Neues Gesetz Wie Spanien ungebetene Gäste im Feriendomizil verhindern will

Die „Okupas“ besetzen in Spanien Häuser und berufen sich auf den Schutz der Verfassung. Die Regierung will das nicht mehr dulden.

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Die spanische Regierung unter Premierminister Rajoy will Hauseigentümern helfen, die Besetzer zu vertreiben. Quelle: Reuters

Madrid Sie inspizieren ihr Objekt der Begierde über Wochen. Sind sie sich sicher, dass es unbewohnt ist, brechen sie ein, tauschen die Schlösser aus, schreiben sich oft selbst einen falschen Mietvertrag und nehmen es in Besitz. „Okupas“ heißen die Hausbesetzer in Spanien. Nach einer Schätzung des Institut Cerdà, einer privaten Stiftung aus Barcelona, sind in ganz Spanien 87.000 leer stehende Häuser und Wohnungen besetzt. Oft hausen darin kriminelle Clans.

Einige verkaufen dort Drogen, andere haben die Besetzung zum Geschäftsmodell erhoben und erpressen von den Eigentümern Geld, damit sie deren Häuser wieder verlassen. „Es gibt richtige Mafias, die leer stehende Wohnungen in Beschlag nehmen“, erklärt der auf Immobilienrecht spezialisierte Anwalt Ramon Gil Roig von der spanischen Kanzlei Cuatrecasas dem Handelsblatt.

Oft mit Erfolg, denn die Okupas nutzen einen besonderen Schutz aus, den die spanische Verfassung allen Bürgern bietet: Sie schreibt fest, dass jeder Spanier das Recht auf eine angemessene Wohnung hat. Das führt dazu, dass sogar Hausbesetzer einen gewissen Schutz genießen, wenn sie länger als 72 Stunden in einem Anwesen verbracht haben.

Sie können dann nur noch mit einem richterlichen Beschluss gezwungen werden, das Anwesen zu räumen. „Bis die Gerichte den ausstellen kann es selbst im Schnellverfahren mehrere Monate dauern“, so Roig.

In Deutschland sorgte das Thema für Schlagzeilen, als Ende April ein Hamburger Steuerberater seine Finca auf Mallorca besetzt vorfand. Als er vor seinem Anwesen auf die Polizei wartete, musste er zusehen, wie die Okupas seinen Fernseher aus der Finca trugen, um ihn zu verkaufen.

Er entschloss sich, nicht auf die Mühlen der Justiz zu warten, drang mit drei Freunden in sein eigenes Haus ein, besetzte es seinerseits und eroberte es so zurück. Doch die Freude war durch den Zustand der Wohnung getrübt: Der meiste Hausrat war verschwunden, Hundekot lag in allen Ecken und eine grundlegende Renovierung tat Not.

Wer wie der deutsche Steuerberater nicht warten will, kann sich an private Dienstleister wenden. Unternehmen wie „Desokupa“ des ehemaligen spanischen Boxers Daniel Esteve behaupten, sie würden die Besetzer „schnell und freundschaftlich“ dazu bringen, die Wohnungen zu verlassen. „Wir haben in den vergangenen zwei Jahren 1200 Wohnungen von okupas befreit“, sagte Esteve dem Handelsblatt.

Für seine Überredungskünste fordert er mindestens 2500 Euro pro Wohnung. Seine Dienste sind jedoch umstritten. Die spanische Polizeigewerkschaft geht davon aus, dass Unternehmen wie Desokupa sich zumindest „am Rand der Legalität“ bewegen.

Die spanische Regierung will nun den Hauseigentümern helfen, die Besetzer schneller zu vertreiben. Ende April hat das Parlament für einen Gesetzesvorschlag gestimmt, der eine Räumung der besetzten Häuser innerhalb von 20 Tagen ermöglichen soll. Dem Entwurf muss der Senat noch zustimmen, er dürfte nach der Sommerpause verabschiedet werden.

Anwalt Roig ist jedoch skeptisch: „Ich habe meine Zweifel, dass sich der Prozess wesentlich beschleunigen lässt. Immerhin braucht es auch künftig einen richterlichen Beschluss.“ Und Spaniens Gerichte sind oftmals schlicht überlastet.

Laut dem nationalen Statistikinstitut stehen in Spanien 3,5 Millionen Wohnungen leer, das entspricht gut 13 Prozent des gesamten Wohnraums. Der Leerstand ist Folge des Immobilienbooms Anfang der Nuller-Jahre, als Spekulanten in Spanien mit billigen Krediten und der Hoffnung auf den weiteren Anstieg der Immobilienpreise zahlreiche Wohnungen aus dem Boden stampften, in die nie jemand einzog.

Gleichzeitig konnten viele Spanier, als die Blase platzte, ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen. Sie mussten ihre Wohnungen räumen, die dann den Banken gehörten. In Spanien aber gibt es bei weitem nicht genug Sozialwohnungen für die so Vertriebenen. Einige Okupas fühlen sich deshalb gegenüber dem Staat moralisch im Recht.

Während das neue Gesetz spanische Privateigentümer besser schützen soll, sind Banken oder Fonds von der gerichtlichen Express-Lösung ausgeschlossen. Das haben die linken Parteien im Parlament durchgesetzt. Aber die Finanzinvestoren haben Brancheninformationen zufolge ohnehin ihre eigene Art, das Problem zu lösen – sie zahlen die Okupas aus. 2000 bis 3000 Euro kostet das pro Wohnung. Am Ende trägt diese Kosten aber wiederum der Käufer oder Mieter.

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