Bei einem anderen zentralen Wahlversprechen schlug Trump mildere Töne an. So erwägt er, entgegen seiner Ankündigung zumindest Teile der Gesundheitsreform seines Vorgängers zu erhalten. Dem „Wall Street Journal“ sagte Trump in seinem ersten Interview nach der Wahl, ein wesentlicher Grund für seinen Sinneswandel sei das Treffen mit Obama am Donnerstag.
Die von Obama 2010 eingeführte allgemeine Krankenversicherung hatte Trump als Desaster bezeichnet. Auch die umfassende Finanzreform will Trump einem Medienbericht zufolge nur teilweise aufheben. Es sollten nur jene Regeln kassiert oder abgeschwächt werden, die bei Republikanern auf die größte Kritik stießen, berichtete das „Wall Street Journal“ bereits am Freitag unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen.
Unklarheit herrscht weiter über das künftige Kabinett von Trump. Die scheidende Senatorin Kelly Ayotte aus New Hampshire könnte laut „Washington Post“ neue Verteidigungsministerin werden. Ayotte war im Wahlkampf auf Distanz zu Trump gegangen.
Ihre Ernennung könnte der Zeitung zufolge eine versöhnliche Geste an republikanische Außenpolitiker im Kongress sein, mit denen sich Trump im vergangenen Jahr mehrfach angelegt hatte. Auch der pensionierte Irakkriegsveteran General Joseph Kellogg, der ehemalige Chef des militärischen Geheimdiensts DIA, Mike Flynn, und Senator Jeff Sessions aus Alabama würden als Verteidigungsminister gehandelt.
Proteste gehen weiter
Unterdessen hielten die Proteste gegen Trump in den USA an. Auch am Samstag gingen Tausende Menschen gegen seine Wahl auf die Straße und skandierten „Not my president!“ („Nicht mein Präsident!“). Die größten Kundgebungen gab es in New York, Los Angeles und Chicago.
Darum hat Trump gewonnen
Clinton schnitt trotz Trumps frauenfeindlicher Äußerungen in der Wählergruppe deutlich schwächer ab als im Vorfeld erwartet. Zwar erhielt sie von Frauen zwischen 18 und 34 Jahren deutlich mehr Unterstützung als Trump, insgesamt aber betrug ihr Vorsprung bei Frauen mit 49 Prozent nur zwei Prozentpunkte. Zum Vergleich: Der scheidende Präsident Barack Obama schnitt 2012 bei Frauen sieben Prozentpunkte besser ab als sein damaliger Herausforderer.
Clinton kam Umfragen zufolge deutlich besser bei Amerikanern mit spanischen Wurzeln, Afroamerikanern, und Amerikanern mit asiatischen Wurzeln an. Allerdings erhielt sie nicht so viel Rückhalt wie Obama vor vier Jahren, der seine Wiederwahl besonders den Stimmen der Minderheiten verdankte.
Trump punktete besonders bei Wählern ohne College-Ausbildung. Insgesamt betrug sein Vorsprung auf Clinton in dieser Gruppe zwölf Prozentpunkte. Bei weißen Männern ohne höheren Bildungsabschluss schnitt er sogar um 31 Prozentpunkte besser ab, bei weißen Frauen ohne Abschluss waren es 27 Prozentpunkte.
Streng gläubige weiße Amerikaner haben Trump die Treue gehalten - trotz der sexuellen Missbrauchsvorwürfe, die gegen den Milliardär im Wahlkampf erhoben wurden. Etwa 76 Prozent der Evangelikalen gaben an, für Trump gestimmt zu haben.
Clinton tat sich in Ballungsräumen schwer, obwohl dort in der Regel viele Anhänger der Demokraten leben. Ihr Vorsprung auf Trump betrug dort gerade einmal sechs Prozentpunkte. In ländlichen Regionen schnitt Trump dagegen um 27 Prozentpunkte besser ab.
In der Nacht zum Samstag wurde in der Westküstenstadt Portland ein Mann angeschossen. Dort war die Polizei mit Pfefferspray und Blendgranaten gegen die Demonstranten vorgegangen. Trump hatte während des Wahlkampfs nicht zuletzt mit rassistischen und frauenfeindlichen Äußerungen polarisiert. Kritiker befürchten, dass der künftige Präsident die Bürgerrechte beschneiden könnte.
Auch im Ausland war Trumps Wahl teilweise mit Bestürzung aufgenommen worden, führende Politiker sprachen sich dennoch für eine anhaltend enge Zusammenarbeit mit den USA aus. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz forderte einen Neustart. Trump sei der gewählte Präsident der USA und verdiene den Respekt, der sich mit diesem Amt verbinde, sagte er der „Bild am Sonntag“. „Der Präsident Trump wird ein anderer sein als der Wahlkämpfer Trump.“