Nord- und Südkorea Die wichtigsten Fragen und Antworten zum historischen Korea-Gipfel

Erstmals treffen Nordkoreas Machthaber Kim und Südkoreas Präsident Moon direkt aufeinander – an der am schwersten bewachten Grenze der Welt.

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Bei ihrem Gipfeltreffen wollen sich Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und Südkoreas Präsident Moon Jae In auf atomare Abrüstung und eine langfristige Friedenslösung konzentrieren. Quelle: dpa

Seoul Vor wenigen Monaten noch drohte eine militärische Eskalation. Der Atomkonflikt mit Nordkorea provozierte heftige Drohgebärden seitens der USA und ihrem Präsidenten Donald Trump. Mit Feuer, Zorn und dem größeren Atomknopf hat Südkoreas Präsident Moon Jae In dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un nicht gedroht. Er bevorzugt gegenüber Nordkorea einen weniger martialischen Ton als sein US-Kollege Trump. An diesem Freitag nun reden Kim und Moon erstmals direkt miteinander. Können sie die Spannungen weiter abbauen? Was ist mit Kims Atomwaffen? Beide Seiten wollen die Beziehungen verbessern – und über einen dauerhaften Frieden reden.

Wenn sich die koreanischen Staaten und die USA überhaupt aus einer Situation herausmanövrieren wollen, in der noch vor wenigen Monaten ein Atomkrieg tatsächlich möglich schien, dann müssen Moon und Kim mit einem erfolgreichen Gipfel die Grundlage dafür schaffen. Vom Erfolg ihrer Diplomatie in Panmunjom an der am schwersten bewaffneten Grenze der Welt hängt auch das Schicksal des geplanten Treffens zwischen Kim und Trump ab. Dieses findet voraussichtlich im Mai statt.

1. Wie kam es überhaupt zu dem Gipfel?

Als Moon vergangenes Jahr als Nachfolger der Konservativen Park Geun Hye zum Präsidenten gewählt wurde, hoffte er auf bessere Beziehungen zu Nordkorea. Aber Kim testete in bedrohlichem Tempo Raketen und Kernwaffen und zwang Moon so, auf Trumps Kurs einzuschwenken, möglichst großen Druck auf Nordkorea auszuüben.

Doch im Januar folgte eine nordkoreanische Charmoffensive. Seine Atomstreitmacht sei vollständig, erklärte Kim - und schlug Gespräche vor. Analysten glauben zwar, dass Nordkoreas Waffentechniker noch einiges zu tun haben, um die Wirklichkeit den Worten Kims anzupassen. Doch für Moon kommt es vor allem darauf an, dass Kim auf Dialog umgeschaltet hat.

Die Olympischen Winterspiele in Südkorea waren die perfekte Kulisse. Sportlerinnen beider Länder bildeten ein gemeinsames Eishockeyteam, Kim schickte seine Schwester mit einer Einladung an Moon nach Pyeongchang und erklärte sich bei einem Besuch von Regierungsvertretern aus Südkorea sogar zu einem Treffen mit Trump bereit. Nordkorea brauche keine Atomwaffen, wenn es nicht von außerhalb bedroht und die Sicherheit seiner Regierung garantiert werde, sagte Kim nach Angaben aus Südkorea.

2. Wo treffen sich Kim und Moon?

Kurz gesagt an einem Ort, an dem sich Kim nicht so ganz wohlfühlen dürfte. Das sogenannte Friedenshaus in Panmunjom, rund 50 Kilometer nördlich von Seoul, steht auf der südlichen Seite der entmilitarisierten Zone zwischen beiden Staaten. Damit wird Kim der erste Regent Nordkoreas, der seit dem Waffenstillstand im Koreakrieg 1953 die Grenze Richtung Süden überschreitet. Historische Fotos sind damit schon garantiert – egal wie das Treffen ausgeht.

Nicht weit von der Stelle, wo Kim eine Ehrengarde in Augenschein nehmen wird, hagelte es vor Kurzem noch Kugeln, als ein nordkoreanischer Soldat vor den Schüssen seiner Ex-Kameraden in den Süden floh.

Für Moon bietet der Gipfel also eine Art Heimvorteil. Den nutzt er offenbar dafür, die Atmosphäre für Kim angenehm zu gestalten. Unter anderem hält Moon die Medien gehörig auf Abstand vom Schauplatz.

