New York nach dem Sturm Verwundbares Amerika

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Die Stadt lernt es nicht

Wie groß der Schaden wirklich ist
New Jersey: Ein Mann verzweifelt wegen der Zerstörung, die der Wirbelsturm "Sandy" hinterlassen hat. „Sandy“ hat den Flugverkehr in Teilen der USA und bis nach Übersee lahmgelegt. Seit Samstag seien 16 271 Flüge ausgefallen, berichtete das Flugportal Flightstats. Die meisten Ausfälle gab es demnach am Montag, als der Sturm über die Ostküste hinwegfegte.Zudem könnte der Wirbelsturm im Nordosten der USA nach Schätzungen des Informationsdienstes IHS Global Insight einen wirtschaftlichen Gesamtschaden in Höhe von bis zu 50 Milliarden Dollar (38,7 Milliarden Euro) verursachen. Die Analysten rechneten mit direkten Schäden von rund 20 Milliarden Dollar und Gewinneinbußen von bis zu 30 Milliarden Dollar. Nach Auffassung von Ökonomen dürfte der Sturm der Volkswirtschaft der USA langfristig allerdings keinen weiteren Schaden zufügen."Es gibt keinen Grund zu glauben, dass der Hurrikan der bereits schleppenden Wirtschaft die Beine wegtritt", sagte die Chefökonomin der TD Bank, Beata Caranci, am Dienstag. Vielmehr dürften Investitionen in Reparatur und Wiederaufbau nach dem Sturm die entgangenen Umsätze ausgleichen. (Quelle: dpa&dapd) Quelle: dapd
Der Ferienort Atlantic City, im Bundestaat New Jersey: Hier kommen die Menschen am Wochenende zum pokern - Atlantic City ist für seine Casinos bekannt, das Glücksspiel ist hier legal. Hier drehte Martin Scorsese Teile seines Film "Die Farbe des Geldes". Gut möglich, dass sich hier niemand mehr so schnell zum zocken verirrt: Der Hurrikan Sandy hat Atlantic City komplett überschwemmt, der Boardwalk, die historische Uferpromenade aus Holz, teilweise weggespült. Quelle: dapd
Eine unterirdische Parkanlage im New Yorker Finanzviertel hat es schwer erwischt; die Wagen befinden sich fast komplett unter Wasser. Quelle: dapd
In Hoboken, New Jersey befinden sich nach dem Sturm diese Taxen unter Wasser. Quelle: dapd
Wasser und Regen an der Küste des Landes, schwere Schneefälle im Landesinnere: In West Virginia hat "Sandy" die Menschen unter fast 30 Meter Schnee begraben. Auch hier viel der Strom aus - für 264,000 Personen. Straßen wurden gesperrt. Quelle: dapd
Autos, Wohnwagen und Boote stehen dort, wo sie nicht stehen sollten: In der Nähe von Point Pleasant Beach, New Jersey, liegt ein Boot nach dem Sturm auf den Broadway Avenue. Quelle: REUTERS
In New York ist Battery-Park-Unterführung komplett überschwemt. Quelle: dpa

Es ist schon verrückt in dieser Stadt. Im vergangenen Jahr gab es Wirbelsturm Irene. Auch da drohte eine Flut über New York City hereinzubrechen – vor allem an der Südspitze – dort wo sich East River und Hudson River treffen und wo sich die Wall Street befindet. Gegen mögliche Terroristenanschläge ist das ganze Gelände rund um die New York Stock Exchange total abgesichert. Gegen Hochwasser, Wirbelstürme oder Hurrikans gibt’s keinen Schutz – Deiche, Schutzwälle oder simple Sandsäcke? Fehlanzeige. Irgendwie scheinen die New Yorker vergessen zu haben, dass ihre Insel am Ozean liegt.

Keine Kerzen, kein Wasser

Am Tag nach dem Sturm sind im East Village tatsächlich ein paar Läden geöffnet. In Ali’s Deli auf der Avenue B leuchten die Kunden mit ihren Taschenlampen die Regale ab, Chips sind gefragt und Kekse. Ich zahle für drei kleine Tüten Chips und ein paar Butterkekse zehn Dollar. Haltbare Milch hat Ali nicht. Wein und Bier natürlich auch nicht. Nicht mal Wasser. Dafür Batterien und Streichhölzer, Kerzen sind alle.

Letztes Jahr Weihnachten habe ich von unserer Redaktion ein iPod Mini geschenkt bekommen. Das Radio in dem kleinen Gerät ist jetzt Gold wert – so weiß ich wenigstens, was los ist. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg verkündet, das Wasser aus der Leitung sei nach wie vor trinkbar. Zu Sicherheit hätte die Stadt das Wasser mit ein bisschen mehr Chlor versetzt. Lecker. Bei uns in der Wohnung tröpfelt das Wasser nur aus dem Hahn. Auf dem Dach gibt es einen großen Wassertank, der langsam immer leerer wird, neues Wasser kommt nicht nach. Die Klospülung funktioniert nicht. Aber wir haben ja unser Wasser aus der Badewanne.

Pflichtbewusstsein im Chaos

Am nächsten Tag laufen wir zu ConEdison am East River – ein Elektrizitätswerk direkt am Wasser, na das ist ja schlau. Hier sieht es total verwüstet aus. Die Polizei hat das ganze Gelände abgesperrt. Wir erfahren: nicht die Flut hätte den Stromausfall verursacht, sondern durchgebrannte Sicherungen, die in Kontakt mit Salzwasser gekommen seien. Jetzt müssten alle Verteiler in lower Manhattan überprüft und gereinigt werden – und das kann dauern, von vier oder fünf weiteren Tagen ist die Rede.

Vom Balkon aus sehen wir am Abend Licht am Union Square. Ist da womöglich Strom? Voller Erwartung laufen wir am Morgen los. Doch die Enttäuschung ist groß: Licht hat nur das ConEdison-Verwaltungsgebäude am Irving Place. Trotzdem gehe ich zu dem Gebäude ein paar Häuser weiter, wo die WirtschaftsWoche ihr Büro hat. Da sitzt doch tatsächlich der Doorman. „Nein“, sagt er, „hier gibt’s auch keinen Strom.“ Kein Mensch sei in dem ganzen Hochhaus. Warum er denn da sitze? Er müsse eben hier sitzen, sagt er etwas erstaunt über meine dumme Frage.

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