
Die Verhandlungen über das umstrittene iranische Atomprogramm gehen an diesem Montag in die möglicherweise entscheidende Runde. In Wien beraten die Außenminister der fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrats und Deutschlands sowie des Irans über einen Kompromiss in letzter Minute. Die selbstgesetzte Frist für eine Einigung ist um Mitternacht vorbei. Allerdings verdichteten sich in der Nacht zum Montag die Hinweise, dass der Zeitraum nochmals verlängert werden könnte.
Der Westen verdächtigt den Iran bereits seit mehr als zehn Jahren, unter dem Deckmantel eines zivilen Nuklearprogramms an einer eigenen Atombombe zu arbeiten. Teheran bestreitet dies seit jeher. Die Iraner bestehen darauf, Atomenergie wie andere Nationen friedlich nutzen zu dürfen. Ihr Ziel ist es, dass die gegen ihr Land verhängten Sanktionen so schnell wie möglich aufgehoben werden.
Am Sonntagabend trafen sich die Außenminister aus den USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien zu vorbereitenden Gesprächen. Am Montag soll es dann im Kreis aller sieben Außenminister in die mutmaßlich letzte Runde gehen. Die Hoffnungen auf eine baldige Einigung wurden im Lauf des Wochenendes jedoch gedämpft.
Irans Atomanlagen
Die westlichen Staaten befürchten, dass der Iran mit seinem Atomprogramm auch Bomben bauen will. Ein Überblick über die iranischen Nuklearanlagen.
In der unterirdischen Fabrik südöstlich von Teheran wird Uran schwach angereichert. Das Material wird in Atomkraftwerken für die Stromgewinnung eingesetzt.
Für den Bau einer Atombombe müsste Uran weiter auf deutlich mehr als 80 Prozent angereichert werden. Nach dem jüngsten Bericht der Internationale Atomenergiebehörde IAEA wurde die Zahl der dazu nötigen Zentrifugen von 2600 auf 8808 erhöht.
Erst 2009 gab Teheran die Existenz dieser lange geheim gehaltenen Anreicherungsanlage südlich von Teheran zu. Damals war sie noch nicht in Betrieb. Die Fabrik in einem Tunnelsystem auf einem früheren Militärgelände nahe Ghom hat Platz für 3000 Zentrifugen zur Urananreicherung.
Inzwischen sollen dort mehr als 100 Kilogramm auf bis zu 20 Prozent angereichertes Uran hergestellt worden sein.
Im September 2011 ging Irans erstes Atomkraftwerk offiziell in Betrieb. Es hat eine jahrzehntelange Vorgeschichte. Nach der islamischen Revolution 1979 zog sich die deutsche Kraftwerk Union (KWU) aus dem Bauprojekt zurück.
Später stiegen die Russen ein. Das Kraftwerk hat zwei Atomreaktoren und steht im Südwesten des Landes.
Im Zentrum der iranischen Atomforschung gibt es eine Anlage zur Produktion von Kernbrennstäben. Der erste iranische Brennstab wurde jüngst im Akw Buschehr eingefügt. Auch das in Zentrifugen zur Urananreicherung benötigte Hexafluoridgas wird dort hergestellt.
Den USA ist die Existenz des unfertigen Schwerwasserreaktors im Westen des Landes seit 2002 bekannt. Hier fällt potenziell Plutonium an, das für die Bombenproduktion verwendet werden könnte.
Der kleine Leichtwasserreaktor in der Hauptstadt wurde noch zu Zeiten des 1979 gestürzten Schahs mit US-Hilfe gebaut. Er soll Material für medizinische Zwecke produzieren. Dazu benötigt er auf 20 Prozent angereichertes Uran.
Seit den 1990er Jahren arbeitet nahe der Hauptstadt ein Nuklearforschungszentrum, das vor allem medizinischen Zwecken dienen soll.
