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Ökonom Hernando de Soto Gigantische Werte durch bessere Eigentumsrechte

Statt mit Entwicklungshilfe und Weltbankkrediten sollte die Armut in der Welt durch bessere Eigentumsrechte bekämpft werden, fordert der peruanische Ökonom Hernando de Soto.

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Hernando de Soto, Politikberater Quelle: Pressefoto

Bis vor ein paar Jahren tobte in Peru ein brutaler Bürgerkrieg. Von 1980 bis 2000 kamen bei Kämpfen zwischen den maoistischen Guerilleros des „Leuchtenden Pfads“ – auf Spanisch „Sendero Luminoso“ – und den Militärs rund 70.000 Menschen ums Leben. Der Sendero dominierte damals große Teile des Landes. Heute ist von der Gruppe nicht mehr viel übrig, ihr Führer lebt seit 15 Jahren hinter Gittern.

Den entscheidenden Schlag versetzte der mächtigen Guerilla aber nicht etwa das Militär, sondern ein Ökonom. Der Peruaner Hernando de Soto war damals wirtschaftspolitischer Berater des neu gewählten Präsidenten Alberto Fujimori. Ihm riet er, die Coca-Bauern zu entkriminalisieren. Die armen Bauern, unter denen der Sendero seine Soldaten rekrutierte, erhielten die Besitzrechte an ihrem Land. „Wir konnten sie davon überzeugen, dass sie keine Proletarier sind, sondern Unternehmer“, erklärt de Soto seine Strategie. Die Guerilla verlor den Rückhalt unter der Bevölkerung in den ländlichen Regionen, der Niedergang der gefürchteten Terrororganisation war eingeleitet. De Soto hat dabei selbst Kopf und Kragen riskiert: Auf ihn und sein „Institut für Freiheit und Demokratie“ (ILD) in Perus Hauptstadt Lima wurden in den Terrorjahren mehr Bombenanschläge verübt als auf jede andere Institution des Landes.

Seinen Kampf gegen den Terror hat de Soto in seinem Werk „Der andere Pfad“ beschrieben – damit ist er bekannt geworden. In dem Bestseller „Freiheit für das Kapital!“ hat er seine These weiterentwickelt. Verkürzt lautet sie: Das Elend der vier Milliarden armen Menschen auf der Welt kann nicht mit Entwicklungshilfe, Sozialprogrammen oder Weltbankkrediten gelöst werden. Der Schlüssel zur Armutsbekämpfung sind Eigentumsrechte. Wenn die Regierung den Menschen im informellen Sektor gesicherte, handelbare und beleihbare Eigentumstitel für das Land und die Grundstücke beschafft, auf denen sie leben und wirtschaften, dann ist der erste Schritt getan, dass sie ihre Probleme selbst lösen können. De Soto: „Nur dann kann aus dem Dach über dem Kopf eine Adresse werden, wo ein Steuerzahler wohnt, der in der Bank Kredit bekommt auf eine Hypothek, der Strom und Telefon bezahlt, eine Werkstatt aufmacht – ohne dass korrupte Beamten geschmiert werden müssen oder Gangs den Schutz garantieren.“

Bisher machen es komplizierte Genehmigungsverfahren und Korruption vielfach praktisch unmöglich, ein legales Gewerbe zu eröffnen. De Soto, anders als viele Ökonomen weit davon entfernt, im Elfenbeinturm zu sitzen und sterile mathematische Modelle zu basteln, hat es selbst ausprobiert: Mit seinen Mitarbeitern eröffnete er zum Beispiel in Lima eine kleine Schneiderei.

Es dauerte 289 Tage und kostete 1231 Dollar – 31-mal so viel wie der damalige monatliche Mindestlohn in Peru. Ein offizielles Genehmigungsverfahren zum Bau eines Hauses nahm fast sieben Jahre in Anspruch und erforderte 207 Behördengänge in 52 Regierungsstellen. Deshalb leben auch so viele Menschen auf Grundstücken ohne Rechtstitel und in illegal gebauten Häusern. Doch die Werte, die da schlummern, sind gigantisch . „Die Armen weltweit sind nicht arm“, sagt de Soto, „sie müssen nur die Chance haben, ihren Besitz zu wirtschaftlichem Leben erwecken zu können.“

Heute ist der 66-Jährige, der in der Schweiz aufwuchs und in Europa eine steile Unternehmenskarriere begonnen hatte, bevor er knapp 40-jährig nach Peru zurückkehrte, mit seinem Think-Tank ILD ein gefragter Polit-Berater. „Ideen auszubrüten, ist eine Sache“, sagt er, „sie umzusetzen, ist der entscheidende Schritt.“

Inzwischen haben sich 25 Staatschefs in Entwicklungs- und Schwellenländern von ihm beraten lassen – weil er Lösungen anbietet für deren dringendste Probleme wie Kriminalität, wuchernde Slums, Schattenwirtschaft, Landflucht, Korruption und Bürokratie. Er inspirierte auch die Weltbank zu ihrer jährlichen „Doing-Business“-Liste, die zeigt, wie unternehmerfreundlich oder -feindlich Staaten weltweit sind.

Ein Beleg für seine Theorie, wie Armut am schnellsten mit marktwirtschaftlichen Mitteln beseitigt werden kann, ist China: „Dort wurden schrittweise Eigentumsrechte und Marktmechanismen eingeführt – und es funktioniert. Armut wird in einer Geschwindigkeit reduziert, die in der Geschichte einzigartig ist.“ Auch Wladimir Putin hat de Soto beraten.

Seine Empfehlung an den Russen: Genau zu analysieren, warum sich die Menschen im informellen Sektor der Mafia anvertrauen – und das Angebot dann zu unterbieten. Denn auch die vielen Drohungen der Mafia würden nicht ausreichen, dass sich Millionen von Menschen auf sie einlassen. „Ihnen bleibt nichts anders übrig, weil die bestehenden Regeln sie aus dem System ausschließen“, sagt de Soto. „Die wenigsten Menschen leben freiwillig in der Illegalität.“

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