Organisierte Kriminalität Wie die EU den Zigarettenschmuggel stoppen will

Im Kampf gegen die Zigarettenmafia stehen Zoll und Polizei auf verlorenem Posten. Politischer Druck auf die großen Hersteller, Millionenzahlungen und ein internationales Abkommen zur globalen Kontrolle der Tabakbranche sollen die Wende bringen.

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Eine Walze fährt in Quelle: AP

Am 10. Juli verurteilte das Landgericht Berlin fünf deutsche Zigarettenschmuggler und einen vietnamesischen Hehler zu insgesamt 16 Jahren Haft. Bei den Fahndern der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Zigarettenhandel des Zolls und der Polizei, der die Männer ins Netz gegangen waren, kam der Richterspruch gut an. Er war einen kleinen Sieg in ihrem fast aussichtslosen Kampf gegen den Zigarettenschmuggel. Die Angeklagten hatten binnen dreier Monate mehr als sechs Millionen unversteuerte Zigaretten aus Polen nach Deutschland geschafft.

Aber die Beamten wussten auch: In der straff organisierten Zigarettenmafia, die den deutschen Staat jährlich um Steuereinnahmen von schätzungsweise rund einer Milliarde Euro bringt, waren die sechs Männer im Alter von 43 bis 51 Jahren nur unbedeutende Handlanger. Zwar stoßen deutsche Zöllner mal auf einen Silo-Lastzug mit drei Millionen Glimmstängeln in Hagen, mal finden sie sechs Millionen Zigaretten in einem Lkw auf der A2 bei Gütersloh oder können einem Ehepaar in Neuruppin den Verkauf von zwei Millionen Stück nachweisen.

Stabiler Preis als Indiz für geringen Fahndungsdruck

Aber die Drahtzieher der  internationalen Schmugglerbanden treffen sie mit solchen Schlägen nicht. Sicherstes Indiz dafür ist der seit Jahren stabile Schwarzmarktpreis von 17 bis 20 Euro pro Stange Schmuggelzigaretten. Er belegt: Der Fahndungsdruck ist zu schwach, um das Angebot zu verknappen und den Verkaufspreis der Schmuggelware in unattraktive Höhen zu treiben. Wie viele hundert Millionen oder Milliarden Schmuggelzigaretten pro Jahr in der EU tatsächlich verkauft werden - niemand weiß es.

Mehr Erfolg als das Observieren und Abhören, das Einschleusen von V-Männern und das Abfangen von Transporten verspricht eine andere Strategie: Mitte Juli verpflichtete EU Steuerkommissar Algirdas Semeta den Konzern British American Tobacco (BAT), in den  nächsten zwanzig Jahren 134 Millionen Euro in ein System zur Prävention von Zigarettenschmuggel und -fälschung zu investieren. Im September schloss die EU-Kommission mit Imperial Tobacco einen ähnlichen Vertrag, bei dem Imperial über 20 Jahre 207 Millionen Euro an die EU überweisen wird. Damit soll der Schmuggel eingedämmt und die EU für den bisherigen Schmuggel mit Imperial-Produkten entschädigt werden.

Die EU-Kommission steigert seit einigen Jahren ihren Druck auf die Tabakindustrie und  zwingt die Konzerne, ihren Vertrieb besser zu kontrollieren. Ähnliche Zugeständnisse wie BAT  machten zuvor bereits zwei andere der  weltgrößten Hersteller - Japan Tobacco International (JTI) und Philip Morris International (PMI). Die Kommission hatte ihnen vorgeworfen, nicht genug gegen den Schmuggel von Zigaretten aus ihren Werken getan und stillschweigend daran mitverdient zu haben. Wer den Deal mit Brüssel ablehnt, muss Schadenersatz zahlen.

Die drei Konzerne sind nun verpflichtet, sich ihre Abnehmer genauer anzusehen und im Blick zu behalten, auf welchen Wegen ihre Zigaretten zu den Rauchern gelangen. An technischen Möglichkeiten, den Vertrieb von Zigaretten besser zu kontrollieren, besteht kein Mangel.

Sie reichen von herkömmliche Strichcodes auf den Transportkisten, den „Master Cases“ mit jeweils 10.000 Zigaretten, über unsichtbare Strichcodes bis zu Funk-Etiketten, so genannten RFID-Transpondern, die umfangreiche Informationen über den Inhalt der Kiste aufnehmen können: Wo, wann und von  wem  wurden die Zigaretten hergestellt? Mit welcher Maschine? In welcher Produktionsschicht? Für welchen Groß- und welchen Einzelhändler? Nichtregierungsorganisationen, die sich für eine stärkere Kontrolle der Tabakindustrie einsetzen, empfehlen zudem individuelle Seriennummern auf den Zigarettenpäckchen, wie sie bereits auf Arzneimitteln zu finden sind. Daran könnten Zollbeamte feststellen, aus welchem Master Case ein Päckchen stammt und seinen Weg bis zur Produktionsstätte zurückverfolgen. Strichcode-Dokumentationssysteme sind teilweise bereits im Einsatz.

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