Nordkorea-Konflikt Das gefährliche Schattenboxen

Trumps inzwischen legendärer Wutausbruch erscheint immer mehr Teil einer konzertierten Aktion, den Druck auf Nordkorea hochzuhalten. Die ehemalige US-Sicherheitsberaterin Rice warnt vor großen Gefahren dieser Strategie.

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Donald Trump und Kim Jong-Un geben sich einem gefährlichen Kräftemessen hin. Quelle: dpa

Tokio Am Donnerstag hielt US-Präsident Donald Trump vor laufender Kamera eine Manöverkritik seines bereits legendären Feuer-und-Wut-Ausbruchs zwei Tage zuvor. Er fragte seine Kritiker, ob die kurze Erklärung gegen Nordkoreas Atomprogramm zu hart gewesen sei, um prompt seine persönliche Schlussfolgerung zu präsentieren. „Vielleicht war sie nicht hart genug.“ Dementsprechend erhöhte er den Einsatz im verbalen Schlagabtausch mit Nordkoreas Führer Kim Jong Un noch einmal. 

Mit neuen Worten warnte er Nordkoreas Führer wie von Nordkoreas Nachrichtenagentur KCNA angekündigt eine Raketensalve auf die Umgebung der Pazifikinsel Guam abzufeuern, die zu den USA gehört. „Wir bereiten uns auf eine Menge verschiedener Optionen vor“, sagte Trump nach einem Sicherheitsbriefing. „Wenn er etwas in Guam unternimmt, dann wird es ein Ereignis sein, wie es noch niemand zuvor gesehen hat, was in Nordkorea passiert.“ Das bemerkenswerteste an Trumps neuer martialischer Erklärung war allerdings, sie keine spontaner Wutausbruch, sondern Teil einer konzertierten Aktion zu sein schien. Denn nun versuchte auch US-Verteidigungsminister Jim Mattis in der Presseerklärung NR-286-17 die Nordkoreaner oberlehrerhaft mit einer Mischung aus Belehrung und Androhung der Rute auf Linie zu bringen.

Kim Jong Un forderte er - wohlgemerkt ohne Kims Titel zu nennen - auf, dass er sich die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats zu Herzen nehmen solle. Die DVRK (Demokratische Volksrepublik Korea) „muss“ aufhören sich selbst zu isolieren und ihr Streben nach Atomwaffen beenden. Und sie „soll“ jegliche Erwägung von Aktionen beenden, die zum Ende ihres Regimes und der Zerstörung ihrer Bevölkerung führen würden.

Danach wiederholte er noch einmal, was Kim sicher auch schon weiß: „Während unser Außenministerium alle Anstrengungen unternimmt, diese globale Gefahr durch diplomatische Mittel zu lösen, muss angemerkt werden, dass die kombinierten Streitkräfte der Alliierten nun die präzisesten, am besten eingeübten und robusten defensiven und offensiven Fähigkeiten auf der Welt besitzen.“ Alle Aktionen des DVRK-Regimes würden massiv übertroffen, es würde jedes Wettrüsten und jeden Konflikt verlieren, die es beginne.

Ob diese Erklärungen Kim und seine Generäle zur Einkehr bewegen, bleibt abzuwarten. Der herablassende Tonfall jedenfalls, ist nicht dazu angetan, die stolzen Nordkoreaner zu beschwichtigen. Vielleicht ist das allerdings auch gar nicht beabsichtigt. Einige Analysten glauben, dass die Trump-Regierung durch einen zweigleisigen Ansatz aus Gesprächsangeboten und Drohgebärden vor allem China dazu bringen will, die härteren UN-Sanktionen auch wirklich umzusetzen.

Allerdings sei Trumps Ansatz gefährlich, warnte die frühere Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama in einem Gastbeitrag in der New York Times. Bombastische Rhetorik von Kim sei nichts Neues, schrieb Rice, die auch UN-Botschafterin der USA war und die Nordkorea-Frage damit genau kennt. Aber die Bereitschaft Trumps, mit eigenem Bombast zu antworten, addiere einen gefährlichen Faktor zur Gleichung. 

