Der künftige US-Präsident Donald Trump hat offenbar erste inhaltliche und personelle Entscheidungen getroffen. Einem seiner Mitarbeiter zufolge will Trump schnellstmöglich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen. Gesucht werde nach Wegen, das eigentlich vier Jahre dauernde Prozedere für eine Aufkündigung zu umgehen, sagte ein Mitglied aus Trumps Übergangsteam, das für internationale Energie- und Klimapolitik zuständig ist.
Die Führung des Teams hatte Trump seinem designierten Vize-Präsidenten Mike Pence übertragen und vor allem Familienmitglieder sowie besonders loyale Weggefährten aus dem Wahlkampf mit Posten bedacht. Dem Kernteam, das 16 Personen umfasst, gehören Trumps Tochter Ivanka, seine Söhne Eric und Donald Jr. sowie sein Schwiegersohn Jared Kushner an. Schon bald nach seinem Amtsantritt muss Trump 4000 Posten besetzen.
Auch nach den Worten einer engen Beraterin wird Trump einen anderen Regierungsstil verfolgen. Dies sei eine Regierung für die „vergessenen Männer und Frauen“ im Land, sagte Kellyanne Conway am Sonntag dem Sender Fox News. Allerdings könnten nicht nur Anfänger ernannt werden.
Conway wollte nicht sagen, ob Republikaner-Chef Reince Priebus oder der Leiter von Trumps Wahlkampfteam, Steve Bannon, Stabschef im Weißen Haus werden soll. Beide würden eine führende Rolle spielen in der Regierung, sagte sie.
Die Schlüsselposition des Stabschefs will Trump zuerst vergeben. Laut Conway steht eine Entscheidung unmittelbar bevor. Der Stabschef ist der zweitwichtigste Mann im Weißen Haus. Er leitet den Mitarbeiterstab und entscheidet, wer Zugang zum Präsidenten bekommt.
Die Wahl wird aus Sicht der US-Medien zeigen, ob Trump nach einem aggressiven Wahlkampf Kurs auf Versöhnung und Ausgleich nimmt oder auf Konfrontation setzt. Bannon, konservativer Provokateur und ehemaliger Chef der radikalkonservativen Webseite Breitbart News, hetzt seit Jahren gegen das Establishment der Republikaner.
Nach Angaben eines Mitglieds des Übergangsteams prüfen inzwischen mehr als 100 Mitarbeiter, welche Vorschriften nach Trumps Amtsantritt am 20. Januar aufgehoben werden sollen. Dazu gehört offenbar das Klimaschutzabkommen. „Es war rücksichtslos, das Abkommen vor der US-Wahl in Kraft treten zu lassen“, sagte der Insider. Es gilt seit dem 4. November, Trump wurde am 8. November gewählt.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Nach Trumps Ansicht ist der Klimawandel ein Schwindel. Er strebt eine Kehrtwende in der US-Energiepolitik an, unter anderem durch eine Rückbesinnung auf fossile Brennstoffe wie Kohle. US-Außenminister John Kerry kündigte auf dem Weg zum Klimagipfel in Marrakesch an, die Regierung von Präsident Barack Obama werde alles tun, um vor dem Amtswechsel möglichst viele Punkte des Abkommens umzusetzen.
Versöhnlichere Töne bei Obamacare
Bei einem anderen zentralen Wahlversprechen schlug Trump mildere Töne an. So erwägt er, entgegen seiner Ankündigung zumindest Teile der Gesundheitsreform seines Vorgängers zu erhalten. Dem „Wall Street Journal“ sagte Trump in seinem ersten Interview nach der Wahl, ein wesentlicher Grund für seinen Sinneswandel sei das Treffen mit Obama am Donnerstag.
Die von Obama 2010 eingeführte allgemeine Krankenversicherung hatte Trump als Desaster bezeichnet. Auch die umfassende Finanzreform will Trump einem Medienbericht zufolge nur teilweise aufheben. Es sollten nur jene Regeln kassiert oder abgeschwächt werden, die bei Republikanern auf die größte Kritik stießen, berichtete das „Wall Street Journal“ bereits am Freitag unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen.
