„Paradise Papers“ EU-Kommissar kritisiert niederländisches Steuerkonstrukt

Die Veröffentlichung der „Paradise Paper“ zeigt: Dank des niederländischen Steuersystems spart der Sportartikelhersteller Nike Millionen ein. Ein illegales Konstrukt, meint der zuständige EU-Kommissar Moscovici.

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EU-Steuerkommissar Moscovici ist Franzose und seit September 2014 im Amt. Quelle: Reuters

Brüssel/Berlin Die Europäische Union knöpft sich nach dem Auftauchen neuer Geheimdokumente über die Steuertricks von Konzernen die eigenen Mitglieder vor. Konkret geht es um den Sportartikelhersteller Nike, der die Steuern gedrückt haben soll – mit Hilfe eines Konstrukts in den Niederlanden. „Das niederländische Modell ist verboten nach unseren Regeln“, sagte EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici am Dienstag. Der Franzose äußerte sich vor einem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel, bei dem über eine EU-Liste von Steueroasen beraten wird.

Das Thema gewann nach den Enthüllungen der „Süddeutschen Zeitung“ zu den sogenannten „Paradise Papers“ über die Steuervermeidungsstrategien von reichen Leuten und Unternehmen an Brisanz. Demnach soll Nike einen Teil der Gewinne in den Niederlanden konzentriert haben, um die Steuerlast zu drücken. Nike sagte der Zeitung, dass der Konzern sämtliche Steuerauflagen einhalte.

Die EU untersagte solche Modelle wie das in den Niederlanden voriges Jahr ausdrücklich. Die Mitgliedsstaaten müssen die Vorgaben bis 2019 in nationales Recht umsetzen. Nach Aussagen eines EU-Vertreters steht der Schritt in den Niederlanden bislang aus. „Die Botschaft an dieses Land und andere Staaten ist, dass wir Regelungen haben und dass wir nicht bis zum letzten Moment warten müssen, um sie anzuwenden“, sagte Moscovici.

Wirklich Durchgreifen kann die EU gegen den Willen der Mitgliedsstaaten aber nicht. Die Hoheit über die Steuern liegt ausdrücklich in den einzelnen Hauptstädten, nicht in Brüssel. Der Umstand ist auch in den EU-Verträgen verankert. Änderungen an der Steuergesetzgebung sind extrem schwierig. „Dafür brauchen wir Einstimmigkeit, da müssen alle Mitgliedsstaaten einverstanden sein“, sagte der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna.

Dem deutschen Staatssäckel entgehen wegen der Gewinnverlagerungen durch Großkonzerne in Steuerparadiese Experten zufolge jährlich rund 17 Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Diese Zahl errechnete der Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman für die „Süddeutsche Zeitung“. Bezogen auf die EU gehe es um etwa 60 Milliarden Euro im Jahr. Deutschland leide unter den Steuersparpraktiken besonders. Hier könnten die Einnahmen aus der Körperschaftssteuer um fast ein Drittel höher liegen, wenn solche Gewinnverschiebungen unterbunden würden. Der Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick hatte dies zum Anlass genommen, einen härteren Kampf gegen alle Möglichkeiten zur Steuerumgehung zu fordern, auch, um damit dem Staat mehr Einnahmen für die Erfüllung seiner Aufgaben zu verschaffen.

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