Null-Covid-Politik ist Gift für die Wirtschaft China würgt die Wirtschaft ab

Chinas Exportwachstum ist auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren gefallen. Quelle: imago images

Chinas Führung hat die vergangenen zwei Jahre nicht genutzt, um ältere Menschen in ausreichendem Umfang zu impfen. Das Mittel der Wahl sind deshalb weiterhin harte Lockdowns, die auch die Konjunktur brutal abwürgen.

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Chinas Top-Führer wollen noch lange an der umstrittenen Null-Corona-Politik festhalten. Das macht das jüngste Statement des von Präsident Xi Jinping geleiteten Ständigen Ausschusses des Politbüros unmissverständlich klar. Die mächtige Führungsgruppe rief nach ihrem Treffen am vergangenen Freitag nicht nur dazu auf, noch größere Anstrengungen im Kampf gegen das Virus zu unternehmen, sondern forderte zugleich, jede Stimme, die die Corona-Politik der Regierung in Frage stellt, „entschlossen“ zu bekämpfen.

Für zig Millionen Menschen in China, die in Shanghai oder anderswo seit Wochen in Quarantäne sitzen und ihre Wohnungen nicht mehr verlassen dürfen, ist die strikte Politik der Regierung längst zu einem Albtraum geworden, den sie jeden Tag aufs neue durchleben müssen. Doch pures Gift sind die Maßnahmen auch für die Wirtschaft und das Geschäft ausländischer Unternehmen.

Die gerade vorgelegten Handelszahlen für April zeigen, wie dramatisch die Lage ist. Chinas Exportwachstum ist auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren gefallen. Die Exporte legten im April nur noch um 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu. Es ist das langsamste Wachstum seit Juni 2020 zu Beginn der Pandemie.

Experten sahen die Ursache für den Einbruch in den Restriktionen durch die drakonische Null-Covid-Politik, die nicht nur die Produktion, sondern auch den Frachtverkehr stark beeinträchtigt. Auffällig stark ist dabei der Handel mit Deutschland eingebrochen. Chinas Importe deutscher Waren fielen demnach um 9,8 Prozent. Aber auch chinesische Exporte nach Deutschland sackten ungewöhnlich stark um 9 Prozent ein.

„Wir sehen nun ein Ausfuhrvolumen vergleichbar mit den ersten Monaten zu Beginn von Covid im Jahr 2020“, sagt Jens Hildebrandt, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der deutschen Handelskammer in China (AHK). „Die Produktionsstopps und Einschränkungen bei vielen Unternehmen sowie die nach wie vor gestörten Lieferketten und erschwerten Transportbedingungen im Inland, insbesondere über den Shanghaier Hafen, bereiten den Unternehmen nun schon über Wochen hinweg große Probleme.“ Das offiziell angestrebte Wirtschaftswachstum für dieses Jahr in Höhe von 5,5 Prozent rücke damit „in weite Ferne“.

Auch der für deutsche Unternehmen wichtige Automarkt kollabiert derzeit in China. Der Absatz sei im April im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 35,7 Prozent gesunken, teilte der Branchenverband PCA (China Passenger Car Association) am Dienstag mit. Damit beschleunigte sich die Entwicklung im Vergleich zum bereits schwächeren März nochmals.

Die Stimmung europäischer Unternehmen in China ist so schlecht wie kaum zuvor. In einer neuen Umfrage der Europäischen Handelskammer in Peking gaben 75 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sich die strengen Eindämmungsmaßnahmen negativ auf ihren Betrieb auswirkten. Fast 60 Prozent der Firmen erklärten zudem, dass sie ihre Umsatzprognose in China für das laufende Jahr reduziert hätten.

Die Unternehmen beklagten vor allem Probleme im Bereich der Logistik, Lagerhaltung und Lieferketten. Auch sei es schwierig, Geschäftsreisen zu planen oder überhaupt noch persönliche Treffen durchzuführen. Auch auf Rohstoffe oder Komponenten könne man nicht immer leicht zugreifen. Zudem erweise sich die Auslieferung fertiger Produkte innerhalb Chinas als schwierig.

„Der chinesische Markt hat für viele Befragte eine beträchtliche Menge an Anziehungskraft verloren“, schreibt die Kammer. Für 78 Prozent der Firmen sei China durch die Corona-Maßnahmen zu einem weniger attraktiven Investitionsziel geworden.

Die Handelskammer forderte die chinesische Regierung dazu auf, Änderungen vorzunehmen, um das Vertrauen in den chinesischen Markt wiederherzustellen. Statt weiterhin an einer strikten Null-Corona-Politik festzuhalten, müsse mehr unternommen werden, um den älteren Teil der Bevölkerung zu impfen. Auch empfahl die Kammer den Behörden, mRNA-Impfstoffe zuzulassen, die in China noch nicht in großen Mengen verwendet werden.

Doch politische Beobachter halten es für wenig realistisch, dass Peking in naher Zukunft Änderungen vornehmen wird. Präsident Xi wird in China als Architekt der Null-Corona-Politik gefeiert. Ein Kurswechsel wäre ein Gesichtsverlust. Dabei ist klar, dass die derzeitigen Maßnahmen in eine Sackgasse führen.

So verweisen Gesundheitsexperten darauf, dass die Omikron-Variante zu ansteckend sei, als dass sie dauerhaft eliminiert werden könnte. China hat es jedoch versäumt, die vergangenen zwei Jahre zu nutzen, und vor allem die alten Menschen im Land von einer Impfung zu überzeugen. Auch weigerten sich die Behörden, wirksamere Impfstoffe aus dem Ausland zuzulassen. Würde China nun einfach öffnen, hätte dies wohl weit über eine Millionen Tote zur Folge. Den Preis für das Regierungsversagen müssen die Bürger mit harten Dauer-Lockdowns bezahlen.

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