Nordkorea und Otto Warmbier Der Tod eines US-Studenten wird zum Politikum

Kurz nachdem Nordkorea Otto Warmbier aus der Haft entlässt, verstirbt der US-Student. Washington macht das Regime in Pjöngjang dafür verantwortlichen. Es erhöht den Druck auf Kim Jong Un– und spannt dabei auch China ein.

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FILE - In this March 16, 2016, file photo, American student Otto Warmbier, center, is escorted at the Supreme Court in Pyongyang, North Korea. Warmbier, whose parents say has been in a coma while serving a 15-year prison term in North Korea, was released and returned to the United States Tuesday, June 13, 2017, as the Trump administration revealed a rare exchange with the reclusive country. (AP Photo/Jon Chol Jin, File) Quelle: AP

Tokio US-Präsident Donald Trump lernt Nordkorea im Schnelldurchlauf kennen. Vor kurzem sagte er noch, es wäre ihm eine Ehre, Nordkoreas jungen Führer Kim Jong Un zu treffen. Er nannte den Diktator ein schlaues Kerlchen. Doch nachdem der von Nordkorea vorige Woche ausgelieferte amerikanische Student Otto Warmbier am Montag im Koma gestorben war, sprach der US-Präsident weniger nett über das Regime in Pjöngjang.

Wenigstens habe die Trump-Regierung den 22-Jährigen heim zu seinen Eltern gebracht, die so froh gewesen seien, ihn zu sehen – obwohl Warmbier in einer „sehr schlimmen Zustand war“, sagte Trump in die Kameras. Dann verdammte er Nordkoreas Führung kurz und bündig: „Es ist ein brutales Regime, und wir werden in der Lage sein, es zu bewältigen.“

Wie genau er Nordkorea beikommen will, ließ Trump zwar in der Schwebe. Allerdings verzichtete er anders als zu Beginn seiner Amtszeit darauf, militärisch gegen den Norden Stimmung zu machen. Klar ist nur: Die Spannungen im transpazifischen Säbelrasseln der ungleichen Streithähne werden durch den Fall Otto Warmbier weiter verschärft. Dies stellte bereits Trumps Außenministerium klar.

Außenminister Rex Tillerson habe gesagt, dass die USA weiter Druck auf Nordkorea aufbauen würden, erklärte Susan Thornton, die Leiterin des Referats für Ostasien und den Pazifikraum im Außenministerium. Dabei spinnt Washington auch China mit ein: Wenn sich diese Woche Tillerson und Verteidigungsminister Jim Mattis in Washington mit Chinas Staatsrat Yang Jiechi und dem Stabschef der Volksbefreiungsarmee, Fang Fenghui treffen, werde das Thema Nordkorea höchste Priorität haben, versicherte Thornton.

Die USA wollen die Stimmung offenbar nutzen, um China zu stärkeren Sanktionen von seinem Schützling Nordkorea zu bewegen. So wollen die USA laut Thornton „eine friedliche Lösung für die nordkoreanische Atom- und Raketengefahr“ erreichen.

Überraschend ist Trumps rhetorische Wende nicht. Ihm bleibt gar keine andere Wahl, als den Druck auf Nordkorea zu erhöhen. Zu tragisch erscheint das Schicksal des amerikanischen Studenten in der Öffentlichkeit. Der republikanische Senator John McCain fasste die Stimmung prägnant zusammen: „Lasst uns die Fakten einfach benennen: Otto Warmbier, ein amerikanischer Bürger, ist vom Regime Kim Jong Uns umgebracht worden.“

Der Student der Universität Virginia hatte einen Nordkorea-Trip mit der chinesischen Reiseagentur Young Pioneer Tours gebucht, die laut ihrem Prospekt Budget-Reisen zu Zielen anbietet, „von denen deine Mutter dich lieber fernhalten würde.“ Doch bei der Ausreise wurde er im Januar 2016 festgenommen und nach kurzem Prozess zu 15 Jahren harter Arbeit im Arbeitslager verurteilt.

Seine Missetat: ein „feindlicher Akt gegen den Staat“. Genauer gesagt soll er ein politisches Bannerposter von einem gesperrten Hotelflur gestohlen haben. Nicht einmal eine dramatische Selbstbezichtigung, eine Anklage der US-Regierung und eine Bitte um Ausreise in Nordkoreas Fernsehen stimmten die Richter in dem asiatischen Land gnädig.

