Nahostkonflikt Trumps Sieg könnte Israel freiere Hand geben

Wie sieht der künftige US-Präsident Trump seine Rolle im Nahostkonflikt? Im Wahlkampf wollte er noch neutraler Beobachter sein, andere Aussagen lassen jedoch darauf schließen, dass er auf der Seite Israels steht.

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Der künftige Präsident freut sich schon darauf ein Nahostabkommen auszuhandeln. Quelle: AFP

Washington Die US-Präsidenten der jüngeren Vergangenheit haben sich um eine ausgewogene Haltung im Nahostkonflikt bemüht. Sie betonten stets die engen Verbindungen ihres Landes mit Israel und leisteten großzügige Finanzhilfen. Gleichzeitig bemühten sie sich aber um eine Verhandlungslösung und sandten etwa wegen des Siedlungsbaus im besetzten Westjordanland mahnende Worte in Richtung Jerusalem. Wie der künftige Präsident Donald Trump seine Rolle in dem Konflikt sieht, ist noch unklar.

Trump ist stolz auf sein Verhandlungsgeschick und hat erklärt, er freue sich auf die Herausforderung, ein Nahostabkommen auszuhandeln. Am Dienstag sagte er der „New York Times“, das „wäre so eine große Leistung“. Sein Schwiegersohn Jared Kushner, ein gläubiger Jude und enger Berater Trumps, könne bei den Gesprächen helfen, fügte er hinzu.

Im vergangenen Dezember sagte Trump der Nachrichtenagentur AP, er wolle „sehr neutral“ sein und versuchen, beide Seiten zusammenzubringen. Im Verlauf des Wahlkampfs wurden seine Äußerungen dann deutlich israelfreundlicher. Er sprach abfällig über die Palästinenser, die von Extremisten unterwandert seien oder diese zumindest tolerierten. Einige seiner Berater stellten gar die Frage, ob die Palästinenser überhaupt als Volk zu betrachten seien und Anspruch auf einen eigenen Staat hätten.

Somit bestehen Zweifel, ob Trump Entscheidungen der israelischen Regierung infrage stellen wird oder er versucht, ein neutraler Vermittler zu sein.

„Trumps Regierung wird sich vielleicht völlig heraushalten“, sagt Yousef Munayyer, der Direktor der Organisation US Campaign for Palestinian Rights. „Israel hätte freie Hand, die Palästinenser für immer zu dominieren, wenn es keine Einmischung von außen gibt.“

David Makovsky vom Washingtoner Institut für Nahostpolitik erklärt, angesichts des schwierigen Konflikts und der Unsicherheiten in der US-Politik sehe es derzeit nicht gut aus für eine Zweistaatenlösung.

Einige israelische Politiker teilen diese Ansicht. Naftali Bennett, Bildungsminister und Vorsitzender der nationalreligiösen Partei Jüdisches Heim, erklärte nach dem Wahlsieg von Trump am 8. November: „Die Zeit eines palästinensischen Staates ist vorbei.“

Verteidigungsminister Avigdor Lieberman schlug vor, Israel könnte sich mit Trump darauf einigen, größere Siedlungen auszubauen und dafür die Bauarbeiten in abgelegenen Gebieten einzustellen. Das wäre ein Bruch mit der Politik der Regierung des noch amtierenden US-Präsidenten Barack Obama.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat sich nach der US-Wahl am 8. November bisher nicht klar geäußert. Er gratulierte Trump zum Wahlsieg, gab aber keinen Hinweis darauf, ob er seine Politik nun ändern werde. Die Beziehungen zwischen Netanjahu und Obama gelten als gespannt. Und Trump beschuldigte Obama, er habe Israel unnötig unter Druck gesetzt.


„Israel kann nichts falsch machen“

Dabei kann er Obama nicht vorwerfen, Israel fallengelassen zu haben. Die USA unterzeichneten im September das bisher größte Sicherheitsabkommen mit Israel. 38 Milliarden Dollar sollen die israelischen Streitkräfte in den kommenden zehn Jahren erhalten. Obama drängte Israel in der Vergangenheit zwar dazu, den Siedlungsbau in den Jahren 2009 und 2010 teilweise auf Eis zu legen. Weitergebaut wurde aber dennoch.

Die Organisation Peace Now ermittelte, dass während Obamas Amtszeit bis Ende 2015 mit dem Bau von 3915 Wohnungen in den jüdischen Siedlungen begonnen worden sei. Wenn Obama im Januar das Weiße Haus verlässt, wird demnach wohl die Zahl von 4191 Einheiten überschritten sein, die während der Präsidentschaft von George W. Bush begonnen wurden.

Frühere US-Regierungen haben Israel beim Thema Siedlungsbau mal mehr, mal weniger freie Hand gelassen. Alle drängten jedoch auf eine Zweistaatenlösung: Bill Clinton brachte das Abkommen von Oslo mit auf den Weg, Bush legte einen Plan vor, nach dem ein unabhängiger palästinensischer Staat an der Seite Israels existieren sollte. Beide Ansätze scheiterten, genauso wie die Bemühungen von Obama, die Friedensgespräche wieder in Gang zu bringen.

Trump kritisierte die Palästinenser in einer Rede auf einer Konferenz in Washington im März. Die Hälfte der palästinensischen Bevölkerung sei von der Hamas und der Terrormiliz Islamischer Staat unterwandert und die andere Hälfte weigere sich, die erste Hälfte zu konfrontieren, erklärte er. Die Hamas kontrolliert den Gazastreifen, der IS ist keine wichtige Kraft in den palästinensischen Gebieten.

Einer von Trumps Nahostberatern, Jason Greenblatt, erklärte kürzlich in einem Interview, der künftige Präsident glaube nicht, dass die jüdischen Siedlungen im Westjordanland verurteilt werden sollten. Sie stellten auch kein Hindernis für den Frieden dar. Andere Berater wie der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani erklärten, eine Zweistaatenlösung dürfe es nicht geben.

Der ehemalige Vorsitzende im US-Repräsentantenhaus, Newt Gingrich, und der Unternehmer Sheldon Adelson sagten, die Palästinenser seien kein Volk. John Bolton, ehemals US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, erklärte 2014, eine Zweistaatenlösung „wird unvermeidlich zu einem Terrorstaat auf der anderen Seite der israelischen Grenze führen“.

Für den Gründer der liberalen proisraelischen Gruppe J-Street, Jeremy Ben Ami, ist die Zukunft des palästinensisch-israelischen Konflikts abhängig von der Besetzung des neuen Kabinetts unter Trump. Wenn die Politik vom „Israel kann nichts falsch machen“-Lager bestimmt werde, „dann werden einige aus dem rechten Flügel Israels sehr froh sein“.

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