Entweder stoße Trump lehre Drohungen über einen Atomkrieg aus, was die Glaubwürdigkeit und Abschreckung der USA weiter untergraben würde. Oder er beabsichtige wirklich Krieg zu führen, wenn Kim sich erneut provokant verhalte. „Das erste Szenario ist eine Torheit, aber eine Entscheidung der USA, in Abwesenheit einer imminenten Bedrohung einen Präventivkrieg auf der koreanischen Halbinsel zu beginnen, wäre Wahnsinn“, warnte Rice.


Das riskante Schattenboxen

An einer Stelle wies sie daraufhin, dass die USA schon zuvor atomare Bedrohung toleriert haben. Ihrer Meinung nach sei es keine Vorbedingung für die Sicherheit der USA, dass Nordkorea keine Atombomben besitze. Die USA hätten schon zuvor die atomare Gefahr anderer Gegner toleriert. Stattdessen könne eine Strategie, die Nordkorea vom Einsatz der Atomwaffen abhält, einen militärischen Konflikt vermeiden, der die Leben von Millionen Südkoreanern, Japanern und US-Soldaten in der Region gefährden würde. 

„Krieg ist nicht notwendig, um vorzubeugen, trotz der Schlussfolgerung, die einige in der Trump-Regierung anscheinend getroffen haben“, urteilte Rice. Als Alternative schlug sie vor, dass die USA bombastische Rhetorik stoppen, ihre Raketenabwehr verbessern, die Sanktionen verschärfen und in neuen Verhandlungen mit China und Nordkorea versuchen, Nordkoreas Arsenal nachprüfbar zu beschränken oder abzuschaffen. 

Der Welt bleibt nun nur noch abzuwarten, ob Nordkorea sich die Warnungen aus Washington wirklich zu Herzen nimmt. Mit der letzten Androhung des Guam-Angriffs ließ das Regime jedenfalls die Tür für eine kurzzeitige Deeskalation sperrangelweit offen. Denn es kündigte nur an, dass das Militär den Plan prüfe, Mitte August vier Raketen abzufeuern. 

Doch der Korea-Experte Lee Jong-won, Professor für internationale Beziehungen an der japanischen Waseda Universität rechnet mit weiteren Provokationen des Nordens. In einem Interview mit der Wirtschaftszeitung Nikkei geht er sogar davon aus, das Nordkorea weiterhin einen sechsten Atombombentest durchführen wolle. Nordkorea hat selbst erklärt, es wolle sein Arsenal um Wasserstoffbomben erweitern, die mehr Sprengkraft als die bisherigen Waffen hätten. 

Allerdings glaubt auch Lee, dass Nordkoreas Regierung keinen Krieg beabsichtigt, sondern Gespräche mit den USA erpressen will. „Indem der Norden Krisengefühl produziert, sucht er wirklich Diplomatie“, ist Lee überzeugt. Aber das riskante Schattenboxen beider Streitparteien birgt auch für ihn das Risiko, dass aus Versehen ein Krieg ausbricht.

Noch ist im möglichen Kriegsland Südkorea allerdings nichts von Panik zu spüren. Die Menschen reagieren so gelassen wie in früheren Krisen. Der Aktienindex Kospi gab bis zum Mittag zwar um 1,5 Prozent nach. Aber das ist noch keine dramatische Reaktion. Doch bei den Wirtschaftsplanern wächst die Nervosität. 

Südkoreas Finanzministerium warnte am Freitag, dass die Märte volatiler werden könnten. Die Regierung werde ihre Marktbeobachtung verstärken und sofort im Rahmen seiner bestehenden Notfallpläne Gegenmaßnahmen ergreifen, besagte eine Presserklärung. Aber auch das klingt noch wie ein routinierter Umgang mit einer kaum ermesslichen Gefahr. In Ostasien geht damit das Leben auf dem Pulverfass weiter seinen gewohnten Gang.

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