Neue Verhandlungsrunde EU und USA wollen Freihandelsabkommen entfesseln

Obwohl die Verhandlungen erst in der Frühphase sind, holpern die Gespräche zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Ab Mittwoch soll wieder Schwung in die Gespräche gebracht werden.

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EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und US-Präsident Barack Obama. Quelle: ap

Brüssel Das Wort Freihandelsabkommen ist bei vielen zum Reizwort geworden, seitdem die EU und die USA ihre Verhandlungen darüber im Sommer vorigen Jahres begonnen haben. Verbraucherschützer und Globalisierungsgegner laufen Sturm gegen den geplanten Vertrag, weil sie Gefahren für Umwelt, Arbeitsplätze, Verbraucher oder gar die Kultur fürchten. Die Befürworter sehen in dem Abkommen dagegen die Chance, die Wirtschaft anzukurbeln und Hunderttausende neue Jobs zu schaffen.

US-Präsident Barack Obama will den Gesprächen am Mittwoch in Brüssel neuen Schwung verleihen, wenn er sich mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman van Rompuy trifft. Seit es um konkrete Inhalte geht, geraten die Verhandlungen immer wieder ins Stocken, weil es in einigen Punkten Streit gibt oder Widerstand von außen laut wird. Dabei stecken die Verhandlungen noch in einer Frühphase. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel rechnet erst Ende 2015 mit tragfähigen Verhandlungsergebnissen.

Aufregerthemen gibt es viele, zum Beispiel den geplanten Investorenschutz. Globalisierungsgegner von Attac und andere Kritiker fürchten, dass Konzerne durch bestimmte Klauseln die Möglichkeit haben, gegen einzelne Gesetze und Auflagen wegen angeblicher Verletzung ihrer Eigentumsrechte zu klagen.

So sei vorstellbar, dass amerikanische Firmen gegen europäische Lebensmittelvorschriften zu Felde ziehen. Das könnte teuer werden, und die Kosten müssten die Steuerzahler berappen.

Dass dabei dann auch noch spezielle Schiedsgerichte als Streitschlichter eingeschaltet werden sollen, ist den Kritikern ebenfalls ein Dorn im Auge. Zudem seien die Verfahren intransparent. Für Gabriel lässt sich dieser Streit einfach lösen: „Spezielle Investitionsschutzvorschriften sind in einem Abkommen zwischen den USA und der EU nicht erforderlich“, schreibt er in einem Papier. Schließlich gebe es ja nationale Gerichte.


Veralteter Investitionsschutz

EU-Handelskommissar Karel De Gucht hatte wegen des Streits um den Investorenschutz die Verhandlungen dazu unterbrochen. Er will in Kürze Verbesserungsvorschläge machen. Die für die Verhandlungen zuständige EU-Kommission argumentiert, viele der 1400 bilaterale Investitionsschutzabkommen der EU mit ihren Partnern seien veraltet und müssten angepasst werden.

Sowohl die Kommission als auch die Bundesregierung versichern, ein Schiedsgericht könne einen Staat niemals zwingen, einen Verwaltungsakt oder ein Gesetz zu ändern. Es könne im Zweifel nur Schadenersatz für Investoren anordnen. Seit 2012 stammen von den neu eingereichten Klagen vor Schiedsgerichten weltweit 60 Prozent von EU-Investoren und 7,7 Prozent von US-Firmen. In der Bundesregierung hält man die Angst vor eine Klagewelle ohnehin für überzogen.

Zweiter großer Knackpunkt bei den Verhandlungen ist derzeit die Frage nach dem Umfang des freien Handels. Obama und die EU-Partner wollen sich einem Entwurf für die Abschlusserklärung des Treffens am Mittwoch zufolge nun gegenseitig zusichern, sämtliche Zölle abzuschaffen. Ob diese Formulierung beibehalten wird, ist offen.

Als „Missverständnis“ betrachtet man auf US-Seite den anfänglichen Vorwurf der Europäer, die Vereinigten Staaten wollten die Zölle - es geht hier um eine Höhe von durchschnittlich drei bis vier Prozent - nicht so umfangreich wie gewünscht beseitigen. Inzwischen heißt es aber in Brüssel, dass eher die EU bestimmte Bereiche, vor allem Agrarprodukte, ausklammern will. Zudem soll es Übergangsfristen bei der Aufhebung der Zollschranken geben.

Der Abbau von Einfuhrgebühren ist unter anderem für Autohersteller wie Volkswagen oder die Opel-Mutter General Motors auf beiden Seiten des Atlantiks ein wichtiges Thema.

Abseits dieser großen Themen gibt es noch eine Vielzahl weiterer Aspekte, über die gestritten wird. Kritiker von Attac nennen die Schlagworte Genfood, Hormonfleisch und Chlorhühnchen. Auch soziale Standards, Klimaschutz und Finanzmarktkontrollen ständen auf dem Spiel. Auch die sogenannte Daseinsvorsorge, wie etwa staatliche Strukturen bei der Wasserversorgung, oder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sehen Kritiker in Gefahr. „Quatsch“ seien die meisten Vorwürfe, ärgert sich ein deutscher Regierungsvertreter. Er räumt aber ein, dass solche Vorbehalte das Freihandelsabkommen gefährden könnten.

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