
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen ist überzeugt, dass die Regierungen der 28 Nato-Staaten in den kommenden Jahren ihre Verteidigungsausgaben erhöhen müssen. „Wir haben historische Entscheidungen getroffen, die das Bündnis in einer unsicheren Welt stark erhalten werden“, sagte er zum Abschluss des Nato-Gipfels am Freitag in Newport (Wales). In einer gemeinsamen Erklärung hatten mehrere Regierungschefs zuvor allerdings vermieden, sich verbindlich auf eine Steigerung der Verteidigungsausgaben zu verpflichten. Dies hatte vor allem US-Präsident Barack Obama gefordert.
„Die Erklärung wurde nicht verwässert, sie ist so stark, wie sie in einer politischen Welt sein kann“, sagte Rasmussen. In der Erklärung ist von Verpflichtungen keine Rede. Es heißt lediglich, jene Regierungen, die weniger als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben, wollten sich „bemühen, innerhalb von zehn Jahren das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen. „Es gibt noch viel zu tun, aber die Richtung ist klar“, sagte er. „Ohne Sicherheit können wir auch keinen Wohlstand genießen. Wir müssen die Verteidigungslasten gleichmäßiger im Bündnis verteilen.“
Die USA beklagen, dass sie mehr als 70 Prozent aller Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten finanzieren müssen. Die Maßnahmen für mehr Militärpräsenz in den östlichen Bündnisstaaten würden „schon in diesem und dem nächsten Jahr Geld kosten“. Er sei sicher, dass sie finanziert werden könnten. „Nach 25 Jahren relativ schönen Wetters stehen wir nun einem grundlegenden Klimawandel in Sachen Sicherheit gegenüber. Und ich bin sicher, dass wir die Kurve kriegen.“
Im vergangenen Jahr wurde der Anteil von Verteidigungsausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nur von den USA (4,4), Großbritannien (2,4), Griechenland (2,3) und Estland (2,0 Prozent) erreicht. Deutschland kam auf 1,3 Prozent.
Erstmals seit Ende des Kalten Krieges rüstet die Nato wieder gegen Russland auf. Als Konsequenz aus der Ukraine-Krise setzt die Allianz auf das Prinzip Abschreckung: Truppenstandorte werden verstärkt, eine schnelle und schlagkräftige „Speerspitze“ der Schnellen Eingreiftruppe (Nato Response Force) mit 3000 bis 5000 Soldaten wird aufgebaut.
Die 28 Nato-Staats- und Regierungschefs beschlossen in Wales den sogenannten Readyness Action Plan (sinngemäß Plan für höhere Bereitschaft). Er soll die Sicherheit der Partner in Ost- und Mitteleuropa stärken, die sich von Russland bedroht fühlen.
Für Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Allianz auf dem zweitägigen Gipfel Geschlossenheit und Entschlossenheit gezeigt. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte: „Unsere Präsenz im Osten wird sichtbarer“. Am Strategiewechsel des Bündnisses wird kurzfristig auch die erste gemeinsam vereinbarte Waffenruhe zwischen der ukrainischen Regierung und den moskautreuen Rebellen in der Ostukraine nichts ändern.
Nach monatelangen Kämpfen ordnete der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nach einem Treffen der Konfliktparteien in der weißrussischen Hauptstadt Minsk eine Feuerpause von Freitag, 18.00 Uhr Ortszeit (17.00 Uhr MESZ) an.
In puncto Sanktionen gegen Russland wertete Merkel eine dauerhafte Waffenruhe als Chance, die Strafmaßnahmen wieder zurückzunehmen. Wenn der Prozess aber scheitere, stünde Sanktionen wenig im Wege: „Ich glaube, dass es sehr gut möglich sein wird, dazu eine Einigung zu finden.“ In Brüssel sollten die EU-Botschafter über schärfere Sanktionen beraten. Neue Sanktionen dürften Russland den Zugang zu EU-Finanzmärkten weiter erschweren. Es geht auch um ein Lieferverbot auch militärisch nutzbarer Produkte und Ölfördertechnik.
Trotz des Kurswechsels der Allianz hält es die Bundeskanzlerin für wichtig, eine Rückkehr zur Zusammenarbeit mit Russland offen zu halten. Deshalb bleibe auch die Gründungsakte des Nato-Russland-Rates von 1997, der nach dem Kalten Krieg eine Partnerschaft der einstigen Gegner begründen sollte, in Kraft. „Wir haben extra gesagt, diese Sicherheitsarchitektur Europas, zu der die Nato-Russland-Akte gehört, zu der stehen wir, die respektieren wir“, sagte Merkel.
Als ein überzeugendes Konzept wollte Rasmussen die beschlossenen Pläne verstanden wissen:
- Zentrales Element ist eine „Speerspitze“ der schnellen Eingreiftruppe (Nato Response Force). Es geht um mehrere Tausend - vermutlich 3000 bis 5000 - Soldaten aller Waffengattungen, die im Krisenfall binnen zwei bis fünf Tagen in Einsatzbereitschaft versetzt werden können. Der britische Premierminister und Gipfel-Gastgeber David Cameron sagte, Großbritannien könne bis zu 3500 Soldaten für die „Speerspitze“ abstellen.
- Die Soldaten der Einheiten sollen nur mit leichtem Gepäck ausgerüstet sein. Fahrzeuge, Waffen, Munition und andere Ausrüstung werden den Plänen zufolge in möglichen Einsatzländern gelagert.
- Die „Speerspitze“ soll abwechselnd von mehreren Verbündeten gestellt werden. Das Bündnis will an den Regeln der Gründungsakte des Nato-Russlands-Rates von Mai 1997 festhalten. Der Vertrag verbietet der Allianz, dauerhaft Kampftruppen in Ost- und Mitteleuropa zu stationieren.
- Stützpunkte in Polen, Rumänien sowie den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen werden erweitert. Für die „Speerspitze“ wird eine Infrastruktur aufgebaut. Die fünf Verbündeten konnten sich nicht mit dem Vorschlag durchsetzen, die Nato-Russland-Akte aufzukündigen und somit den Weg für die dauerhafte Stationierung starke Nato-Verbände in ihren Ländern zu ebnen, was das Abkommen ausdrücklich verbietet.
Die Verteidigungsausgaben der Nato haben seit 1990 stetig abgenommen. Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise werden Forderungen nach einer Trendumkehr lauter. 2013 wurde der von der Nato angestrebte Anteil von zwei Prozent nur von den USA (4,4), Großbritannien (2,4), Griechenland (2,3) und Estland (2,0 Prozent) erreicht. Deutschland kam auf 1,3 Prozent und will daran auch absehbar nichts ändern. Die Abschlusserklärung des Gipfels gibt kein verpflichtendes Ziel vor.