Unter dem Druck des Ölpreisverfalls haben sich die Opec-Staaten zum ersten Mal seit acht Jahren auf eine Drosselung ihrer Fördermengen geeinigt. Der iranische Ölminister Bidschan Sanganeh sagte, die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) habe sich am Mittwoch nach zweieinhalbjährigen Verhandlungen auf Maßnahmen zur Marktstabilisierung verständigt. Die Wende geht offenbar auf eine Annäherung des Iran und seines Erzrivalen Saudi-Arabien zurück. Die Opec kürzt die Produktion zwar nur mäßig, doch für die Märkte kam die Einigung überraschend. Die Ölpreise schossen in die Höhe.
"Die Opec hat heute eine außergewöhnliche Entscheidung getroffen", sagte der iranische Minister. Er war bei früheren Treffen immer wieder mit Vertretern Saudi-Arabiens aneinandergeraten - ein Symbol für die Spannungen zwischen den beiden Ländern, die eine Einigung bisher erschwert hatten. Bei ihrer informellen Begegnung am Mittwoch in Algier kamen die Opec-Länder mehreren Ministern zufolge aber nun überein, ihre Produktion auf 32,5 bis 33,0 von bisher 33,24 Millionen Barrel pro Tag zu senken. Damit werden faktisch die Höchstgrenzen wieder eingeführt, die die Opec vor einem Jahr aufgehoben hatte.
Obwohl die Ölpreise bereits seit Monaten am Boden liegen, konnte sich die Opec - anders als in früheren Zeiten - lange nicht auf eine Verknappung des Rohstoffs einigen. Hintergrund war unter anderem die Strategie, dass neue Konkurrenten - wie die Schiefergas-Industrie in den USA - mit den niedrigen Preisen wieder aus dem Markt gedrängt werden sollten. Die traditionellen Förderländer setzten auf einen längeren Atem. Doch zuletzt schlug der Ölpreisverfall auch im reichen Saudi-Arabien auf die Wirtschaft durch.
Was Sie über den Ölpreis wissen müssen
Da Öl ursprünglich in Fässern abgefüllt wurde - Barrel im Englischen -, wird diese Maßeinheit in der Branche bis heute verwendet. Ein Barrel sind 159 Liter.
Die steile Talfahrt begann Mitte 2014, bis Anfang 2016 hatte sich der Preis mehr als gedrittelt. Seitdem hat sich der preis wieder erholt, bleibt aber weiter weit hinter früheren Niveaus zurück. Hintergrund ist ein knallharter Wettbewerb zwischen den klassischen Ölförderern wie Saudi-Arabien und neuen Konkurrenten, die Rohöl mit der aufwendigen Fracking-Methode aus Schiefergestein lösen, allen voran in den USA.
Rohöl ist nicht gleich Rohöl. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Sorten – je nach Region. Alleine der Finanzinformationsdienst Bloomberg listet mehr als 100 Stück auf, wovon allerdings nur wenige große Bedeutung haben. Als Richtwert am Finanzmarkt gilt das US-Rohöl West Texas Intermediate (WTI). Eine weitere wichtige Sorte ist das Nordsee-Öl Brent.
Bei den Ölsorten gibt es gravierende Unterschiede bei der Qualität, was auch zu merklichen Preisunterschieden führt. So kann etwa die Sorte North Dakota Sour in der Raffinerie nur schwer verarbeitet werden, weil sie stark schwefelhaltig ist. Das schlägt sich auch im Preis nieder.
Für US-Öl und Brent-Öl werden die Preise über das Spiel von Angebot und Nachfrage gebildet. Aber auch diese Sorten können eine Vielzahl von unterschiedlichen Preisen haben, was daran liegt, dass sie in sogenannten Future-Kontrakten gehandelt werden. Der Käufer erwirbt dabei Rohöl mit unterschiedlichen Lieferdaten. Der am meisten gehandelte und damit für die Anleger wichtigste Future-Kontrakt läuft über einen Monat.
Auch die Ölsorten des Ölkartells Opec (Organisation erdölexportierender Länder) sind für die Weltwirtschaft von hoher Bedeutung. Von der Opec-Zentrale in Wien wird einmal täglich der sogenannte Opec-Korbpreis ermittelt. Hierfür melden alle Mitgliedstaaten des Ölkartells ihre jeweiligen Ölpreise, dann wird der sogenannte Korbpreis aller 13 Opec-Sorten errechnet. Dieser Durchschnittspreis wird allerdings immer mit einem Tag Verzögerung veröffentlicht und spiegelt daher nicht die neueste Entwicklung wider.
Experten sprechen von Durchbruch - aber es gibt Zweifel
Die Regierung in Riad hatte sich bisher zudem gegen Ausnahmen für den Iran gesperrt, mit denen das Land sein Ölgeschäft nach Aufhebung der Atom-Sanktionen wieder in Gang bringen will. Schließlich signalisierte der führende Opec-Staat Saudi-Arabien aber doch, dem Iran die Produktion "sinnvoller Höchstmengen" zuzugestehen. Saudi-Arabien und der Iran ringen als Regionalmächte politisch um die Vorherrschaft am Golf.
Experten werteten die Einigung als Durchbruch, äußerten aber auch Bedenken mit Blick auf die Umsetzung. Das Kartell habe mit der Übereinkunft bewiesen, dass es auch im Zeitalter von Schiefergas noch Bedeutung habe, sagte Analyst Phil Flynn vom Handelshaus Price Futures Group. "Das ist das Ende des 'Förderkriegs' und die Opec erklärt sich zum Sieger."
Opec überrascht US-Anleger
Jeff Quigley von der Beraterfirma Stratas Advisors mahnte dagegen zu Vorsicht. Er wolle erst von den Iranern selbst hören, dass sie tatsächlich auf eine Rückkehr zum Förderniveau aus Zeiten vor den Sanktionen verzichten könnten. Und Saudi-Arabien habe mit dem Deal eine klare Kehrtwende vollzogen. Insgesamt sei noch nicht klar, welches Land künftig wie viel produzieren werde.
Diese genauen Fördermengen sollen beim nächsten offiziellen Opec-Treffen im November bestimmt werden, sagten die Minister. Dann werden auch Nicht-Opec-Staaten wie Russland aufgefordert, ihre Produktion ebenfalls zu drosseln.
Saudi-Arabien ist mit einer Förderung von mehr als 10,7 Millionen Barrel pro Tag mit Abstand der größte Produzent in dem Kartell und liegt damit etwa auf dem Niveau der Nicht-Opec-Staaten Russland und USA. Alle drei stehen zusammen etwa hinter einem Drittel der weltweiten Ölproduktion.
Der Preis für US-Rohöl stieg um gut fünf Prozent auf mehr als 47 Dollar je Barrel. Die Nordseesorte Brent verteuerte sich um sechs Prozent und kostete knapp 49,00 Dollar.
Der Höhenflug der Ölpreise zog an den US-Aktienmärkten Energietitel mit nach oben, so dass die Wall Street nach dem Bericht über eine Opec-Einigung ins Plus drehte.