Neues Unabhängigkeitsreferendum Schottlands Spiel auf Zeit

Das Parlament in Edinburgh gibt Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon Rückendeckung für ein neues Unabhängigkeitsreferendum. London hat zwar dem Wunschtermin eine Abfuhr erteilt, doch Sturgeon gibt noch lange nicht auf.

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Die Abgeordneten haben in ihrem Sinne entschieden. Wie es jetzt weitergeht, ist aber noch unklar. Quelle: AP

Es ist ein Erfolg, aber kein überwältigender: Mit einer Mehrheit von zehn Stimmen stimmte Schottlands Parlament am Dienstag für ein erneutes Referendum über die Unabhängigkeit der Region. Die Abgeordneten in Edinburgh haben sich von Großbritanniens Ministerpräsidentin Theresa May nicht abhalten lassen, die Mitte März deutlich machte: Jetzt sei nicht die richtige Zeit für eine solche Abstimmung.

Doch Schottlands Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon, die zuletzt ihre Pläne für ein neues Referendum forcierte, hat bereits signalisiert, dass sie über den Zeitpunkt mit sich reden lassen würde. Und auch ihr Antrag, den die Abgeordneten am Dienstag mehrheitlich absegneten, lässt ihr diese Möglichkeit. Darin heißt es: Es sei „am ehesten angebracht“, das Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands zwischen Herbst 2018 und Frühjahr 2019 stattfinden zu lassen. Das schließt einen anderen Zeitpunkt nicht aus.

May lehnt diesen Wunschzeitraum Sturgeons kategorisch ab. Es sei unfair, die Schotten gerade dann über ihre Zukunft im Königreich abstimmen zu lassen. Denn möglicherweise sei der Ausgang der Brexit-Verhandlungen zwischen London und Brüssel noch unklar. May will zudem verhindern, gleichzeitig mit der EU um die Scheidungsbedingungen und künftigen Handelsbeziehungen zu ringen und um die Einigkeit des Königreichs zu kämpfen.

Die britische Premierministerin wird die offiziellen Scheidungsgespräche mit Brüssel an diesem Mittwoch in Gang setzen. Die Verhandlungen sind auf zwei Jahre angelegt, so dass Großbritannien im Frühjahr 2019 die Staatengemeinschaft verlassen könnte.
Sturgeon deutete an, dass sie sich ein Referendum auch nach dem Brexit vorstellen kann. Sie sei bereit, über eine Verschiebung des Votums zu diskutieren, solange dies in einem vernünftigen Rahmen bleibe, sagte sie vor gut einer Woche in einem Interview mit dem Fernsehsender ITV. Das Referendum könne aber nicht bis zum Jahr 2021 hinausgezögert werden, bis die nächsten schottischen Parlamentswahlen anstünden.

Theresa May ist Anfang dieser Woche auch nach Schottland gereist, um ihre Ansage zu wiederholen und in einem persönlichen Gespräch mit Sturgeon zu sagen: Jetzt sei nicht die Zeit für ein Referendum. Noch ist unklar, wie die schottische Ministerpräsidentin darauf reagieren wird. Sie werde ihre nächsten Schritte nach Ostern verkünden, sagte sie am Mittwoch, ohne weitere Details zu nennen.

Beobachter gehen davon aus, dass May die Schotten nicht ewig hinhalten kann, ohne der Unabhängigkeitsbewegung im Norden des Landes Rückenwind zu geben. Grundsätzlich könnte Schottland auch ohne das grüne Licht aus London ein Referendum durchziehen, doch dann wäre das Ergebnis nicht rechtsverbindlich.

David Mundell, Schottland-Minister in Mays Kabinett, hat nach der Entscheidung des schottischen Parlaments die harte Haltung in London noch einmal verstärkt: „Wir werden nicht in Verhandlungen treten, bis der Brexit-Prozess abgeschlossen ist“, sagte er in einem BBC-Interview. Und der Prozess sei nicht bereits im Frühjahr 2019 mit dem eigentlichen Austritt abgeschlossen, sondern erst nach Ende einer Übergangszeit. „Es ist jetzt die Zeit, mit der schottischen Regierung zusammenzuarbeiten, um den bestmöglichen Deal für Großbritannien“ in Gesprächen mit der EU durchzusetzen, so Mundell.

Beim Unabhängigkeitsvotum im Herbst 2014 stimmte Schottland noch für den Status quo. Doch der Brexit ändere die Lage, sagt Sturgeon. Und die Schotten, die im Sommer vergangenen Jahres mehrheitlich für die EU votierten, sollten die Wahl haben, ob sie sich mit dem Rest der Briten von Europa oder vom Königreich abwenden.

In Umfragen gibt es noch keine überwältigende Mehrheit für ihre Pläne. Zuletzt sprachen sich 50 Prozent der Schotten für die Unabhängigkeit aus. Bleibt es aber bei der Blockadehaltung der Londoner Zentralregierung, könnte der Zuspruch steigen.

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