Neuwahlen Driftet Spanien nach links außen?

Die linkspopulistische Partei Podemos könnte bei den heutigen Neuwahlen in Spanien zweistärkste Kraft im Parlament werden. Der Brexit aber dürfte ihr eher schaden als nutzen.

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Die linkspopulistische Partei kommt gerade bei jungen Wählern gut an. Quelle: Reuters

Madrid Im vergangenen Dezember ging ein Ruck durch Spanien: Erstmals seit dem Ende der Franko-Diktatur hatten die Wähler vier statt nur zwei starke Parteien in ihr Parlament gewählt. Die beiden Neuen standen für den Aufbruch in eine neue Ära, mit mehr Demokratie und weniger Vetternwirtschaft.

Doch daraus wurde nichts. Statt Wandel kam Warten – auf die nächste Wahl, die an diesem Sonntag stattfinden wird. Denn das Ergebnis vom Dezember ermöglichte weder eine einfache rechte noch eine linke Mehrheit, so dass sich die Politiker am Ende überhaupt nicht auf eine Regierung einigen konnten.

Die Spanier sind genervt. Sie werfen ihren Vertretern vor, nicht ernsthaft verhandelt, sondern vor allem gestritten zu haben: Die beiden Traditions-Parteien PP (Konservative) und PSOE (Sozialisten) standen sich in jahrzehntelang praktizierter Frontalstellung gegenüber und auch die linkspopulistische Podemos blockierte eine Mehrheit, weil sie auf ein besseres Ergebnis bei Neuwahlen spekulierte. Allein die liberalen Ciudadanos gaben sich konstruktiv, hatten mit 14 Prozent der Stimmen aber nicht genug Gewicht, um den Ausschlag geben zu können.

Umfragen deuten einen erneuten Patt an, weil das Wahlergebnis ähnlich ausfallen dürfte wie im Dezember. Einzige Ausnahme ist der erwartete Aufstieg von Podemos, die sich jüngst mit den Altkommunisten von Izquierda Unida zu „Unidos Podemos“ („Gemeinsam schaffen wir es“) zusammen geschlossen haben. Zusammen könnten sie zweitstärkste Kraft hinter den Konservativen werden, aber vor den Sozialisten. 

Das spanische Wahlergebnis hat nach dem Brexit eine besondere Brisanz. Gelingt es Unidos Podemos tatsächlich, in die nächste spanische Regierung einzuziehen, wäre Spanien das dritte Südland nach Portugal und Griechenland, wo nach den Sparmaßnahmen in Folge der Krise Regierungen mit zumindest ultralinker Beteiligung an der Macht sind. Sie wenden sich gegen die Austeritätspolitik von Brüssel und dürften sich durch den Brexit in ihrer Protesthaltung bestätigt sehen.

Rund 30 Prozent der spanischen Wähler bezeichnen sich allerdings noch als unentschlossen. Nach dem Brexit, der die spanische Börse auf Talfahrt schickte und weltweit für Panik sorgte, ist es wahrscheinlich, dass sie lieber auf Bewährtes setzen. Die konservative, amtierende Regierungspartei PP hält sich zugute, Spanien aus der Krise geführt zu haben und auch die sozialistische PSOE kann mit 21 Jahren Regierungserfahrung aufwarten. Die Protest-Partei Podemos dagegen hat sich erst vor gut zwei Jahren gegründet.

Es gibt zwar auch die andere Lesart, nämlich die, dass Unidos Podemos als europakritischste Partei nun erst Recht Zulauf bekommt. Doch die Wähler, die sie damit erreichen, hatten sie vermutlich ohnehin schon auf ihrer Seite – dazu brauchte es keinen Brexit.


Podemos-Chef Iglesias – vom Marxisten zum Sozialdemokraten?

Die Unentschlossenen dürften sich nun umso mehr an einem Punkt im Wahlprogramm von Podemos stören: Die Partei plant ebenfalls ein Referendum – in Katalonien. Die spanische Region will zwar nicht aus der EU raus, aber weg von Spanien und einen eignen Staat gründen. Der Rest Spaniens hat dafür kein Verständnis und könnte angesichts der Turbulenzen nach dem Brexit-Votum lieber auf Abstand zur Referendum-Partei Podemos gehen.

Zwar rechnen mehrere Analysten damit, dass durch den Brexit auch die Unabhängigkeits-Bewegung in Katalonien neuen Aufwind bekommen wird. Doch dort blieb es am Freitag bemerkenswert still. Zwar twitterte Jordi Sánchez, Chef der separatistischen Bürgerinitiative ANC: „Wir sollten furchtlos sagen, dass die Zeit für unser Referendum gekommen ist.“ Aus anderen Kreisen der Separatisten hieß es dagegen, eine Trennung sei einfacher, wenn Europa nicht am Rand einer Krise stehe. Schließlich wäre auch die Loslösung von Spanien mit erheblichen wirtschaftlichen Risiken für Katalonien verbunden. Insofern könnte das Studium der ökonomischen Folgen für Großbritannien die katalanischen Unabhängigkeitsverfechter sogar einschüchtern.

Wird Unidos Podemos heute tatsächlich zweistärkste Partei, gibt es nach der Wahl vermutlich zwei Szenarien. Bei beiden hätten die Sozialisten den Schlüssel für die Regierungsbildung in der Hand. Das klingt zunächst wie eine machtvolle Position, in Wahrheit hätte die Traditionspartei aber nur die Wahl zwischen zwei Übeln.

Das eine sähe so aus, dass die Sozialisten sich bei der Abstimmung über die neue Regierung enthalten und damit eine Minderheitsregierung von Konservativen und Liberalen ermöglichen. Die großen Banken, die vor dem Brexit ihre Einschätzung zur Wahl publizierten, hielten dies für die wahrscheinlichste Lösung. Sie sähen zwar lieber eine große Koalition nach deutschem Vorbild, weil die nötige Reformen leichter durchzusetzen könnte. Aber eine Koalition mit der PP schließen die Sozialisten bislang vehement aus.

Sie haben am Beispiel von Griechenland gesehen, wo das hinführen kann: Dort hat sich die sozialdemokratische Partei Pasok im Jahr 2012 einem Regierungsbündnis der Konservativen angeschlossen – und wurde dafür bei den 2015 folgenden vorgezogenen Wahlen abgestraft: Pasok erhielt nur noch fünf Prozent der Stimmen und Syriza gewann die Wahl.

Dafür, dass sie die Konservativen aber zumindest passiv unterstützen, spricht, dass sie sich angesichts des Brexits damit als verantwortungsvolle Partei darstellen könnten, die Spanien Stabilität in kritischen Zeiten ermöglicht.

Für eine Unterstützung spricht auch, dass die Alternative womöglich noch schlimmer ist: Die Sozialisten müssten sich dabei Unidos Podemos in einer linken Regierung anschließen – der Partei, die mit dem Ziel antritt, die Sozialdemokraten in Spanien überflüssig zu machen. Podemos-Chef Pablo Iglesias hat seinen ursprünglichen, klassenkämpferischen Ton bereits abgemildert, um für die Masse der Spanier wählbar zu sein. So behauptet er inzwischen von sich, Sozialdemokrat zu sein, während er sich früher noch als Marxist bezeichnet und seine Sympathie für das Chavez-Regime in Venezuela bekundet hat. Das Ergebnis wird zeigen, in wieweit das bei den Wählern verfängt.

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