
Ungeachtet der Kämpfe in der Ostukraine sucht der staatliche ukrainische Gasversorger Naftogaz ein neues Gasabkommen mit seinem russischen Lieferanten Gazprom - fordert aber einen kräftigen Preisnachlass. "Derzeit kaufen wir russisches Gas für 329 Dollar pro Barrel", sagte Naftogaz-Chef Andrej Koboljew der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag in München am Rande der Sicherheitskonferenz.
"Europäisches Gas kaufen wir aber derzeit für weniger als 300 Dollar. Deshalb reduzieren wir unsere Einkäufe russischen Gases derzeit auf ein Minimum." Statt dessen werde im Westen eingekauft und die Vorräte aus Gasspeichern würden genutzt. "Denn der Preis wird weiter fallen", sagte er.
Naftogaz muss mit Gazprom einen neuen Vertrag für Gaslieferungen ab dem 1. April aushandeln. Bei den Gesprächen will die EU-Kommission eine vermittelnde Rolle übernehmen. „Ich denke, eine trilaterale Vereinbarung über die Lieferung von Gas für die Ukraine in diesem Jahr zu haben, wäre wünschenswert“, sagte der für die Energieunion zuständige Vizepräsident Maros Sefcovic am Freitag in Riga. Die EU sei von ukrainischer Seite um Vermittlung gebeten worden. „Wir sind dazu bereit“, sagte er der dpa am Rande einer Energiekonferenz. Russland zeige sich bislang aber noch zurückhaltend. Die Energiediskussion sei zudem stark von der Situation in der Ostukraine beeinflusst.
Die Gasversorgung im Winter war auch erst unter massiver Mithilfe der EU-Kommission zustande gekommen, weil sich Gazprom und Naftogaz wegen unbezahlter Rechnungen und hoher Preise gegenseitig verklagt haben. Wegen der politischen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine gab es 2014 zudem Sorge, dass Gazprom seine Gaslieferungen an das Nachbarland ganz einstellen könnte.
Der Vizechef der EU-Kommmission, Maros Sefcovic, hatte sich kürzlich bei Russland für ein neues Gas-Abkommen mit der Ukraine eingesetzt, da deren Speicher im Sommer wieder aufgefüllt werden müssten. Die russische Seite habe ihm aber gesagt, sie sei nicht zu erneut verbesserten Konditionen wie im Winter bereit, sagte Sefcovic am Freitag.
Er bestätigte damit Angaben aus einem deutschen Regierungspapier, wonach die EU angesichts der finanziellen Probleme der Ukraine ein "Sommerpaket" anstrebe. Der russische Energieminister Alexander Nowak sagte im Sender Rossiya-24 jedoch, falls die Ukraine ihre strittigen Alt-Schulden für Gas zahle, könne man verhandeln.
Naftogaz-Chef Koboljew sagte, die Verhandlungsposition habe sich verbessert, weil das Land mittlerweile über die Slowakei, Polen und Ungarn auch mit Gas aus dem Westen versorgt werden könne und der Weltmarktpreis erheblich gesunken sei. Naftogaz wolle künftig einen flexiblen Einkaufspreis. Dabei setzt das Unternehmen auf eine drastische Reduzierung. "Es wäre fair, den Preis an den für europäisches Gas zu knüpfen und davon noch die wegfallenden Transportkosten abzuziehen", sagte er. "Derzeit liegt der Spotmarktpreis in Europa bei 250 Dollar."
Koboljew forderte die EU auf, die Ukraine völlig in den europäischen Gasmarkt zu integrieren. "Wir müssen die letzte Barriere beseitigen, die es noch für die volle Lieferung von Gas aus der Slowakei gibt." Gazprom verhindere derzeit noch, dass dort liegende alte Gaspipelines genutzt werden dürften.
Darüber könnten die EU im Notfall künftig aber auch Ungarn, Rumänien oder Bulgarien mit Gas versorgen. Wünschenswert sei zudem, dass internationale Investoren in die geplante Privatisierung einer Naftogaz-Tochter einstiegen, die Gas in der Ukraine selbst fördert.
Koboljew sagte, die russische Ankündigung die Ukraine als Transitland in den Westen ab 2019 zu umgehen, sei ein "Bluff". Ohnehin sei es unökonomisch, die Ukraine umgehen zu wollen.
Bereits Ende des Monats werde die Entscheidung fallen, wie stark der Gaspreis für Kunden innerhalb der Ukraine angehoben werden solle. Die Beseitigung des massiv subventionierten Preises ist eine zentrale Forderung des Internationalen Währungsfonds (IWF), der mit der Ukraine gerade über ein weiteres milliardenschweres Finanzierungspaket verhandelt. Koboljew sagte, dass sich die Preise für Verbraucher in der Ukraine mindestens verdoppeln würden. Die Erhöhung würde dann im März oder April in Kraft treten - wahrscheinlich in Verbindung mit Subventionen für arme Bevölkerungsgruppen.