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Neue Mitgliedsstaaten EU-Mitarbeiter: Quote wichtiger als Qualifikation

Bis 2011 stellt die EU-Kommission bevorzugt Mitarbeiter aus den neuen Mitgliedstaaten ein. Die Quote ist wichtiger als die Qualifikation.

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Flaggen vor Sitz der Quelle: AP

Elemér Terták hatte den richtigen Pass und einen wichtigen Freund. Kaum war sein Heimatland Ungarn 2004 der Europäischen Union beigetreten, wurde der promovierte Volkswirt in der EU-Kommission Direktor für Finanzinstitute. Eigentlich hatte seine Dienststelle, die Generaldirektion Binnenmarkt, einen anderen Kandidaten favorisiert. Aber Terták bekam den Job. Ungarns Kommissar László Kovács hatte bei seinem Kollegen, dem Iren Charlie McCreevy, ein gutes Wort für ihn eingelegt.

„Terták war vom ersten Tag an beschädigt“, erinnert sich ein hoher EU-Beamter. Kollegen haben sich mittlerweile massiv über seine Inkompetenz beschwert. Im Herbst soll er einen Beraterposten erhalten.

Personalentscheidungen wie diese häufen sich derzeit in Brüssel. Denn seit der EU-Erweiterung 2004 stellen die Brüsseler Institutionen noch bis 2011 bevorzugt Mitarbeiter aus den neuen Mitgliedstaaten ein. 2093 Akademiker sollen es bis Ende dieses Jahres schon sein. Nationalität geht dabei vor Qualifikation. „Das Prinzip der Bestenauslese wird klar verletzt“, moniert der bayrische Europaminister Markus Söder (CSU).

Zwar ist das Anliegen, alle EU-Nationalitäten in der Brüsseler Verwaltung angemessen zu beschäftigen, grundsätzlich berechtigt. Doch in der Praxis zeitigt das kuriose Resultate. Oft genug haben die neuen Länder einfach keine geeigneten Bewerber. In einem internen Papier gibt die Kommission zu, dass nicht ausreichend Bewerber aus den neuen Mitgliedsländern den sogenannten Concours, das Einstellungsverfahren der EU, bestehen. „Vor allem fehlt es an erfolgreichen Polen, aber auch an Tschechen und Slowaken“, so die vertrauliche Notiz.

Da liegt der Verdacht nahe, dass Einstellungskriterien schon einmal großzügiger gehandhabt werden, um die Quote zu füllen – auch bei Spitzenpositionen, die über ein spezielles Bewerbungsverfahren besetzt werden. Einmal bei der Kommission angestellt, ist den erfolgreichen Kandidaten die Karriere auf Lebenszeit gesichert, schließlich kann die Behörde Beamte nur sehr schwer entlassen. Wer sich gar zu ungeschickt anstellt, wird im Zweifel auf einen unwichtigen Posten abgeschoben. Die Generaldirektion Binnenmarkt hat mit solchen Manövern mittlerweile Erfahrung. Der frühere Leiter der Abteilung Rechnungslegung, ein Pole, berät nun den Direktor für freien Kapitalverkehr, Gesellschaftsrecht und Unternehmensführung.

Fachlich qualifizierte Bewerber aus Deutschland und den anderen alten Mitgliedstaaten haben dagegen derzeit wenig Chancen auf eine Beamten-Karriere in Brüssel. Denn der erfolgreich absolvierte Einstellungstest garantiert noch lange keinen Posten. Die Kandidaten müssen von einer Dienststelle angeheuert werden, und Generaldirektionen mit einem niedrigen Anteil an Mitarbeitern aus den Beitrittsstaaten dürfen derzeit keine Mitarbeiter aus den alten EU-Staaten einstellen. Von den 467 Deutschen, die seit 2003 durch den Concours gekommen sind, werden nur wenige ein Jobangebot bekommen.

Deshalb dominieren unter den Nachwuchskräften mit dem niedrigsten Dienstgrad für Akademiker derzeit deutlich die Polen. „Deutschland gehen in Brüssel die Ansprechpartner aus“, befürchtet bereits Söder. Er fordert die Kommission auf, von ihrer „Einstellungspolitik mit der Brechstange“ abzurücken und sich mehr Zeit zu lassen bei der Rekrutierung von Mitarbeitern aus den neuen Mitglied-staaten.

Ein kleiner Trost für die Kritiker der derzeitigen Kommissionspolitik: Gerade erst wurde ein sehr interessanter Job für Bewerber aus allen 27 Mitgliedsländern ausgeschrieben, Bewerbungsschluss 19. September. Die Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf sucht einen Direktor für Strategie. Vermutlich würde sich ein Bulgare oder Rumäne gerade auf diesem Posten nicht so gut machen – diese beiden Länder erhielten unlängst wegen anhaltender Korruption einen Rüffel von der Kommission.

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