zehn Milliarden Dollar unter die Arme zu greifen. Wie Abu Dhabi vor wenigen Tagen offiziell mitteilte, bestand aber nur die Hälfte der Summe aus frischem Geld, der Rest waren deutlich früher angekündigte Zahlungen. So eine Verlautbarung sorgt dafür, dass Dubais Position bei den Verhandlungen mit Gläubigern über ein befristetes Stillhalteabkommen noch schwieriger wird.

Somit ist in den Emiraten jetzt Emir Chalifa eindeutig der Boss und der Kollege aus Dubai sein Untertan. Der riesige Turmbau zu Dubai heißt jetzt Burj Chalifa („Chalifa-Turm“), aber das ist nur der Anfang. Irgendwann wird das Herrscherhaus von Dubai die Kontrolle großer Teile seines Wirtschaftsimperiums – vielleicht die Fluglinie Emirates – an Abu Dhabi verlieren. „Die Emirate haben sich in der Krise von einer Föderation ganz schnell in eine normale arabische Monarchie verwandelt“, sagt ein europäischer Diplomat am Golf, „der Emir von Abu Dhabi herrscht jetzt fast so unumschränkt über den Gesamtstaat wie die Herrscher in der Nachbarschaft.“ Gemeint ist vor allem die größte und wichtigste Golfmonarchie: Saudi-Arabien, wo kein Untertan König Abdullah ernsthaft ins Regierungsgeschäft hineinreden darf.

Der saudiarabische Monarch Quelle: REUTERS

An Saudi-Arabien wird sich schon der schieren Größe des Landes wegen das wirtschaftliche Schicksal der Gesamtregion entscheiden; die kleinen Monarchien Bahrain, Katar und Kuwait haben mit ihrer Zustimmung zu einer baldigen Währungsunion mit den Saudis diesen Zustand akzeptiert – und König Abdullah ist als vorsichtiger Reformer für den Westen eigentlich ein Glücksfall. Abdullah bleibt aber an die mittelalterlich anmutende Rechtsordnung gebunden. Das hemmt die Entwicklung.

Kaum ein ausländischer Manager – das gilt auch für Araber aus anderen Ländern – geht gern an einen Ort, wo Frauen immer noch nicht Auto fahren dürfen, Theater und Kinofilme generell verboten sind. Die im Vergleich zu Riad und Dschidda lockeren Sitten machten immer einen Teil des Reizes der bisherigen Boomtown Dubai aus – jetzt rüsten sich Bahrain und sogar das konservative Kuwait, diese Rolle zu übernehmen.

Abdullah trotzt diesem Problem mit gigantischen Infrastrukturplänen. Unter der Finanzkrise hat sein Land weniger als die Nachbarn gelitten, weil die Auslandsverschuldung vergleichsweise gering ist. Geld ist also vorhanden und wird auch ausgegeben.

Know-How verkauft sich

Allein der Bau der „King Abdullah Economic City“ soll 93 Milliarden Dollar kosten – eine Zweimillionenstadt am Roten Meer, 125 Kilometer nördlich der bisherigen Wirtschaftsmetropole Dschidda. In derselben Wüstenregion hat vor vier Monaten bereits die „King Abdullah University of Science and Technology“ (KAUST) den Betrieb aufgenommen. Die Gründungskosten werden auf zehn Milliarden Dollar geschätzt, und solange das Lehr- und Verwaltungspersonal nicht vollständig rekrutiert ist, wird die Hochschule vom Erdölkonzern Saudi Aramco und vom Energieministerium gelenkt. Dabei spielt Forschung, die mit Öl und Gas zu tun hat, an der KAUST den Plänen zufolge keine größere Rolle als an irgendeiner Technischen Hochschule in Europa.

Der König findet einfach im eigenen Land fast nur im Erdölsektor Leute, die wissen, worum es sich bei High-Tech-Einrichtungen überhaupt handelt. Aber dieses Problem soll die Wüsten-Universität ja langfristig lösen; und auf kurze Sicht lässt sich Know-how kaufen: Der designierte Präsident der KAUST, Shih Choon Fong aus Singapur, hat sich als Forscher auf dem Gebiet der Bruchmechanik international einen Namen gemacht.

Das Geld ist jedenfalls dank des wieder stabilen oder sogar steigenden Ölpreises da. Den Saudis drohen darum eher politische als wirtschaftliche Gefahren: Die Gewalt im Nachbarland Jemen könnte schnell auf die saudische Südwestprovinz Assir übergreifen. Und vor allem provoziert der König mit seiner vorsichtigen Modernisierung die Konservativen und enttäuscht die Fortschrittlichen. Abdullah wird diesen Sommer 86 Jahre alt. Der Kronprinz, sein Bruder Sultan, ist zwei Jahre jünger, gilt als korrupt und ist entsprechend unbeliebt. Das Haus Saud hätte möglicherweise mehr von einem Bruchmechanik-Experten als erstem Wissenschaftler des Landes, wenn der sich mit sozialen Konflikten beschäftigen würde statt mit Metalllegierungen.

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