Nationalkonservative Agenda Polen setzt Justizreform trotz höchstrichterlichen Urteils fort

Durch die Justizreform werden Ämter der Justiz vor allem mit Mitgliedern der regierenden PiS-Partei besetzt. Kritiker fürchten autoritäre Verhältnisse.

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Warschau Die polnische Führung setzt ihre umstrittene Justizreform trotz Kritik aus der Europäischen Union und gegen eine Entscheidung des eigenen höchstens Verwaltungsgerichtes fort. Präsident Andrzej Duda ernannte am Mittwoch 27 neue Richter am Obersten Gerichtshof. Dies hatte jedoch im September das Oberste Verwaltungsgericht untersagt und verfügt, dass die Ernennung auf Eis gelegt werden müsse. Das Präsidialamt hält diese Gerichtsentscheidung allerdings nicht für bindend.

Hintergrund ist, dass die Justizaufsicht, die dem Präsidenten die Kandidaten für Richterämter empfiehlt, bis 2015 mit Richtern besetzt war, die andere Richter ausgewählt hatten. Durch die Justizreform wird das Gremium nun aber vor allem von der regierenden PiS-Partei besetzt. Kritiker im In- und Ausland sehen dadurch die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr; Demokratie und Freiheit würden untergraben.

Die von der nationalkonservativen PiS betriebene Justizreform hat bereits mehrere Verfahren der EU gegen Polen ausgelöst. Im eigenen Land werfen die Opposition und Bürgerrechtler der Regierung vor, sie steuere fast 30 Jahre nach Ende des Kommunismus' auf autoritäre Verhältnisse zu. Durch Veränderungen bei Personal und Rechtsvorschriften habe die PiS de facto die Kontrolle über weite Teile der Justiz übernommen, darunter die Staatsanwaltschaft und das Verfassungsgericht.

Die Regierung argumentiert dagegen, die Veränderungen seien nötig, um die Arbeit an den Gerichten effizienter zu gestalten und Hinterlassenschaften des kommunistischen Regimes zu beseitigen. Mit der Ernennung der neuen Richter sei ein sehr wichtiger Schritt in der Justizreform getan worden, sagte der Vize-Leiter des Präsidialamtes, Pawel Mucha. Es gehe darum, die Basis für Vertrauen in die Justiz wiederherzustellen.

Die PiS hat bereits ein Gesetz verabschiedet, durch das mehr als ein Drittel der Richter am Obersten Gerichtshof in Pension geschickt wurden. Das Gericht entscheidet unter anderem über die Gültigkeit von Wahlergebnissen.

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