3. Wer will was erreichen?

Südkorea geht es nach Trumps Kriegsdrohungen aus dem vergangenen Jahr darum, dass die Situation unter Kontrolle bleibt. Ein Krieg würde nämlich größtenteils Koreaner das Leben kosten. Sein Land bereite sich darauf vor, eine führende Rolle bei einer vollständigen nuklearen Abrüstung auf der Koreanischen Halbinsel zu übernehmen, die zu einem dauerhaften Frieden und einer nachhaltigen Entwicklung im Verhältnis zwischen Süd- und Nordkorea zu übernehmen, sagte Moon.

Nordkorea könnte versuchen, einen Friedensvertrag zu erreichen, der den formal immer noch andauernden Koreakrieg beendet und zum Rückzug der US-Truppen aus Südkorea führt. Dafür könnte Kim seine neue nukleare Trumpfkarte einsetzen. Ziel Nordkoreas ist es vermutlich, den Weg zu einer Wiedervereinigung der Koreanischen Halbinsel unter seiner Führung zu ebnen. Ein so vereintes Korea wäre dann weder den USA noch China verpflichtet.

Allerdings ist es in der jetzigen Situation wenig wahrscheinlich, dass die USA Südkorea verlassen, angesichts des riesigen Blutvergießens das entstand, als Nordkorea 1950 ein Machtvakuum auf der Halbinsel vermutete und Südkorea überfiel.

Skeptiker argumentieren, Nordkorea könne bei einer Reihe von Gesprächen nach den beiden Gipfeln die Abrüstung in der Schwebe halten. So gewinne es Zeit, in der es seine Waffen vervollkommnen könne. Zugleich könnte Kim ein Einlenken in der Atomfrage in Aussicht stellen und dafür Zugeständnisse bei den Sanktionen und Hilfen aushandeln, nur um seine eigenen Zusagen am Ende nicht zu erfüllen.

4. Ist tatsächlich ein Abkommen möglich?

Als Maßstab für einen Durchbruch gilt die Abschaffung aller Atomwaffen auf der Koreanischen Halbinsel. Allerdings es ist sehr unwahrscheinlich, dass Kim darauf eingeht. Er hat es gerade erst als Triumph herausgestrichen, Nordkorea nach langer Durststrecke atomar mit den USA auf Augenhöhe gebracht zu haben.

Es gibt aber auch noch andere Erfolgsmarken. So haben Nord- und Südkorea bereits eine Telefonleitung eingerichtet, über die ihre Staatschefs bei Krisen direkt miteinander sprechen können - eine große Sache für zwei Staaten, die sich bis vor kurzem gegenseitig angeschwiegen haben, wenn sie sich nicht gerade gegenseitig bedrohten oder per Fax kommunizierten.

Ein Erfolg wäre die Zusage Nordkoreas, seine Atomrüstung einzufrieren. Das müsse ein erster Schritt hin zur völligen atomaren Abrüstung sein, schreiben der frühere US-Außenministeriumsbeamte Robert Manning und James Przystup vom Institut für Nationale Strategiestudien an der Nationalen Verteidigungsuniversität der USA. Auch müssten Seoul und Washington klarmachen, dass ein solches Einfrieren von UN-Inspektoren ohne Einschränkung kontrolliert müsse. Darüber hinaus müsse Nordkorea seine atomare Infrastruktur sichtbar demontieren.

Ralph Cossa von der Denkfabrik Center for Strategic and International Studies erwartet kaum einen wirklichen Durchbruch in Panmunjom. Kim verhandle mit Südkorea, um Gespräche mit den USA zu erreichen. „Aus Sicht Nordkoreas ist der Siegespreis das Treffen mit den USA“, schreibt Cossa in einer E-Mail. Kims Legitimität erhöhe sich schon allein dadurch, wenn er sich überhaupt mit Trump treffe.

Für Siegfried Hecker vom US-Kernforschungszentrum Los Alamos sind die diplomatischen Aktionen der vergangenen Woche schon für sich genommen ein Erfolg. „Sie haben uns schon mehr über Kim erzählt, als das, was wir in den vergangenen sechs Jahren über ihn erfahren haben“, sagt er. „Und sie haben uns wenigstens einen Schritt vom nuklearen Abgrund zurückgeholt.“

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