Olympischen Winterspiele in Peking „Zu viele Partner und Sponsoren stehen dem IOC solide Gewehr bei Fuß“

Quelle: dpa

Zum Start der Olympischen Winterspiele fragen sich viele: Sollte man das Event im autokratischen China noch schauen – oder besser boykottieren? Der Sportökonom Sebastian Uhrich erklärt, warum viele Sportfans von der Debatte unbeeindruckt bleiben.

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Die Diskussionen um die Olympischen Winterspiele in Peking reißen nicht ab. Sportfans schalten trotzdem ein. Warum verfängt die Kritik nicht? Sebastian Uhrich kennt mögliche Antworten. Er ist der Leiter der Abteilung Sportbetriebswirtschaftslehre am Institut für Sportökonomie und Sportmanagement der Sporthochschule Köln.

WirtschaftsWoche: Hat die Diskussion um den Austragungsort der Olympischen Spiele im autokratischen China einen Effekt auf die Sponsoren, die sich mit der Sportveranstaltung schmücken wollen, Herr Uhrich?
Sebastian Uhrich: Was sich aktuell an den Olympischen Spielen in Peking zeigt, beobachten wir seit mindestens zehn bis zwölf Jahren. Ich kann mich an kein sportliches Großereignis in dieser Zeit erinnern, bei dem es keine massiven Negativ-Schlagzeilen gegeben hat. Getötete Straßenhunde bei der EM 2012 in der Ukraine. Korruption, unfertige Stadien und soziale Ungleichheit bei den Olympischen Spielen in Rio 2016. Menschenrechtsverletzungen bei der WM in Russland 2018. Jetzt Katar und Peking. Man fragt sich da zwangsläufig, ob die Marketingpartner noch das erreichen, was sie erreichen wollen und ob ein positiver Image-Transfers überhaupt noch möglich ist. 

Und die Antwort?
Die verwundert auf den ersten Blick. Wir sehen, dass Sponsoren solcher Veranstaltungen langfristige Ziele haben und deshalb die Partnerschaft mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) über Jahrzehnte pflegen. Die Entscheidung, sich wegen negativer Schlagzeilen zurückzuziehen, hat dementsprechend hohe Kosten und will wohl überlegt sein. Über die Jahre hinweg gesehen fällt kritische Berichterstattung etwa wegen der Menschenrechtslage nicht mehr so ins Gewicht. Die Unternehmen bleiben.

Obwohl deren guter Name darunter leidet?
Das ist der zweite wichtige Punkt. Neben den Sponsoren selbst müssen wir auch auf die Konsumenten schauen. Man muss klar sagen: Sportfans sind Meister des Selbstbetrugs. Sie mögen im Vorfeld einer Sportveranstaltung Vieles kritisieren, aber wenn die Spiele losgehen, schauen sie trotzdem begeistert zu. Sicher, es gibt auch diejenigen, die bewusst boykottieren oder Kritik weiter äußern. Aber letztlich leben Sponsoren davon, dass die Begeisterung der Massen am Schluss immer gewinnt. Der gute Name leidet dann also gar nicht mehr so sehr. 

Sie beschrieben gerade zwölf Jahre voller negativer Ereignisse, das muss eine Wirkung auf das Image des IOC und damit seine Sponsoren haben?
Das hat es im Fall des IOC absolut. Wenn Sie Leute auf der Straße nach dem IOC oder nach der Fifa fragen, dann ist das Feedback unterirdisch. Der Punkt ist allerdings: Das IOC und die Olympischen Spiele, genauso wie die Fifa und die WM, das sind zwei unterschiedliche Dinge, die Zuschauer nicht immer direkt zusammenbringen. Sie müssten die Spiele selbst sanktionieren, um Druck auf die Werber auszuüben. Aber der sportliche Wettbewerb bleibt beliebt, auch wenn seine Organisatoren es nicht sind. Das wiederum heißt, die Werbemittel fließen weiter. 



Und die Moral bei den Unternehmern und Sponsoren selbst?
Die Diskussion um die olympischen Spiele oder die WM in Katar wird nicht überall so heftig geführt wird wie in Deutschland. Die meisten Sponsoren des IOC haben ein globales Publikum, es gibt kaum deutsche Partner. Die 80 Millionen Deutschen sind nur ein kleiner Teil der Werbe-Zielgruppe. International bleibt der Druck auf die Werber wegen schlechter Berichterstattung dementsprechend klein und moralische Fragen bleiben eine eher ferne Diskussion. Seit vielen Jahren fragen sich sehr große Sponsoren immer wieder: Können wir noch Partner der Fifa sein, können wir noch Partner des IOC bleiben? Die meisten sind meines Wissens bis heute geblieben. Wie sie individuell zu ihrem Kalkül kommen, bleibt deren Geheimnis.

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Wir fassen zusammen, das Sponsoring von Sportgroßereignissen ist autokratie-resilient. 
Es gab schon auch immer wieder Sponsoren, die da nicht mehr mitgemacht haben. Sie haben sich meist eher diplomatisch zurückgezogen und Skandale nicht direkt angesprochen. Aber es stimmt, das IOC hat da echt kein Problem. Zu viele Partner und Sponsoren stehen solide Gewehr bei Fuß. Nehmen wir zum Beispiel das Unternehmen Dow Chemical, das die meisten von uns vor allem von einem großen Industrie-Unfall in Indien her kennen. Dieses Unternehmen ist seit zwölf Jahren Partner beim IOC. So eine Marke kann imagemäßig sowieso nicht verlieren. Im Gegenteil, sie gewinnt durch die Kooperation langfristig Image wieder zurück, egal wie autokratisch der Austragungsort der Olympischen Spiele ist. Solche Partner werden das Sponsoring des IOC auch in Zukunft stabil halten.

Mehr zum Thema: Deutsche Unternehmen müssen sich zunehmend für ihr China-Geschäft rechtfertigen. Nicht immer zu Recht. Doch die Allianz sponsert im großen Stil Olympia. Damit überschreitet der Versicherer eine Grenze.

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