Nordkorea vor der US-Wahl Der Diktator rüstet auf

Kim Jong-Un hat in den letzten Monaten immer raffiniertere Waffen testen lassen. Ein klares politisches Kalkül, sagen Experten. Der Diktator will offenbar ein Signal an die nächste US-Regierung senden.

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This undated picture released from North Korea's official Korean Central News Agency (KCNA) on September 13, 2016 shows North Korean leader Kim Jong-Un (C) inspecting Farm No. 1116 under KPA Unit 810 at an undisclosed location in North Korea. / AFP PHOTO / KCNA / KCNA Quelle: AFP

New York Nordkorea provoziert die Weltgemeinschaft mit stetig neuen Raketen- und Atomtests. Dass das kommunistische Land gerade jetzt den Aufbau seines Waffenarsenals vorantreibt, ist nach Ansicht von Experten klares politisches Kalkül: Staatschef Kim Jong Un hat offenbar die Präsidentenwahl in den USA im Blick.

Die Raketentests seien ein Signal an die nächste US-Regierung, sagt Politik-Professor Victor Cha, der in der Amtszeit von George W. Bush die Asien-Abteilung des Nationalen Sicherheitsrats leitete. Nordkorea wolle dem nächsten Präsidenten demonstrieren, dass es ein Atomstaat sei. „Ob das nun im Hinblick auf Verhandlungen geschieht, oder um zu sagen „Lasst uns in Ruhe“, das weiß keiner“, sagt Cha.

Für Pjöngjang ist der scheidende US-Präsident Barack Obama in den letzten Monaten seiner Amtszeit eine sogenannte „lame duck“, eine lahme Ente. Mit anderen Worten: Niemand geht davon aus, dass Obama jetzt noch eine ernste Konfrontation oder gar einen Militärschlag riskieren würde. Und auch nach der Wahl und dem Wechsel im Präsidentenamt wird es einige Monate dauern, bis sich Obamas Nachfolger oder Nachfolgerin im Amt eingerichtet hat und die politische Agenda steht. Nordkorea hat also Zeit, aufzurüsten und sich gegenüber der nächsten US-Regierung in Position zu bringen.

Nordkorea habe nun „die volle Fähigkeit für einen Atomangriff“, verkündete Staatschef Kim nach dem Test einer U-Boot-Rakete im August. Er dürfte zwar übertrieben haben - aber nicht allzu sehr.

Kim, der nach dem Tod seines Vaters 2011 Präsident wurde, hat die Entwicklung des nordkoreanischen Raketen- und Atomprogramms vorangetrieben - offenbar mit klaren Zielen. So hat die Musudan, eine ballistische Mittelstreckenrakete, eine Reichweite von 2500 bis 4000 Kilometern. Damit kann sie Ziele in Japan und Südkorea erreichen.


Das Atom-Dilemma

Beobachter gehen davon aus, dass Nordkorea in wenigen Jahren in der Lage sein wird, Militärstützpunkte der USA im Pazifik zu treffen. Schon 2020, so glauben manche Experten, könnten nordkoreanische Raketen bis in den Westen der USA fliegen. Es sei nur eine Frage der Zeit, wenn Nordkorea jetzt nicht gestoppt werde, warnte der Kommandeur der US-Streitkräfte in Südkorea, General Vincent Brooks, in einer Anhörung vor dem US-Senat.

Jahrelang war das Atomwaffenprogramm Nordkoreas bei Diplomaten und Regierungsvertretern eher als Verhandlungsmasse für Hilfen für das arme Land in Milliardenhöhe denn als ernsthafte militärische Ambition angesehen worden. Doch Pjöngjang, so vermuten Experten mittlerweile, hat in jüngerer Zeit viele seiner Ziele in der Entwicklung von Waffen erreicht, darunter die Produktion kleiner atomarer Sprengköpfe, die auf Raketen passen. Auch sei etwa die gesamte Raketentechnologie verbessert worden, heißt es.

Letztlich gehe es Nordkorea darum, als Atommacht anerkannt zu werden, sagt der ehemalige britische Diplomat Euan Graham, der als Sicherheitsexperte am Lowy-Institut für Internationale Politik in Sydney arbeitet. Genau das werde nie passieren, haben US-Regierungsvertreter wiederholt und lautstark verkündet. Doch sobald Nordkorea über eine atomwaffenfähige Rakete verfügt, die die USA treffen könnte, dürfte es deutlich schwieriger sein, Pjöngjang diesen Status zu verweigern, warnen Fachleute.

Nordkorea selbst scheint sich auf seinem Weg derweil nicht beirren zu lassen. Die Regierung in Pjöngjang werde ihr Waffenprogramm „ohne das leiseste Zögern“ bis zum Ende entwickeln, schrieb die in Japan ansässige Zeitung „Chosun Sinbo“, die enge Beziehungen zu Nordkoreas Regierung pflegt. Und es sei auch schon klar, was das größte Sicherheitsproblem des künftigen US-Präsidenten oder der künftigen Präsidentin sein wird: Nordkoreas Atomwaffen.

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