Wir Deutschen akzeptieren ja nicht gerne, dass andere Länder etwas besser können. Die Pandemie hat uns etwas mehr Bescheidenheit gelehrt. Gerade könnten wir zum Beispiel von Japan lernen. Dort handelt die Gesellschaft solidarisch, statt sich spalten zu lassen.
Zum Auftakt der Pandemie im Frühjahr 2020 spielte die japanische Regierung die Infektionslage herunter, weil sie um die Austragung der Olympischen Sommerspiele in Tokio fürchtete. Doch fast alle Bürger misstrauten der Politik und zogen sofort Masken an, statt auf eine staatliche Anordnung zu warten.
In diesem Sommer durchbrach die Deltavariante die japanische Virusabwehr und brachte das Gesundheitssystem an den Rand des Zusammenbruchs. Unter diesem Eindruck kletterte die japanische Doppelimpfquote auf inzwischen 75 Prozent. Aber das sind nur acht Prozent mehr als in Deutschland. Dennoch diskutiert niemand über 2G- oder 3G-Beschränkungen oder eine Impfpflicht. Die Entscheidung für oder gegen die Spritze bleibt privat.
Viele geimpfte Deutsche halten sich für geschützt und machen die Ungeimpften dafür verantwortlich, dass die Pandemie weitergeht. Doch die Japaner gehen fest von einer nächsten Welle aus, weil auch die Geimpften erkranken und das Virus weitergeben können. Also tragen alle, auch die Geimpften, konsequent weiter Maske, meiden enge und schlecht belüftete Räume und verzichten auf Reisen. Sie wollen sich selbst und andere schützen.
Japans Lektion für Deutschland: Aus Solidarität übernehmen Geimpfte und Ungeimpfte gemeinsam die Verantwortung dafür, dass die Infektionen niedrig bleiben. Dann sind nicht allein die Ungeimpften an der nächsten Überlastung der Krankenhäuser schuld, sondern vor allem die Politik, die wider besseres Wissen zu wenig Intensivbetten organisiert hat.
Mehr zum Thema: Der drastische Rückgang der Infektionen in Japan ohne großen staatlichen Druck verblüfft viele Experten. Die Lektion für Deutschland und Europa ist eindeutig. Warum es in Japan so wenige Coronafälle gibt.