Nordkorea-Experte Rüdiger Frank "Kim Jong-un hat seinen eigenen Stil"

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Kim Jong-un hat ein Legitimationsproblem

Wie würden Sie Kim Jong-uns Politik beschreiben?

Sie steckt voller Überraschungen. Er ist kein klassischer Verwaltungsbeamter, der alles in den eingefahrenen Bahnen weitermacht. Es sucht nach neuen Wegen und nimmt dabei auch Risiken in Kauf. Denken Sie etwa an die bizarre Geschichte mit der Einladung von Dennis Rodman. Kim Jong-un ist ein starker Diktator, der relativ frei von "check&balances" agieren kann. Es gibt also auch niemanden, der sich traut, ihn von einer nicht ganz so guten Idee abzuhalten. Wegen seiner Jugend und seines Mangels an Erfahrung hat er ein gewisses Legitimationsproblem und muss seinen Platz nach seinem Großvater und seinem Vater erst noch finden. Deshalb geht er seinen eigenen Weg mit einem eigenen Stil.

Machthaber erklimmt höchsten Berg des Landes
Kim Jong Un Quelle: REUTERS
Kim Jong Un Quelle: dpa
Nordkoreas Diktator Kim Jong Un hat nach einem Medienbericht nach seinem Onkel angeblich auch dessen gesamte Familie hinrichten lassen. „Alle direkten Verwandten von Jang (Song Thaek) sind getötet worden, darunter sogar Kinder“, berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap am Sonntag unter Berufung auf mehrere Quellen. Unter den Opfern sollen angeblich die Söhne, Töchter und Enkelkinder von Jangs beiden Brüdern sein. Auch Jangs Schwester sowie deren Ehemann, der Botschafter des Landes in Kuba, und Jangs Neffe, der nordkoreanische Botschafter in Malaysia, sollen getötet worden sein. Der Onkel von Nordkoreas jungem Machthaber Kim war im vergangenen Monat unter dem Vorwurf des Hochverrats und der Planung eines Putsches hingerichtet worden. Quelle: AP
Nach der überraschenden Hinrichtung von Kims Onkel und Mentor, Jang Song Thaek, in der vergangenen Woche wurde die Zeremonie im In- und Ausland mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Auf den vom nordkoreanischen Staatsfernsehen ausgestrahlten Bildern war Kims Tante, Kim Kyong Hui, nicht zu sehen. Die Witwe von Jang hätte nach südkoreanischer Auslegung mit ihrer Anwesenheit „die Hinrichtung ihres Mannes durch ihren Neffen öffentlich anerkannt“. Jang galt lange Zeit als zweitmächtigster Mann im Land. Dem 67-Jährigen wurden auch gute Verbindungen zum Militär nachgesagt. Jang und einige Gefolgsleute wurden wegen Hochverrats hingerichtet. Dagegen war Kims Frau Ri Sol Ju erstmals seit zwei Monaten wieder in der Öffentlichkeit zu sehen. Sie ging mit ihrem Mann durch das Kumsusan-Mausoleum in der Hauptstadt Pjöngjang. Dort sind Kims Vater und Amtsvorgänger Kim Jong Il sowie Großvater und Staatsgründer Kim Il Sung aufgebahrt. Vor dem Mausoleum hatten sich mehrere Tausend Menschen versammelt. Quelle: dpa
Der entmachtete Onkel des nordkoreanischen Herrschers Kim Jong Un ist nach offiziellen Angaben wegen des Vorwurfs des Hochverrats hingerichtet worden. Ein Militärtribunal habe Jang Song Thaek am Donnerstag zum Tode verurteilt, berichteten die Staatsmedien am Freitag (13. Dezember). Der Beschuldigte habe parteifeindliche, konterrevolutionäre Handlungen mit dem Ziel ausgeführt, „die Führung unserer Partei, des Staates und des sozialistischen Systems zu stürzen“. Der 67-Jährige habe seine Taten gestanden. Das Urteil sei sofort vollstreckt worden. Jang galt lange Zeit als die graue Eminenz des Regimes. Quelle: AP
Jang wurde den offiziellen Angaben zufolge vorgeworfen, bereits seit dem Tod des früheren Machthabers und Vaters von Kim Jong Un, Kim Jong Il, im Dezember 2011 auf die Machtübernahme hingearbeitet zu haben. Jang, der bis vor kurzem noch Vizevorsitzender der mächtigen Nationalen Verteidigungskommission gewesen war und enge Kontakte zu China unterhielt, wurde in den nordkoreanischen Medien als „Verräter“ und „abscheulicher menschlicher Abschaum, der schlimmer als ein Hund war“, bezeichnet. Quelle: AP
Eine unabhängige Bestätigung der Berichte über die Hinrichtung gibt es nicht. Nach Informationen des südkoreanischen Senders Free North Korea Radio (FNK), das von nordkoreanischen Flüchtlingen betrieben wird, ließ das kommunistische Regime den 67-jährigen Jang und einige seiner Gefolgsleute bereits in der vergangenen Woche hinrichten. Bilder des Staatsfernsehens, die die Festnahme Jangs am vergangenen Sonntag bei einer Sitzung des Politbüros der herrschenden Arbeiterpartei zeigten, seien womöglich manipuliert gewesen, hatte FNK am Dienstag berichtet. Quelle: REUTERS

Woraus ergibt sich das Legitimationsproblem?

Die Macht geht in Nordkorea vom Gründer aus, also seinem Großvater Kim Il-sung. Nun ist der aber 1994 schon gestorben. Für Kim Jong-il, den Vater des aktuellen Diktators, bildete die Nähe zum Staatsgründer die Basis seiner Macht. Er war 20 Jahre lang die rechte Hand seines Vaters, wurde von diesem 1980 offiziell zum Nachfolger bestimmt und war damit ab 1994 und der einzig mögliche neue Führer. Aber Kim Jong-il ist überraschend und zu früh gestorben, so dass er keinen Nachfolger aufbauen konnte. Kim Jong-un wurde überhaupt erst ein Jahr vor dem Tod seines Vaters der Öffentlichkeit vorgestellt – und er ist zudem noch der drittgeborene Sohn. Er muss sich als Führer erst profilieren.

Mit welchem Politiker würden Sie den nordkoreanischen Machthaber vergleichen?

Angesichts der fast absoluten Machtfülle fallen einem hierzu kaum Vergleiche ein. Weder Stalin noch Mao kommen in Frage, auch kein römischer Kaiser. Nein, ich denke, Kim Jong-un ist Kim Jong-un.

Ist der neue nordkoreanische Machthaber ein visionärer Führer oder ein risikoscheuer Bewahrer?

Ich sehe ihn definitiv eher als aktiven Visionär anstatt als vorsichtigen Beamtentyp. Die fast drei Jahre seiner Herrschaft sind voll von Entscheidungen, auch solchen, die man nicht erwartet hat. Derzeit glaubt er aber noch daran, das Land im Rahmen des existierenden Systems weiterentwickeln zu können. Erst, wenn er diese Möglichkeiten ausgeschöpft hat, wird er an einem Punkt ankommen, wo ihm klar wird: Entweder Reform und Fortschritt, oder Stagnation. Ich denke, er wird sich für ersteres entschieden, wenn es soweit ist. Auch wenn das das Risiko beinhaltet, das System nicht nur zu reformieren, sondern zu zerstören, wie es Michail Gorbatschow gelungen ist.

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