Nord Stream 2 Trumps Waffenarsenal gegen Deutschland

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Lösung nicht in Sicht

Hintergrund der Kritik ist vor allem die Sorge, dass die Ostseepipeline die bisherigen Transitländer für russisches Gas wie die Ukraine anfälliger für Interventionen des Kremls machen würde. „Russland hat Kiew schon in der Vergangenheit das Gas abgedreht. Aber damals bekam Moskau Ärger mit dem Westen“, so Mankoff. Nord Stream 2 würde es dem Kreml nun erleichtern, den Westen weiter mit Gas zu versorgen und gleichzeitig der Ukraine den Hahn zuzudrehen.

Die Deutschen nehmen diese Bedenken durchaus ernst. Es bleibt ihnen auch kaum etwas übrig, schließlich wird fast jeder Washington-Besucher von Kongressabgeordneten oder Regierungsmitarbeitern mit den amerikanischen Bedenken konfrontiert – nicht immer nur höflich. Eine Lösung ist dennoch nicht in Sicht.

Zwar versucht die Bundesregierung, die Einwände der Amerikaner zu entkräften, etwa durch garantierte Gastransfers durch die Ukraine, die auch nach dem Start von Nord Stream 2 aufrecht erhalten bleiben sollen, doch dass das Problem so beseitigt werden kann, glaubt so gut wie niemand. „Hier in Washington wird niemand darauf vertrauen, dass die Russen ein solches Abkommen im Zweifelsfall wirklich einhalten“, sagt Jamie Fly, Außenpolitikexperte des German Marshall Fund of the United States (GMFUS).
Neben den sicherheitspolitischen Einwänden spielen auch wirtschaftliche Faktoren eine Rolle. Die USA drängen schon lange darauf, dass Europa seine Energieversorgung diversifiziert – und natürlich will die US-Regierung, dass die Verbündeten künftig auch verstärkt amerikanisches Flüssiggas kaufen. Nord Stream 2, so glauben vor allem deutsche Beobachter, wird von Trump deshalb als unliebsame Konkurrenz gesehen, die es zu bekämpfen gilt.

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Dass dies jedoch tatsächlich der Hauptgrund für die amerikanischen Sanktionsdrohungen ist, halten Energieexperten für unwahrscheinlich. „Die Kritik an Nord Stream 2 gab es schon lange bevor die USA überhaupt Flüssiggas zum Exportieren hatten“, so Douglas Hengel, ehemals Karrierediplomat im US-Außenministerium. Auch sei die Gasexportstrategie der Amerikaner vor allem auf Asien ausgerichtet. „Dort sind die Wachstumsmärkte. Und auch die Preise sind höher“, erklärt er. Bessere Geschäfte mit Europa seien zwar wünschenswert, entscheidend jedoch nicht.

Ob und wann die Amerikaner nun tatsächlich Sanktionen verhängen, und wie genau diese ausgestaltet sein werden, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit sagen. „Das könnte sehr schnell gehen“, sagt jemand, der das Projekt seit Jahren intensiv verfolgt. Auch die US-Regierung macht deutlich: Alle Möglichkeiten liegen auf dem Tisch.

Am wahrscheinlichsten sind wohl Finanzsanktionen gegen Unternehmen, die am Pipeline-Projekt beteiligt sind. Um dies zu verhindern, reisen deshalb regelmäßig Delegationen der betroffenen Unternehmen über den Atlantik, um für Verständnis zu werben. Auch BASF-Tochter Wintershall nahm schon mehrfach an solchen Gesprächen teil. Leicht haben sie es nicht. Denn auch die Nord-Stream-Gegner machen in Washington harte Lobbyarbeit. „Ich zähle darauf, dass Nord Stream 2 mit amerikanischen Sanktionen belegt wird“, sagte etwa Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki kürzlich in einem Interview. „Ich habe darüber Gespräche geführt.“

Doch selbst wenn es der US-Regierung gelingt, die westlichen Investoren durch Sanktionen aus dem Projekt heraus zu drängen, aufhalten kann sie Nord Stream 2 wohl nicht mehr. Die russische Regierung hat längst angekündigt, die Pipeline notfalls alleine fertigzustellen.

Auch die Bundesregierung will Nord Stream 2 nicht aufgeben. Das Projekt sei wichtig, um die Energieversorgung Europas sicherzustellen, betont etwa Thomas Bareiß, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Einen Kompromiss zwischen Deutschen und Amerikanern können sich Beobachter angesichts dieser Gemengelage nicht vorstellen. „Für die deutsch-amerikanischen Beziehungen ist das keine gute Entwicklung“, sagt CSIS-Experte Mankoff. „Und die sind ja schon jetzt nicht gerade in einem großartigen Zustand.“

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