
Großbritanniens Premier David Cameron und US-Präsident Barack Obama werben eindringlich für einen Verbleib der Briten in der Europäischen Union. Eine Mitgliedschaft in der EU unterstreiche und bekräftige die Stärken Großbritanniens, sagte Cameron am Freitag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Obama.
Obama sagte, zwar sei dies eine Entscheidung der britischen Wähler. Die USA seien aber überzeugt davon, dass eine Mitgliedschaft in der EU für Großbritannien ausschließlich Vorteile habe. Dies gelte sowohl wirtschaftlich als auch in Sicherheitsfragen. Schon im Vorfeld hatte Obama in einem Beitrag für die Zeitung "Daily Telegraph" geschrieben, die Welt sei freier, wohlhabender und könne besser auf Bedrohungen wie die russische Aggression und den Terrorismus reagieren, weil Großbritannien Teil der EU sei. Die Briten stimmen am 23. Juni über den Brexit ab.
Das Pfund steigt
Die steigende Aussicht auf ein Verbleib Großbritanniens in der EU hat Devisenanleger am Freitag zu Pfund-Käufen veranlasst. Die britische Währung legte um 0,9 Prozent auf ein Dreieinhalb-Wochen-Hoch von 1,4450 Dollar zu. Einer neuen Umfrage des Meinungsforschers Betfair zufolge würden nur noch 32 Prozent der Befragten für einen Ausstieg aus der Europäischen Union (Brexit) stimmen. Anfang der Woche waren laut Betfair noch 37 Prozent dafür.
„Großbritannien ist immer am besten, wenn es dabei hilft, ein starkes Europa zu führen“, sagte Obama. „Die Verbindung der USA mit Großbritannien macht die Welt sicherer“, sagte Obama.
Vor dem Hintergrund der laufenden Verhandlungen um das Handelsabkommen TTIP sagte Obama sehr unverblümt, wenn Großbritannien aus der EU ausscheide, werde es auf Sicht kein solches bilaterales Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien geben. Das Land müsse sich dann am Ende der Schlange anstellen.
Die EU steht nach Ansicht von Obama angesichts der Euro- und der Flüchtlings vor großen Herausforderungen. Zwar wolle er nicht von einer Krise der EU sprechen, doch die Gemeinschaft stehe „unter Druck“, sagte Obama am Freitag nach einem Treffen mit Premierminister David Cameron in London. Er sei aber davon überzeugt, dass die EU die Probleme meistere. Die Kräfte, die Europa zusammenhalten, seien stärker als die trennenden Kräfte.
Weitere Themen des Gesprächs zwischen Obama und Cameron sollen die Krisenherde in Libyen und Syrien sowie der Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gewesen sein.
Die schwierige Beziehung der Briten zu Europa
Die Beziehungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union waren nie einfach. Der konservative britische Premierminister David Cameron will bei einer Wiederwahl 2017 ein Referendum über den Verbleib in der EU ansetzen - und vorher das Verhältnis des Königreichs zu Brüssel neu verhandeln. Geprägt von tiefem Misstrauen gegenüber Europa setzte Großbritannien in der Vergangenheit wiederholt Sonderregeln durch - und steht traditionell mit einem Fuß außerhalb der EU.
Da Großbritannien zwar viel in den EU-Haushalt einzahlte, aber kaum von den milliardenschweren Agrarhilfen profitierte, forderte die britische Premierministerin Margaret Thatcher 1979: „I want my money back!“ („Ich will mein Geld zurück!“) Die „Eiserne Lady“ setzte dann 1984 eine Rabatt-Regelung für ihr Land durch, nach der Großbritannien 66 Prozent seines Nettobeitrags an die EU zurückerhält. Der Rabatt besteht bis heute, obwohl er immer wieder den Unmut anderer EU-Länder erregt, da sie nun den britischen Anteil mittragen müssen. Doch abgeschafft werden kann die Regel nur, wenn London zustimmt.
Wer von Deutschland nach Frankreich, Österreich oder in die Niederlande reist, muss dafür seinen Pass nicht vorzeigen. Großbritannien-Urlauber sollten den Pass jedoch dabei haben: Die Briten haben sich nicht dem Schengen-Abkommen angeschlossen, das den EU-Bürgern Reisefreiheit von Italien bis Norwegen und von Portugal bis Polen garantiert.
Seit der EU-Vertrag von Lissabon im Jahr 2009 in Kraft getreten ist, kann Großbritannien wählen, an welchen Gesetzen im Bereich Inneres und Justiz es sich beteiligt. Zudem erwirkte die britische Regierung den Ausstieg aus 130 Gesetzen aus der Zeit vor dem Lissabon-Vertrag. Im Dezember 2014 stieg London dann bei rund 30 Regelungen wieder ein, darunter beim Europäischen Haftbefehl. Diese „Rosinenpickerei“ nervt im Rest der EU viele.
In der Verteidigungspolitik setzt Großbritannien auf die Nato. Als EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im März für den Aufbau einer europäischen Armee warb, kam das „No“ aus London postwendend. „Verteidigung ist eine nationale, keine EU-Angelegenheit“, sagte ein Regierungssprecher. Obgleich Großbritannien Ende der 1990er Jahre den Widerstand gegen die Gründung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) aufgab, wacht es darüber, dass die Europäer hier nicht zu weit gehen. So hat London verhindert, dass es ein Militärhauptquartier in Brüssel gibt. EU-Einsätze wie etwa in Mali werden deshalb dezentral aus den Mitgliedstaaten geleitet.
Auch in der Euro-Krise ist die an ihrer Pfund-Währung festhaltende britische Insel ein gutes Stück weiter von der Kern-EU weggedriftet. Mit Sorge wurden in London die mühseligen Arbeiten zur Euro-Rettung beobachtet, zudem fürchtete die britische Regierung Folgen für den Finanzstandort London durch strengere Banken-Regulierung oder eine Finanztransaktionssteuer. Für Empörung in der EU sorgte, dass sich Großbritannien dem Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin nicht anschloss.
Juwel für die Welt
Zum Mittag hatte der US-Präsident mitsamt seiner Familie Queen Elisabeth II. besucht. Anlässlich ihres gestrigen 90. Geburtstages schenkte er ihr Fotoalbum. Nach Angaben des Weißen Hauses enthält es eine Chronik aller USA-Besuche der Monarchin. Der erste Besuch war 1951, damals traf sie - noch als Prinzessin Elizabeth - Präsident Harry S. Truman. Seither begegnete sie beinahe allen US-Präsidenten. Der erste USA-Besuch als Königin datiert auf das Jahr 1957, als Elizabeth II. den Präsidenten Dwight D. Eisenhower traf. „Sie ist einer meiner liebsten Menschen. Sie ist eine erstaunliche Person und ein wahres Juwel für die Welt“, sagte Obama über die Queen.
Obama bleibt bis Sonntag in London und fliegt dann nach Hannover, wo er Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen wird.