Ortsbesuch Texas‘ Governeur streicht alle Coronamaßnahmen – doch nicht alle ziehen mit

Einen Monat nachdem Texas sämtliche Corona-Beschränkungen außer Kraft gesetzt hat ist klar: das Land ist damit ein Risiko eingegangen. Quelle: Getty Images

Vor einem Monat hat Texas alle Corona-Beschränkungen außer Kraft gesetzt. Der US-Bundesstaat könne die Bürger vor dem Virus schützen, so der Gouverneur. Maskenpflicht adé also? Nicht wirklich. Ein Ortsbesuch.

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Hinter dem Riesenrad im Garten des Ferris Wheelers Backyard and BBQ im Market Center Bezirk von Dallas geht langsam die Sonne unter, doch an den langen Holztischen geht der Abend erst los. Familien schieben sich Metalltablette mit Pulled Pork und geräuchertem Brisket zu, eine Gruppe Studentinnen feiert einen Geburtstag mit Frozen Magaritas – Texas Size versteht sich. Aus den Lautsprechern klingt Country Music, ein wenig abseits der Tische laden Cornhole-Boards zum Spielen ein. Kurz: Es ist ein entspannter Frühlingsabend in der drittgrößten Stadt des Lone Star States.

Dass sich auch Texas noch inmitten der Coronapandemie befindet, fällt im Außenbereich des Ferris Wheelers kaum auf. Nur eine Flasche Desinfektionsmittel am Eingang und die locker sitzenden Masken der Kellner erinnern an Covid-19. Im zugehörigen Gebäude sieht die Sache indes anders aus. Die Tische stehen in weiter Distanz zueinander, auf dem Boden in dem Mindestabstand für wartende Gäste markiert. Wer keinen Mundschutz trägt, muss draußen bleiben.

Rein rechtlich müsste das Restaurant sich nicht mehr an diese Regeln halten. Denn es ist ziemlich genau einen Monat her, dass Texas sämtliche Corona-Beschränkungen außer Kraft setzte. Der Staat sei nun in der Lage, seine Bevölkerung vor dem Virus zu schützen, so Gouverneur Greg Abbott Anfang März in einem mexikanischen Restaurant in Lubbock. „Wir müssen alles dafür tun, die Lebensgrundlage und Normalität für Texaner wiederherzustellen“, so der Republikaner weiter. Dann verkündete er ein Ende der Auflagen für Geschäfte und kassierte die bis dahin gültige Maskenpflicht. Andere Bundesstaaten sollten bald folgen.

Der Schritt zog umgehend Kritik auf sich. Dr. Anthony Fauci, Medizinischer Chefberater von US-Präsident Joe Biden, nannte Texas‘ Vorpreschen „schlecht beraten“. Das Staatsoberhaupt selbst schimpfte auf das „Neandertaler-Denken“ in Teilen des Landes – schließlich untergrub Abbott durch scheine Lockerungsübung Bidens erklärtes Ziel, dass die Bevölkerung möglichst flächendeckend für 100 Tage Masken tragen sollte. Doch angesichts des großen Impferfolgs in den USA und der zunächst rapide sinkenden Fallzahlen stieg der Druck auf einige Gouverneure, die Auflagen für die Bevölkerung zurückzufahren.

Vier Wochen später ist klar, dass das Land damit ein Risiko eingegangen ist. Trotz zuletzt vier Millionen Impfungen am Tag stiegen die Infektionen zuletzt wieder an. Allerdings nicht in Texas. Der Sieben-Tage-Durchschnitt hat sich seit Abbotts Auftritt in Lubbock in etwa halbiert. Die Zahl der Todesfälle sank sogar noch stärker. Dallas County, Einwohnerzahl 2,6 Millionen, meldete zuletzt nur noch rund 200 Neuinfektionen am Tag. Und das Impftempo liegt derzeit ebenfalls nur knapp unter dem nationalen Durchschnitt.

Das dürfte auch mit der Vorsicht zu tun haben, mit der sich die Bevölkerung an die neuen Öffnungsmöglichkeiten herantastet. In Dallas ist die Zurückhaltung noch allgegenwärtig. Zwar sind die meisten Geschäfte mittlerweile wieder im Regelbetrieb, auf Masken verzichten jedoch die wenigsten. Selbst an der Tür von Western-Shops fordern Schilder die Kunden zum Tragen eines Gesichtsschutzes und Abstandhalten auf. Die County-Regierung mahnt ebenfalls weiter zum Einhalten der Empfehlungen der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control (CDC), die vor einem zu schnellen Ende der Beschränkungen warnt.

Es ist nicht wirklich überraschend, dass diese Botschaft hier verfängt. Dallas, Heimat der George W. Bush Presidential Library und ehemaliges Zentrum des amerikanischen Konservatismus, ist mittlerweile zu einer der demokratischen Hochburgen in Texas geworden. Bei der zurückliegenden Präsidentschaftswahl holte Biden hier rund zwei Drittel der Stimmen. Das macht die Bevölkerung empfänglich für die Mahnungen aus dem Weißen Haus. Die Worte des Präsidenten scheinen hier mehr Gewicht zu haben als die des Gouverneurs.

Eine gute Stunde nördlich von Dallas sieht die Lage schon anders aus. Schon das Straßenbild in dem kleinen Landkreis Wise County mit rund 70.000 Einwohnern zeigt, dass Biden hier keine große Basis hat. Auch ein knappes halbes Jahr nach der Präsidentschaftswahl hängen an den Einfahrtstoren der zahlreichen Ranchen entlang der holprigen StateRoads noch die Trump-Flaggen. Mehr als 80 Prozent der Stimmen holte das ehemalige Staatsoberhaupt hier im November.

Auch in Wise County ist die Zahl der Neuinfektionen stark gesunken. Pro Kopf liegt sie in dem ländlich geprägten Landkreis mit weitem Grasland und großen Anwesen jedoch höher als im dicht besiedelten Dallas. Die Regeln sind lockerer, die Vorsicht geringer.

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Im El Sazón etwa, einem kleinen Tex-Mex-Lokal am Rand des Städtchens Rhome, ist die Maskenpflicht längst aufgehoben. Nur einige wenige Gäste und Mitarbeiter tragen noch einen Mundschutz. Die Abstände zwischen den Tischen haben jedoch längst wieder zum Vorkrisenniveau zurückgefunden. Die Quittung: Der Wochendurchschnitt der positiven Tests liegt heute zwar niedriger als vor einem Monat, zuletzt ging die Kurve jedoch wieder ein Stück noch oben.

Mehr zum Thema: Unter Joe Biden haben die USA ihr Impftempo massiv erhöht. Rund zwei Millionen Dosen werden derzeit täglich in amerikanische Oberarme gespritzt. Exklusive Satellitenbilder zeigen eine Auswahl ungewöhnlicher Impfzentren. Wirtschaft von oben: Diese Massen-Impfzentren sind Teil des amerikanischen Impferfolgs

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