Damit wurde der 22-Jährige zu einer von mehreren politischen Geiseln Nordkoreas. Ein Druckmittel, das Pjöngjang gegen die USA ausspielen wollte, meinen Experten. Derzeit sind drei Amerikaner koreanischer Abstammung und mehrere Südkoreaner in Haft. Die Familie Warmbier hielt sich auf Anraten der Regierung unter Barack Obama zunächst im Hintergrund. Als Trump an die Macht kam, schöpfte sie neue Hoffnung. Und tatsächlich: Trump reagierte und setzte das Außenministerium auf die Freilassung Warmbiers an.


Wie reagiert China?

Im Mai kam dann die Wende. Plötzlich bat Nordkorea um eine Krisensitzung. Dort gestand Nordkoreas Uno-Botschafter Pak Kil-yon dem amerikanischen Sonderbeauftragten Joseph Yun, dass Warmbier bereits kurz nach Haftbeginn ins Koma gefallen sei. Vorige Woche wurde der Student dann ausgeflogen. Seine Eltern konnten so wenigstens noch Abschied nehmen. „Umgeben von seiner liebenden Familie starb Otto heute um 14:20 Uhr“, teilten die Warmbiers am Montag mit.

Verantwortlich für den Tod ihres Sohnes machen die Eltern die „schreckliche, qualvolle Misshandlung“ durch Nordkorea. Doch die Todesursache selbst ist noch unklar. Nordkorea hat behauptet, Warmbier sei nach einer Nahrungsmittelvergiftung ins Koma gefallen. Nur konnten die behandelnden US-Ärzte dies nicht feststellen. Sie fanden allerdings massive Gehirnschäden, nur keine Beweise für Schläge.

Als Motiv für die Auslieferung vermuten Korea-Experten den Gesundheitszustand von Warmbier. „Es wäre für das Regime ein fataler Fehler gewesen, wenn er im Land verstorben wäre“, meint Lars-André Richter, Bürochef der Friedrich-Naumann-Stiftung in Südkoreas Hauptstadt Seoul.

Die große Frage bleibt allerdings, ob der Zwischenfall beide Seiten wieder in martialische Gesten abgleiten lassen wird. „Ich glaube nicht, dass sich die Lage plötzlich ändert und wir eine Eskalation erleben werden, auch wenn es sich um ein Menschenleben handelt“, meint Richter.

Ganz ausgeschlossen ist es allerdings nicht, selbst wenn die USA bisher militärische Vergeltung mit keinem Wort erwähnt haben. Denn selbst Befürworter eines Dialogs, wie der in Südkorea ansässige amerikanische Asien-Experte John Delury, raten zu einer „kraftvollen Antwort“.

Allerdings soll diese Antwort nicht aus Vergeltung erfolgen. Delury hält die Behandlung von Warmbier selbst nach nordkoreanischen Standards für außergewöhnlich. Der Asien-Experte glaubt daher, dass smarter Druck gepaart mit Gesprächsangeboten in Nordkorea etwas bewegen kann. Schließlich ist das Regime in Pjöngjang nicht monolithisch, sondern durchzogen von kämpfenden Fraktionen.

Als mögliche Idee nennt Delury, dass die US-Regierung China zu einem Reiseboykott Nordkoreas aufrufen könnte, bis Pjöngjang den Fall Warmbiers aufgeklärt, sich entschuldigt und die anderen Gefangenen freigelassen hat. Denn so könnte man Nordkorea wirtschaftlich empfindlich bei Deviseneinnahmen treffen. Nach südkoreanischen Schätzungen waren 2015 von 100.000 Nordkorea-Besuchern 90 Prozent Chinesen.

Doch noch ist offen, ob China mit den USA mitspielen wird. Es gibt Zeichen, dass das Land in den vergangenen Monaten den Geld- oder Warenstrom nach Nordkorea gedrosselt hat. Eine andere Frage ist, was Südkoreas neuer Präsident Moon Jae-in vorhat. Vor dem Fall Warmbier schlug er noch die Wiederaufnahme eines innerkoreanischen Dialogs vor. Doch härtere Sanktionen könnten Nordkorea nun wieder zu einer härteren Antwort provozieren. Die Lage ins Ostasien bleibt damit weiterhin gespannt.

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