Im Januar und Februar verweigerte der Iran IAEA-Inspekteuren den Zugang zur Militäranlage Parchin südöstlich von Teheran. Möglicherweise wurden dort Tests mit Atomsprengköpfen simuliert.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte: „Wir sind bei diesem Komplex in vielen Punkten noch auseinander.“ Zugleich äußerte er sich überzeugt, dass auch der Iran zu einer Einigung bereit sei. Aus verschiedenen Delegationen hieß es, dass auch eine Art Zwischenabkommen denkbar sei, weil man sich über viele Details noch nicht einigen kann. Auch ein Gespräch zwischen US-Außenminister John Kerry und seinem iranischen Kollegen Mohammed Dschawad Sarif brachte keinen Durchbruch.
Großes Streitthema ist ist die iranische Urananreicherung. Ein weiterer Knackpunkt ist der Schwerwasserreaktor Arak in Zentraliran, der nach einer Inbetriebnahme Plutonium produzieren würde, das für den Bau von Atombomben dienen könnte. Deshalb fordert der Westen, den Reaktor zu schließen oder zu einem Leichtwasserreaktor umzubauen.
Das sind die Streitpunkte um das Atomprogramm des Irans
Die UN-Vetomächte wollen die Fähigkeit des Irans zur Anreicherung von Uran deckeln, um Teheran den Weg zu einer Atomwaffe zu versperren. Teheran besteht auf einer zivilen Nutzung der Kernkraft mit entsprechend vielen Zentrifugen, die zur Herstellung des Brennstoffs nötig sind. Für Kernbrennstoff muss Uran deutlich niedriger angereichert werden als für Atombomben.
Der Iran hat derzeit 20 000 Zentrifugen zur Urananreicherung; davon sind rund 10 000 in Betrieb. Die meisten sind älter und nicht so leistungsfähig. Der Iran will deutlich mehr Zentrifugen installieren. Der Westen dagegen besteht auf einer möglichst geringen Zahl.
Der Schwerwasserreaktor Arak in Mitteliran würde nach einer Inbetriebnahme Plutonium produzieren, das zum Bau von Atombomben dienen könnte. Deshalb forderte der Westen, den Reaktor zu
schließen oder zu einem Leichtwasserreaktor umzubauen.
Die Sanktionen der USA und der EU haben das ölreiche Land in eine Wirtschaftskrise geführt. Besonders schmerzlich ist das Embargo im Öl- und Bankensektor. Der Iran möchte eine Aufhebung der Strafmaßnahmen; der Westen will die Sanktionen nur aussetzen, um sie bei Vertragsverstößen wieder aktivieren zu können.
Offiziell gibt es zu dieser Frage keine Details. Beobachter gehen davon aus, dass die 5+1-Gruppe schon unter dem Druck der Skeptiker im US-Kongress oder der Kritiker in Israel eine mindestens zweistellige Anzahl Jahre anpeilt. Der Iran will sich höchstens auf 5 bis 7 Jahre einlassen.
Steinmeier unterstrich in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ die Bedeutung eines Abkommens. „Würde uns hier eine Vereinbarung gelingen, könnte das in vielen anderen Konflikten im Mittleren Osten - gerade im Umgang mit den Konflikten in Syrien und um Irak - durchaus hilfreich sein.“ Viele Experten befürchten, dass die Chancen für einen Kompromiss auf absehbare Zeit vertan sind, wenn es jetzt nicht klappt.
Aus iranischer Sicht ist eine Einigung auf ein umfassendes Abkommen zwar schwierig, aber ein Dokument über eine allgemeine Verständigung weiterhin möglich. Diese würde auch wesentliche Knackpunkte wie die Dimension der Urananreicherung, die Zahl der Zentrifugen, die Laufzeit und auch die Frage der Sanktionen umfassen, hieß es aus Delegationskreisen. Details müssten dann noch im Expertenkreis weiterverhandelt werden.
Für die Kontrolle der Vereinbarungen könnte die Atombehörde IAEA zuständig sein. Im Gespräch ist aber auch, dass Experten aus den fünf UN-Vetomächten und Deutschland das übernehmen.