Unklarheit herrscht weiter über das künftige Kabinett von Trump. Die scheidende Senatorin Kelly Ayotte aus New Hampshire könnte laut „Washington Post“ neue Verteidigungsministerin werden. Ayotte war im Wahlkampf auf Distanz zu Trump gegangen.
Ihre Ernennung könnte der Zeitung zufolge eine versöhnliche Geste an republikanische Außenpolitiker im Kongress sein, mit denen sich Trump im vergangenen Jahr mehrfach angelegt hatte. Auch der pensionierte Irakkriegsveteran General Joseph Kellogg, der ehemalige Chef des militärischen Geheimdiensts DIA, Mike Flynn, und Senator Jeff Sessions aus Alabama würden als Verteidigungsminister gehandelt.
Proteste gehen weiter
Unterdessen hielten die Proteste gegen Trump in den USA an. Auch am Samstag gingen Tausende Menschen gegen seine Wahl auf die Straße und skandierten „Not my president!“ („Nicht mein Präsident!“). Die größten Kundgebungen gab es in New York, Los Angeles und Chicago.
Darum hat Trump gewonnen
Clinton schnitt trotz Trumps frauenfeindlicher Äußerungen in der Wählergruppe deutlich schwächer ab als im Vorfeld erwartet. Zwar erhielt sie von Frauen zwischen 18 und 34 Jahren deutlich mehr Unterstützung als Trump, insgesamt aber betrug ihr Vorsprung bei Frauen mit 49 Prozent nur zwei Prozentpunkte. Zum Vergleich: Der scheidende Präsident Barack Obama schnitt 2012 bei Frauen sieben Prozentpunkte besser ab als sein damaliger Herausforderer.
Clinton kam Umfragen zufolge deutlich besser bei Amerikanern mit spanischen Wurzeln, Afroamerikanern, und Amerikanern mit asiatischen Wurzeln an. Allerdings erhielt sie nicht so viel Rückhalt wie Obama vor vier Jahren, der seine Wiederwahl besonders den Stimmen der Minderheiten verdankte.
Trump punktete besonders bei Wählern ohne College-Ausbildung. Insgesamt betrug sein Vorsprung auf Clinton in dieser Gruppe zwölf Prozentpunkte. Bei weißen Männern ohne höheren Bildungsabschluss schnitt er sogar um 31 Prozentpunkte besser ab, bei weißen Frauen ohne Abschluss waren es 27 Prozentpunkte.
Streng gläubige weiße Amerikaner haben Trump die Treue gehalten - trotz der sexuellen Missbrauchsvorwürfe, die gegen den Milliardär im Wahlkampf erhoben wurden. Etwa 76 Prozent der Evangelikalen gaben an, für Trump gestimmt zu haben.
Clinton tat sich in Ballungsräumen schwer, obwohl dort in der Regel viele Anhänger der Demokraten leben. Ihr Vorsprung auf Trump betrug dort gerade einmal sechs Prozentpunkte. In ländlichen Regionen schnitt Trump dagegen um 27 Prozentpunkte besser ab.
In der Nacht zum Samstag wurde in der Westküstenstadt Portland ein Mann angeschossen. Dort war die Polizei mit Pfefferspray und Blendgranaten gegen die Demonstranten vorgegangen. Trump hatte während des Wahlkampfs nicht zuletzt mit rassistischen und frauenfeindlichen Äußerungen polarisiert. Kritiker befürchten, dass der künftige Präsident die Bürgerrechte beschneiden könnte.
Auch im Ausland war Trumps Wahl teilweise mit Bestürzung aufgenommen worden, führende Politiker sprachen sich dennoch für eine anhaltend enge Zusammenarbeit mit den USA aus. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz forderte einen Neustart. Trump sei der gewählte Präsident der USA und verdiene den Respekt, der sich mit diesem Amt verbinde, sagte er der „Bild am Sonntag“. „Der Präsident Trump wird ein anderer sein als der Wahlkämpfer Trump.“