Neue Eskalation im Handelsstreit „Bittere Früchte“: USA und China bombardieren sich mit Strafzöllen

Handelsstreit: USA planen Sonderzölle auf sämtliche China-Importe Quelle: imago images

Die Fronten im Handelskrieg zwischen den USA und China verhärten sich. Trump will alle Importe aus China mit Sonderabgaben belegen. Jetzt zieht Peking mit Gegenzöllen nach.

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Der Handelskrieg zwischen den USA und China erreicht eine neue Eskalationsstufe. Nach dem Scheitern der jüngsten Verhandlungsrunde in Washington hatte zunächst US-Präsident Donald Trump nochmal den Druck erhöht: Sonderzölle sollen in wenigen Wochen sogar auf alle Importe chinesischer Waren im Wert von rund 500 Milliarden US-Dollar ausgeweitet werden.

Die Reaktion aus Peking ließ nicht lange auf sich warten: Auch auf US-Exporte nach China soll es höhere Zölle geben und zwar schon ab dem 1. Juni. Je nach Produkt gelten dann Zölle von zehn, 20 oder 25 Prozent. Es geht um US-Produkte im Wert von 60 Milliarden Euro.

Die „Anpassung“ sei eine „Antwort auf den US-Unilateralismus und Handelsprotektionismus“, erklärten die Behörden in Peking. China hoffe, dass die USA im Sinne gegenseitigen Respekts zur bilateralen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zurückkehrten.

Danach sah es von amerikanischer Seite zunächst nicht aus. Nach Darstellung Donald Trumps läuft alles nach Plan. „Wir sind genau dort, wo wir mit China sein wollen“, äußerte er auf Twitter. Trump gab China die Schuld an der Eskalation im Handelskonflikt und warnte Peking vor Konsequenzen. Man sei kurz davor gewesen, ein „großartiges“ Abkommen abzuschließen, dann sei China aber abgesprungen, schrieb Trump am Montagmorgen (Ortszeit) auf Twitter.

Die letzte Gesprächsrunde zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt war in der vergangenen Woche ohne Durchbruch beendet worden. In der Nacht zum Freitag setzten die USA die Anhebung der Sonderabgaben auf Importe aus China im Wert von 200 Milliarden Dollar in Kraft. Die Zölle stiegen von bisher zehn auf 25 Prozent. Für weitere Importe im Volumen von 50 Milliarden Dollar lag der Satz bereits zuvor bei 25 Prozent. Aus der Volksrepublik hieß es, man werde keine „bitteren Früchte“ schlucken, die den Interessen des Landes schadeten. Die Volksrepublik habe das Selbstbewusstsein und auch die Möglichkeiten, seine legitimen Rechte zu verteidigen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking.
Trump warnte China via Twitter davor, auf Zeit zu spielen. Knackpunkt der Gespräche ist laut US-Wirtschaftsberater Larry Kudlow Chinas Weigerung, verabredete Punkte per Änderung ihrer Gesetze umzusetzen. Insidern zufolge hatte China zuletzt vorgeschlagen, dies könne auch durch Erlasse des Kabinetts erreicht werden. Kudlow wies das auf Fox News zurück. Er erklärte zugleich, es sei gut möglich, dass Trump den chinesischen Präsidenten Xi Jinping beim G20-Gipfel Ende Juni in Japan treffe.

Ungeachtet der zweitägigen Gesprächsrunde in Washington war in der Nacht zum Freitag in einem ersten Schritt die Anhebung der Sonderabgaben auf Importe aus China im Wert von 200 Milliarden Dollar in Kraft getreten. Die Zölle stiegen dadurch von bisher zehn auf 25 Prozent. Trump setzte China eine Frist von einem Monat, ein Abkommen zu besiegeln. Ansonsten sollen Abgaben auf weitere Waren im Wert von 300 Milliarden Dollar erhoben werden.

Hinter den Zöllen steckt auch die wachsende geopolitische Rivalität zwischen der aufstrebenden asiatischen Macht China und der – von Peking als angeschlagen betrachteten – alten Supermacht USA.

Europäer und Expertenwarnen vor weiterer Eskalation

Experten warnten vor schädlichen Auswirkungen des Zollkrieges nicht nur auf China und die USA, sondern auch auf Deutschland und den Rest der Welt. Trumps Argumentation, dass die US-Wirtschaft von seinen Zöllen profitiere, weil sie die Kassen der US-Finanzbehörden füllten, wiesen Experten zurück. Zölle würden von Importeuren bezahlt und meist über höhere Preise an die Verbraucher weitergeleitet.

„Der Handelskonflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt ist ein Risiko für die Weltwirtschaft“, heißt es in einer Commerzbank-Analyse. Beide Länder seien eng miteinander und mit dem Rest der Welt verflochten. 19 Prozent der chinesischen Exporte gingen in die USA, während China 7 Prozent der US-Exporte aufnehme. Der Handelskrieg habe über Wertschöpfungsketten und auch in Drittländern schon heute „deutliche Spuren“ hinterlassen.

Der schon heute spürbare Rückgang des Handels droht, das Wachstum in China weiter zu bremsen, worunter deutsche Exporteure leiden. Die Unsicherheiten können auch die Investitionsfreudigkeit von Firmen in China dämpfen, die dann weniger deutsche Anlagen und Maschinen kaufen, wie Industrieverbände warnen.

