Niederlage für May Das vorübergehende Brexit-Störfeuer

Das britische Oberhaus will die Gesetzesvorlage der Regierung zum EU-Austritt abwandeln und beschert der Premierministerin Theresa May eine Niederlage. Die dürfte aber von kurzer Dauer sein. Ein Kommentar.

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Das Unterhaus hatte den Gesetzesentwurf durchgewunken. Nun fordert die zweite Kammer eine Änderung der Vorlage. Quelle: AFP

London Ja, es sieht nach einer herben Niederlage für Großbritanniens Premierministerin Theresa May aus. Das Oberhaus hat am Mittwochabend mit einer Mehrheit von 102 Stimmen dafür votiert, das Brexit-Gesetz der Regierung zu ergänzen. Es soll nicht – wie bisher geplant – May einfach nur das Recht geben, die offiziellen Austrittsgespräche mit der EU einzuleiten. Es soll sie auch verpflichten, EU-Ausländern auf der Insel eine Bleibegarantie nach dem Brexit zu geben.

Doch was wie eine Pleite für May erscheint, dürfte am Ende nur eine Fußnote bei den Vorbereitungen für die Scheidung von der Staatengemeinschaft sein. Denn der Gesetzesentwurf geht – möglicherweise noch mit weiteren Ergänzungen versehen, über die das Oberhaus voraussichtlich nächste Woche abstimmen wird – zurück ins gewählte Unterhaus.

Die Abgeordneten dort hatten bereits im Februar die Möglichkeit, den knappen Formulierungsvorschlag der Regierung zu verändern. Sie hatten sich dagegen entschieden und werden wohl auch die Abwandlungen des Oberhauses ablehnen.
Grundsätzlich könnte der Gesetzesentwurf eine ganze Weile zwischen den beiden Kammern hin- und hergehen, bis sich beide Häuser auf eine Variante einigen.

Dieses Ping-Pong-Spiel, wie es die britischen Politiker nennen, dürfte dieses Mal aber recht kurz ausfallen. Die Lords haben bereits angedeutet, dass sie sich nicht verkämpfen werden, sollten die vor ihnen vorgeschlagenen Änderungen im Unterhaus durchfallen.

Dort hat die regierende Tory-Partei die Mehrheit. Theresa May dürfte das Spiel also gewinnen und voraussichtlich das Austrittsgesuch wie bisher geplant bis Ende März in Brüssel einreichen können. Die Lords haben mit ihrer Abstimmung am Mittwochabend der Regierung deutlich gemacht: Sie sollte die auf der Insel lebenden EU-Ausländer nicht als Verhandlungsmasse ansehen und ihnen Bleiberechte zusichern – egal, ob sich Brüssel im Gegenzug ebenfalls auf etwas Ähnliches einlässt, wenn es um die auf dem Kontinent lebenden Briten geht. May hat es bisher abgelehnt, solche Garantien einseitig zu geben.


Verhandlungen wichtiger als Inhalte

So ehrenwert das Anliegen der Lords auch ist, es stellt sich die Frage: Gibt es nicht wichtigere Aspekte, für die es sich zu kämpfen lohnt, um May bei ihren Brexit-Plänen keine Carte Blanche zu geben? Etwa die Verpflichtung, zwar aus der EU auszutreten, aber weiterhin im Europäischen Binnenmarkt zu bleiben? Oder die Auflage, das Ergebnis der Verhandlungen mit Brüssel vom Parlament in London absegnen zu lassen, bevor es in Kraft tritt? Ja, May hat den Parlamentariern eine Abstimmung darüber in Aussicht gestellt, das ist allerdings nicht in der Gesetzesvorlage festgeschrieben.

Es ist daher eher Symbolik im Spiel, wenn die Lords sich jetzt für mehr Rechtssicherheit für EU-Bürger einsetzen – zumal sie den Kampf darum nicht bis zum Ende ausfechten wollen. Zu groß ist die Sorge, dass eine Blockadehaltung einer Auflösung dieser nicht gewählten Kammer Vorschub leisten könnte.

May wird daher wohl mit ihrem Brexit-Gesetz durchzusetzen, in dem es ohnehin nur um das Verfahren geht, weniger um Inhalte. Das wird sich ändern, wenn die Verhandlungen mit der EU anfangen. In den Gesprächen mit den 27 EU-Mitgliedsstaaten wird May nicht mehr so ein leichtes Spiel haben wie auf der Insel. Den möglichen Ausgang dieser Gespräche hat Charles Grant von der Denkfabrik Centre for European Reform in einer Studie schon angedeutet: Es bestehe das Risiko, dass das Endergebnis weder für die eine, noch für die andere Seite gut sein werde. Denn alle Beteiligten würden Politik und Prinzipien vor den ökonomisch besten Ausgang setzen.

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