Neue Raketen erreichen die USA Nordkorea auf dem Weg zum Weißen Haus

Nordkoreas Führer Kim Jong Un nimmt mit einem neuen Raketentest die USA ins Visier. Experten schätzen, dass die Rakete unter Umständen sogar Washington erreichen könnte.

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Der leitende japanische Kabinettssekretär Yoshihide Suga geht davon aus, dass die nordkoreanische Rakete in japanischen Gewässern niedergegangen ist. Schäden habe es keine gegeben. Quelle: Reuters

Tokio Anfang des Jahres wies Donald Trump die Behauptung Nordkoreas noch mit einem Ausrufezeichen zurück, schon bald die USA mit Atomwaffen erreichen zu können. „Es wird nicht passieren!“, twitterte er kurz vor seiner Vereidigung als US-Präsident. Doch mit dem zweiten Langstreckenraketentest in drei Wochen demonstrierte Nordkoreas Führer Kim Jong Un am Freitag, dass seine Raketen möglicherweise schon jetzt Trumps Washingtoner Amtssitz, das Weiße Haus, erreichen könnten.

Nach ersten Angaben japanischer und südkoreanischer Militärs schossen Nordkoreas Militärs um kurz vor Mitternacht Ortszeit eine Rakete auf einer sehr steilen und hohen Flugbahn rund 1000 Kilometer weit ins Japanische Meer. Die Rakete landete dabei zwar in japanischen ökonomischen Gewässern, also außerhalb des japanischen Hoheitsgebiets. Aber dieses Mal war der Einschlag womöglich nah genug, um von Land aus gesehen zu werden. Eine fest installierte Kamera des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders NHK auf Japans nördlichster Insel Hokkaido schnappte einen grellen Lichtstreif am Nachthimmel auf, der offenbar ins Wasser fiel. Dabei könnte es sich um die Rakete gehandelt haben.

Doch der eigentliche politische Paukenschlag war der Flug selbst. Den Zenit ihrer rund 47-minütigen Flugzeit soll Nordkoreas neueste Rakete in 3700 Kilometer Höhe erreicht haben. Damit übertraf sie den vorigen Test vom 4. Juli bei weitem, die laut Schätzung von Experten auf einer normalen Flugbahn 6700 Kilometer weit hätte fliegen können.

Mit dieser steilen Parabel verfolgt Nordkorea zwei Ziele: Die Regierung will beweisen, dass es die USA mit Atomraketen anvisieren kann, ohne dabei Japan zu überfliegen. Und diesen Nachweis hat Nordkorea nun erbracht, meint der Nordkorea-Experte Ankit Panda in einem Beitrag zum Magazin The Diplomat. „Der Test vom 28. Juli legt nahe, dass Nordkorea so weit entfernte Ziele wie New York oder Washington erreichen könnte.“

Gestützt wird er dabei vom Raketenexperte David Wright. Der schätzt, dass die Rakete je nach Größe der Ladung auf einer Standardflugbahn zwischen 10 400 und 11 000 Kilometer weit gereicht hätte. Washington liegt etwa 11 000 Kilometer von Nordkoreas Ostküste entfernt.


Abgefeuert von mobiler Abschussrampe?

Doch dies ist möglicherweise nicht die einzige Botschaft des Nordens. Es gibt Anzeichen, dass die Rakete nicht von einem Testzentrum, sondern bereits einer mobilen Abschussrampe aus abgefeuert worden ist. Damit hätte Nordkorea eher ein Militärmanöver als einen technischen Test durchgeführt.

Dies wäre ein Zeichen, dass die Führung zunehmend von der Einsatzfähigkeit ihrer Raketen überzeugt wäre. Offen ist allerdings für ausländische Experten noch, ob Nordkorea wirklich wie behauptet bereits einen möglichen Sprengkopf beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre vor der hohen Reibungshitze zu schützen.

Ganz überraschend kam der Test nach den vergangenen Monaten nicht mehr. In schneller Folge hatte Pjöngjang dieses Jahr Raketen getestet und dabei die Reichweite immer weiter erhöht. Daraufhin revidierten ausländische Sicherheitsexperten ihre Risikoanalysen drastisch. Anfang des Jahres hatte es noch geheißen, dass Nordkorea die USA um 2020 atomar bedrohen könne. Doch nun warnten Vertreter der USA die Bevölkerung, dass Nordkorea schon Anfang 2018 über verlässliche Raketen verfügen könnte.

Japans Ministerpräsident Shinzo Abe bezeichnete Nordkoreas Tests daher als „ein neues Niveau der Bedrohung“. Nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats kündigte er Sonnabends kurz nach Mitternacht Maßnahmen und mehr internationalen Druck auf Nordkorea an. Denn die Vereinten Nationen haben Nordkorea den Test ballistischer Raketen verboten. Der Test zeige eindeutig, „dass die Bedrohung für unsere Nation ernst und real ist“, sagte Abe

Auch das US-Militär reagierte prompt. Ein Sprecher von General Joseph Dunford, dem Vorsitzenden des Generalsstabs erklärte, dass sich Dunford und der Kommandeur der US-Streitkräfte im Pazifik umgehend im Pentagon getroffen hätten, um militärische Optionen zu diskutieren. Die USA hätten außerdem Südkorea das „eiserne Bekenntnis“ zur bilateralen Militärallianz übermittelt. Doch Experten gehen derzeit weiter davon aus, dass die USA noch nicht zu militärischen Mitteln greifen werden, um Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm zu beenden. Stattdessen könnten weitere Sanktionen verschärft werden.

Dies könnte die Beziehungen zwischen den USA und Nordkoreas Schutzmacht China weiter belasten. Zum Missfallen Pekings hatte die US-Regierung zuletzt schon Banken und Unternehmen in China mit Sanktionen bedroht, die mit Nordkorea Geschäfte machen.

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