Österreich Eine schrecklich nette Koalition

In Österreich haben Konservative und Rechtspopulisten ein Regierungsbündnis vereinbart. Der Rechtsrutscht in der Alpenrepublik sorgt für Proteste – auch weil die FPÖ bald bei allen drei Geheimdiensten das Sagen hat.

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FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache (l) und ÖVP-Chef Sebastian Kurz haben Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Samstag über den Stand der Dinge informiert. Quelle: dpa

Wien Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache präsentieren sich als schrecklich nette Familie. Der Chef der konservativen ÖVP und der Vorsitzende der FPÖ haben sich am Freitagabend auf eine Regierungszusammenarbeit geeinigt. Im noblen Adelspalais im Herzen Wiens verkündet as Tandem genau zwei Monate nach den Parlamentswahlen in Österreich den Pakt: „Die Wähler haben eine Richtungsentscheidung getroffen“, sagte der 31-jährige Kurz.

Gegenseitig überschütteten sich die beiden Parteichefs mit Komplimenten. Da war von Wertschätzung, Menschlichkeit, Bodenständigkeit und Respekt die Rede. Herzlichkeit, Lockerheit und Harmonie – das war die Botschaft nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen. „Es war uns wichtig, einen neuen politischen Stil im Umgang miteinander in Österreich zu etablieren. Ich glaube, das ist uns während dieser Verhandlungen gelungen“, sagte der designierte Kanzler Kurz. Fragen von Journalisten waren bei der Inszenierung nicht zugelassen.

Es ist das zweite Mal in der Geschichte Österreichs, dass ein Bündnis von ÖVP und FPÖ regieren wird. Bereits unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel regierten die Rechtspopulisten unter ihrem damaligen Führer Jörg Haider im Jahr 2000 die Alpenrepublik mit. Das schwarz-blaue Bündnis hatte damals allerdings die Rechtspopulisten gespalten. 2005 spaltete sich die neue Haider-Partei BZÖ von der FPÖ ab. Die FPÖ ging damals in die Opposition.

Beim zweiten Anlauf läuft hingegen alles wie am Schnürchen. Bereits am frühen Samstagmorgen machten Kurz und Strache ihren Besuch beim Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen. Der ehemalige Grünen-Chef, der sich 2016 nur knapp gegen den rechtspopulistischen FPÖ-Politiker Norbert Hofer durchgesetzt hat, ist kein Freund einer rechten Regierung. Doch verhindern kann das österreichische Staatsoberhaupt die neue Koalition nicht. Van der Bellen kann formal nur noch einzelne Minister ablehnen.

Am Samstagnachmittag soll der neue Koalitionsvertrag durch die Parteienvorstände abgesegnet werden. Das gilt als reine Formsache. Danach ist dann der Weg für die Vereidigung der neuen Regierung am Montag frei. Am Samstagnachmittag wollen Kurz und Strache den Regierungspakt der neuen türkis-blauen Koalition auf dem Wiener Kahlenberg vorstellen. Der Ort ist symbolisch zu verstehen. Denn 1683 wurden dort die Türken bei der Belagerung Wiens vernichtend geschlagen. Die neuen Koalitionäre haben in der Vergangenheit keinen Hehl daraus gemacht, dass sie eine EU-Mitgliedschaft der Türkei ablehnen.

Zum Start der neuen Regierung sind bereits Demonstrationen in der österreichischen Hauptstadt geplant. Linke und Antifaschisten wollen auf dem Heldenplatz vor der Hofburg, dem Platz an dem einst Adolf Hitler den „Anschluss“ seiner Heimat an Nazi-Deutschland verkündete, protestieren. Auch die Jugendorganisation der SPÖ plant eine Aktion. Der abgelöste Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern ließ bereits sein Verständnis für die Unmutsbekundungen deutlich werden. „Man kann die verstehen“, sagte der frühere Bahn-Chef, der die Wahlen Mitte Oktober klar verloren hatte.

Bei der ersten Vereidigung einer konservativ-rechtspopulistischen Regierung im Jahr 2000 kam es bereits zu massiven Protesten. Damals flogen Eier und Farbbeutel im Wiener Regierungsviertel. Die neue Rechtsregierung unter Schüssel gelangte damals über einen Tunnel in das Bundespräsidialamt zur Vereidigung der neuen Regierung. Eine solche Schmach vor den Demonstranten soll diesmal vermieden werden. Nach den bisherigen Planungen soll das Gelände um das Bundeskanzler und Bundespräsidialamt weiträumig abgesperrt werden. Erst vor kurzem ist der zentrale Platz mit Stahlböllern gegen einen möglichen Terroranschlag ausgestattet worden.

Die endgültige Ministerliste liegt noch nicht vor. Als Vizekanzler wird FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache fungieren; als Innenminister ist der FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl vorgesehen. Auch das Verteidigungsministerium gelangt in die Hände der Rechtspopulisten. Damit kommen alle drei Geheimdienste in die Hände der ehemaligen Haider-Partei. Das wird in Österreich bereits kontrovers diskutiert. Strache hat bereits deutlich gemacht, dass die illegale Einwanderung ein zentraler Punkt seines politischen Schaffens an der Spitze der Alpenrepublik sein wird. Der frühere Haider-Vertraute Josef Moser, der Kurz im Wahlkampf in der Finanzpolitik unterstützt hatte, soll neuer Justizminister werden.

Kurz wird als Bundeskanzler mit einer größeren Machtfülle als sein Vorgänger Kern ausgestattet sein. Von seinem bisherigen Amt als Außenminister nimmt er die Europapolitik mit in das Kanzleramt. Gernot Blümel, ein enger Vertrauter von Kurz, soll der neue Kanzleramtsminister werden. Außerdem hat sich Kurz in seiner eigenen Partei gegen die traditionell starken Regionalfürsten in den Bundesländern durchgesetzt. Aus der ÖVP hat er einen Kanzlerwahlverein gemacht, wie manche Konservative kritisieren. Selbst die Parteifarbe der Konservativen hat er gewechselt. Aus den Schwarzen machte er nach über einem halben Jahrhundert die Türkisen – nicht nur ein optischer Wechsel.

Eine schwache Rolle als neue Außenministerin wird hingegen die parteilose Politikwissenschaftlerin Karin Kneissl spielen, denn sie darf sich nur um die Belange Österreichs außerhalb der EU kümmern. Die in der Nähe von Wien lebende Nahost-Spezialistin erhält den Ministerposten auf dem Ticket der ÖVP.

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