Obama besucht Kuba „Willkommen zurück, Imperium“

Kuba wartet auf Obama wie auf einen Heilsbringer. Er soll die ersehnten Veränderung bringen. Internet, freie Jobwahl und eine würdige Bezahlung sind den Kubanern längst wichtiger als die Parolen von Sozialismus oder Tod.

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„Willkommen in Kuba“ steht auf einem Plakat im Zentrum von Havanna. Am Sonntag reist US-Präsident Obama für einen dreitägigen Staatsbesuch auf die Insel. Quelle: Reuters

Havanna Im Gran Teatro von Havanna steht Tannhäuser auf dem Programm. Premiere ist kommendes Wochenende. Vor der Kasse des großen, gerade frisch renovierten Theaters der kubanischen Hauptstadt stehen ein paar Opernliebhaber für Karten an. Manchmal fragt auch jemand nach Billets für eine andere Veranstaltung – in gewisser Weise auch eine Premiere: kommenden Dienstag, 22. März, 10.10 Uhr. „Bemerkungen an das kubanische Volk“, so der Titel. Der Vortragende ist ein eher selten gesehener Gast auf der kommunistischen Karibikinsel: US-Präsident Barack Obama. Karten gibt es für seinen Vortrag übrigens nicht zu kaufen.

Vor dem Theater stehen Joel, 30 und seine Freundin Beatriz, 21. „Wenn ich dabei sein könnte, hätte ich ein paar Wünsche an Obama“, sagt Joel: „Dass er das Embargo aufhebt, wäre das Wichtigste“, ergänzt er. „Dass er für politische Veränderungen sorgt…“ – dann hält der junge Mann einen Moment inne und fügt hinzu: „…bei sich und bei uns“.

Joel, schwere Goldkette, Ray-Ban-Sonnenbrille und Muskelpakete unter dem knappen T-Shirt, arbeitet in einem Fitness-Studio ganz in der Nähe des Gran Teatro. Seine Kunden sind Touristen, Kuba-Liebhaber, Hängengebliebene und Ausländer, die in Havanna arbeiten. Sie alle haben eines, was Joel nicht hat: Devisen. CUC – konvertible Peso, die Währung also, die den Menschen in Kuba Zugang zu den Dingen eröffnet, die es weder auf dem Bezugsheft noch in den staatlichen Geschäften gibt, wo man mit CUP zahlen kann, den kubanischen Peso.

In der nationalen Währung werden die mehr als drei Millionen Staatsdiener bezahlt. Tauschwert 24 CUP für einen CUC. Ein Chirurg verdient umgerechnet 53 Euro im Monat. Joel verdient „ein Vielfaches“ davon. Mehr will er nicht sagen. Seine Kunden zahlen ihn in Devisen, also geht es ihm gut, besser als jedem hochqualifizierten Arzt oder Forscher.

Die doppelten Währungen sind nur eine der Besonderheiten dieses Tropensozialismus. Aber sie gehen den Kubanern besonders auf den Geist, vor allem weil sie darin eine Diskriminierung sehen. Ausländer haben Devisen und können fast alles dafür kaufen auf der Insel. Ein Kubaner ohne Verwandtschaft in Miami, ohne Kontakt zu Touristen, der in einem Staatsbetrieb arbeitet, weiß nicht, wie er sich und seine Familie satt bekommen soll.

Wenn man in diesen Tagen nach dem Besuch von Obama fragt, hört man in Havanna immer wieder einen Satz: Er soll Veränderung bringen – „para bien“ – zum Guten. „Zum Schlechten geht ja auch nicht mehr“, sagt ein Teenager, der seinen Namen nicht nennen will. Der schlanke Junge sieht aus wie eine lebende US-Flagge: ein Stars- und Stripes-T-Shirt, eine Leggings mit demselben Motiv. „Je mehr USA wir haben, desto besser“, sagt er – und lacht: „Willkommen dem Imperium“.

Die Anspielung geht auf einen Spruch von Fidel Castro, Revolutionsführer im Ruhestand, zurück: Er hatte die USA wiederholt als „mächtigstes und reichstes Imperiums in der Geschichte der Menschheit“ bezeichnet. Was für Fidel verachtenswert war, ist für den jungen Mann ein Lebenstraum: Internet, freie Jobwahl und eine würdige Bezahlung sind Millionen jungen Kubanern mehr wert als die Parolen von „Sozialismus oder Tod“.


Die Zeit der gegenseitigen Feindschaft ist vorbei

Seit Raúl Castro vor bald zehn Jahren die Macht von seinem kranken Bruder Fidel übernommen hat, hat sich Kuba schneller verändert als das je jemand für möglich  gehalten hätte: Reisefreiheit, wirtschaftliche Selbständigkeit, Internetcafés, ideologische Abrüstung, mehr Freiheiten für die Bevölkerung. Kuba 2006 und Kuba 2016 scheinen zwei verschiedene Länder – vielen Menschen auf der Insel geht der Wechsel dennoch nicht schnell genug.

Das Meisterstück der Raulschen Reformen ist dabei die Annäherung an die USA, die vor 15 Monaten mit der überraschenden Verkündung am 17. Dezember 2014 begann. Kaum ein Kubaner, der dieses Datum nicht im Schlaf aufsagen könnte. Die Diplomatie hat die Demagogie besiegt, Botschaften sind eröffnet, US-Touristen kommen trotz Verbots zu Tausenden, erste vorsichtige Investitionen werden aus den Vereinigten Staaten getätigt. Der Besuch Obamas ist jetzt der vorläufige Höhepunkt der Entspannungspolitik.

Obamas Besuch sei ohne Zweifel historisch, sagt Michael Shifter, Lateinamerika-Experte beim Thinktank „Interamerican Dialogue“ in Washington: Die Reise sende die Botschaft aus, „dass die Zeiten gegenseitiger Feindschaft vorbei sind“.

Für den Fitnesstrainer Joel und seine Freundin sind das gute Nachrichten: „Ich will das Beste von beiden Systemen“, sagt er. „Wir haben freie und gute Gesundheitsversorgung und auch eine gute Ausbildung. Aber ich bin Anhänger der Konsumgesellschaft.“ – sagt es und prustet los.

Zuletzt hatte übrigens vor 88 Jahren ein Präsident einen Fuß auf kubanischen Boden gesetzt. Calvin Coolidge lief 1928 an Bord der „USS Texas“, einem Erste-Welt-Kriegsschiff, in Havanna ein. Coolidge sprach damals vor der Pan-Amerikanischen-Konferenz auch im Gran Teatro. Aber seine Rede war sicher nicht so spannend wie die von US-Präsident Obama am Dienstag. 

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