Ökonomen frustriert von Trump Wenig Klarheit, viele Floskeln

Politische Experten und Ökonomen hat der Amtsantritt von Donald Trump nicht in Feierlaune gebracht. Sie sehen eher die Risiken und sind skeptisch, dass er seine Versprechen einhalten kann.

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Er ist an der Macht. US-Präsident Donald Trump (Mitte) unterzeichnet am 20. Januar im Präsidentenraum des Senats im Capitol die ersten Anordnungen und setzt sein Kabinett ein. Von links nach rechts: Vize-Präsident Mike Pence, First Lady Melania Trump, sein Sohn Barron Trump und der Sprecher des Hauses, Paul Ryan. Als erste Amtshandlung unterzeichnete er Anordnungen, um die verpflichtende Krankenversicherung in den USA aufzuheben. Quelle: AFP

Ian Bremmer hat ein klares Urteil über die Antrittsrede von US-Präsident Donald Trump. „Es hat niemals so eine nationalistische Rede eines US-Präsidenten in der Nachkriegszeit gegeben“, tweetete der bekannte amerikanische Politologe. Und: „So lange niemand außerhalb der USA zuhört, ist ja alles in Ordnung.“

US-Medien schreiben, dass Trump eine verspätete Wahlkampfrede gehalten hat. Bis auf ein paar Floskeln versuchte er kaum, die Hand zu seinen Gegnern auszustrecken. Hillary Clinton erwähnte er gar nicht erst. „Antrittsreden zeigen oft eine scharfe Wendung im Ton vom Wahlkampf zum Regieren, vom Anstacheln der Anhänger zum Werben um die Skeptiker“, schreibt etwa „Politico“. „Trump lieferte statt dessen eine Wahlkampfrede: eine populistisch-nationalistische Mischung von Klagen und dem Versprechen, die bisherige politische Praxis mit Stumpf und Stiel auszurotten.“

Schon im Vorfeld der Rede versuchten Experten auszumalen, was vom neuen Präsidenten zu erwarten ist. Libby Cantrill, politische Analystin bei der Fondsgesellschaft Pimco, ging dabei vier Punkte durch. Zu Obamacare, der von Trumps Vorgänger Barack Obama geschaffenen Krankenversicherung, schreibt sie, Trump und die Republikaner im Parlament seien sich einig, sie abzuschaffen. „Allerdings gibt weniger Übereinstimmung bei der Frage, was danach kommen soll“, setzt Cantrill hinzu. Sie glaubt, dass das Thema einen guten Teil des laufenden Jahres in Anspruch nehmen wird. Sie ist sich nicht sicher, ob Trump sein Versprechen einhalten wird, dass künftig jedermann eine Versicherung bekommen kann.

Die Diskussion über eine Steuerreform kann sich ihrer Meinung nach bis 2018 hinziehen. Vor allem dann, wenn es eine wirkliche Reform wird mit einer Vereinfachung und einer Verbreiterung der Basis, und nicht nur eine Senkung der Steuersätze. Beim Ausbau der Infrastruktur glaubt sie, dass Trump möglicherweise Stimmen der Demokraten braucht, wenn die Republikaner sich höheren Ausgaben verweigern. In der Handelspolitik, schreibt sie, hat der Präsident mehr Unabhängigkeit vom Parlament als bei den anderen Themen. Dabei ist aus ihrer Sicht offen, ob er sich auf Verhandlungen mit Ländern wie China einlässt oder einseitig Protektionismus betreibt.

Joyce Chang, Chefin des weltweiten Research bei JP Morgan, stellte unmittelbar vor Trumps Amtsantritt fest: „Die Märkte konsolidieren.“ Die Euphorie war bereits verflogen. Chang zögert trotz guter wirtschaftlicher Daten, die Wachstumsprognose für 2017 anzuheben, „weil die politische Agenda sehr ehrgeizig ist und der Erfolg ungewiss“.

Sie sieht „Risiken“ wegen politischer Unsicherheit in China und Europa und schreibt: „Trumps andauernd aggressive Haltung gegenüber multinationalen US-Konzernen und ausländischen Handelspartnern unterstreicht die Risiken steigender Spannungen.“ Bruce Kasman, Chefökonom von JP Morgan, schreibt zusammen mit seinem Kollegen Michael Feroli: „Wir bleiben skeptisch, ob Trumps Finanzpolitik das Wachstum spürbar erhöhen kann.“

Immerhin: Der Aktienmarkt legte leicht zu am Freitag. Nach Aussage der Nachrichtenagentur Reuters ist das zum ersten Mal seit 50 Jahren beim Amtsantritt eines US-Präsidenten passiert.

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