Neuer Anlauf für Waffenruhe? „Putin schafft ein ukrainisches Aleppo“

Seit drei Jahren wird im Osten der Ukraine gekämpft. Nun sollen Regierungstruppen und prorussische Separatisten eine längst vereinbarte Waffenruhe endlich einhalten. Doch auch auf oberster Ebene wird weiter gestritten.

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Ein Mann steht in den Ruinen, die einmal sein Heim gewesen waren: Trotz längst ausgehandelter Waffenruhe gehen die Kämpfe im Osten der Ukraine weiter. Quelle: AP

Berlin/Kiew Im Kriegsgebiet Ostukraine soll an diesem Montag ein neuer Anlauf für eine Waffenruhe genommen werden. Die Außenminister Russlands und der Ukraine hatten sich am Wochenende in München hinter eine entsprechende Vereinbarung gestellt. Danach sollen prorussische Separatisten und Regierungstruppen ihre Kämpfe einstellen.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sagte der „Bild“-Zeitung (Montag), das seit zwei Jahren geltende Friedensabkommen von Minsk funktioniere nicht, weil Russland sich querstelle. „Wir haben in der Ukraine alles für den Frieden getan, Gesetze geändert, uns an die Vereinbarungen gehalten, aber Russland tötet weiter.“

Im Osten der Ex-Sowjetrepublik Ukraine kämpfen Regierungstruppen seit 2014 gegen prorussische Separatisten, die mit verdeckter Militärhilfe aus Russland agieren. In dem Krieg sind nach UN-Angaben etwa 10.000 Menschen getötet worden. Friedensvereinbarungen vom Februar 2015 in der weißrussischen Hauptstadt Minsk sehen zwar eine Waffenruhe und eine politische Lösung vor, werden aber von keiner Seite umgesetzt. Vereinbarte Waffenruhen sind mehrfach gebrochen worden, zuletzt sind die Kämpfe wieder eskaliert.

Poroschenko betonte, Russland allein trage die Schuld daran. „Die Situation in Teilen der Ost-Ukraine ist dramatisch. Wir haben eindeutige Beweise dafür, dass ganz gezielt Zivilisten angegriffen werden. Putin schafft dort ein ukrainisches Aleppo“, sagte er dem Blatt. Nach der Ukraine könne es auch andere Länder treffen.

Allerdings sieht sich Russland in dem Krieg nicht als Konfliktpartei, sondern als Vermittler mit Einfluss auf die Separatisten. Den vereinbarten Abzug russischer Truppen bezieht Moskau nicht auf seine Soldaten. Russlands Außenminister Lawrow versicherte bei einem Auftritt bei der Sicherheitskonferenz in München, Moskau wolle das Abkommen umsetzen. Schuld am bisherigen Scheitern sei aber vor allem Kiew.

Die neue Waffenruhe soll vor allem zum Abzug schwerer Waffen aus dem Kampfgebiet genutzt werden. Doch sendet Russland auch andere Signale. Moskau kündigte etwa an, künftig Pässe und andere Ausweispapiere der Separatistengebiete Donezk und Luhansk anzuerkennen. Mit diesen Dokumenten dürften die Bewohner dieser Gebiete visafrei nach Russland einreisen, verfügte Präsident Wladimir Putin. Der Kreml deutete den Erlass vom Samstagabend als humanitäre Geste. Die ukrainische Regierung verurteilte den Schritt und sprach von einem Verstoß gegen die im Friedensplan von Minsk getroffenen Vereinbarungen.

Poroschenko hatte in München gesagt, Moskau erkenne damit die illegitimen Führungen in Donezk und Luhansk an, hieß es in einer Stellungnahme des Außenministeriums in Kiew. Die Führungen der isolierten Separatistengebiete begrüßten den Erlass dagegen.

Kanzlerin Angela Merkel sagte auf der Sicherheitskonferenz, das Minsker Abkommen sei immer noch Anlass für Hoffnung. „Das Minsker Abkommen ist das einzige, was wir im Augenblick haben, um den Gesprächsfaden und die Möglichkeit der Lösung der Probleme voranzubringen“, betonte sie.

US-Vizepräsident Mike Pence appellierte in seiner Rede an Russland, auf ein Ende der Gewalt in der Ostukraine hinzuarbeiten. Auch Moskau müsse sich an die Minsker Vereinbarungen halten.

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