Keine Überraschung, dass im Zuge dessen auch der deutsche Großhandelsverband BGA warnte, die von den USA ausgehenden Handelsstreitigkeiten mit China und Europa seien brandgefährlich für die Weltwirtschaft. „Eine erfolgreiche Reform der Welthandelsorganisation könnte der Schlüssel dafür sein, viele der derzeitigen Streitigkeiten beizulegen und neue zu verhindern“, sagte BGA-Präsident Holger Bingmann. „Auf keinen Fall darf die EU jetzt in die falschen Verhaltensmuster fallen und selbst im Protektionismus ihr Heil suchen.“

Der Dax gab am Montag durch den sich hochschaukelnden Zollstreit nach. Bis zum Nachmittag weitete der deutsche Leitindex sein Minus auf 1,60 Prozent und 11 867,23 Punkte aus. Er fiel damit nicht nur weit unter die Marke von 12.000 Punkte zurück, sondern auch auf seinen niedrigsten Stand seit einem Monat.

Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, sich für den freien Handel einsetzen zu wollen. Höhere Zölle schadeten am Ende allen. Mit Blick auf von Trump angedrohte Sonderzölle auf europäische Autos hieß es: „Wir stimmen uns hierzu eng mit der Europäischen Kommission ab.“ Ziel sei ein Abkommen für die Industrie, das möglichst alle Zölle auf null senke.

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hatte zuvor gesagt, nicht damit zu rechnen, dass Trump noch in dieser Woche Zölle auf Autoimporte aus der EU verhänge. „Die Deadline für die Autozoll-Entscheidung ist der 18. Mai, aber die Frist kann verlängert werden“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“. Es gebe Signale, dass die Frist verlängert werden könnte, weil sich die USA zunächst auf die Verhandlungen mit China konzentrieren wolle.


„Wir denken nicht, dass China zurückrudert“

Auffällig in dem aktuellen Schlagabtausch zwischen den USA und China: Beide Seiten schlugen trotz der Eskalation weiter freundliche Töne an – möglicherweise auch um die Finanzmärkte nicht zu verunsichern. „Es ist normal und unausweichlich, kleine Rückschläge und Wendungen in Gesprächen zu haben“, sagte Vizepremier Liu He vor der Abreise aus Washington.

Liu He ging in die Offensive und enthüllte erstmals drei chinesische Kernforderungen: So müssten alle Zusatzzölle beseitigt werden. Auch müssten die Ziele für geplante chinesische Käufe von US-Waren mit der realen Nachfrage übereinstimmen. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Trump hätten sich im Dezember in Buenos Aires auf Zahlen geeinigt, die jetzt aber wieder strittig seien. Auch müsse der Text des Abkommen „ausgewogen“ sein und die „Würde“ beider Länder wahren.

Nach der Erhöhung der Zölle durch die USA sei China jetzt gezwungen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Da die USA gar nicht so viel nach China exportieren wie umgekehrt, kann Peking ohnehin nicht mit vergleichbaren Sonderzöllen Vergeltung üben. Die USA exportierten 2018 Waren im Wert von 120 Milliarden US-Dollar nach China, die heute schon weitgehend mit „Gegenzöllen“ belegt sind. China lieferte für 539 Milliarden US-Dollar in die USA.

Trotz der Differenzen bezeichnete Trump die Handelsgespräche als „offen und konstruktiv“. Ob Sonderzölle wieder aufgehoben würden, „hängt davon ab, was in Bezug auf zukünftige Verhandlungen geschieht“, schrieb der Präsident auf Twitter. Er wirft der chinesischen Seite vor, in den seit Monaten andauernden Handelsgesprächen bereits gemachte Zusagen neu verhandeln zu wollen.

Chinas Vizepremier widersprach. Änderungen seien nur normal, bevor am Ende eine Einigung gefunden werde. Es gebe „nur einige Differenzen“. Nach US-Berichten soll China zunächst Änderungen seiner Gesetze in Aussicht gestellt, dann die Zusagen in dem 150-seitigen Textentwurf für einer Vereinbarung aber wieder gestrichen haben.

In dem Streit fordern die USA wegen ihres großen Handelsdefizits mit China größeren Marktzugang, einen besseren Schutz von Urheberrechten und Geschäftsgeheimnissen oder auch mehr Bemühungen, um zwangsweisen Technologietransfer zu verhindern. Auch stören sie sich an staatlichen Subventionen Chinas, die den Markt verzerren.

Trump machte deutlich, dass die USA „keinen Grund zur Eile“ hätten. Er forderte China in Tweets aber auf, besser jetzt zu handeln und nicht bis nach der US-Präsidentenwahl 2020 zu warten, da er diese auch gewinnen werde. Ein Abkommen werde „viel schlimmer“, wenn es in seiner zweiten Amtszeit verhandelt werde, schrieb Trump und deutete damit auch an, dass sich der Konflikt noch lange hinziehen könnte.

Chinas Vize-Premier verglich die Gespräche mit einem „Marathon“, der in der Schlussphase besonders schwer werde. Nach seiner Darstellung hat China einen langen Atem: „Wir haben keine Angst vor Schwierigkeiten.“ In der Entwicklung eines großen Landes „sind einige Drehungen und Wendungen eine gute Sache“: „Testet nur unsere Fähigkeiten.“

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