Parlamentswahl in Serbien Vucic vor absoluter Mehrheit

Näher an die EU – oder näher an Russland: Die Serben haben eine Richtungswahl getroffen. Der bisherige Ministerpräsident Aleksander Vucic steht vor der absoluten Mehrheit. Er will die EU-Integration beschleunigen.

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Der hohe Stimmenanteil seiner Partei ist eine Bestätigung für den europafreundlichen Kurs des serbischen Premiers Aleksander Vucic. Quelle: dpa

Belgrad Die Serben haben am Sonntag vorzeitig ein neues Parlament gewählt. Ministerpräsident Aleksander Vucic hatte die Abstimmung um zwei Jahre vorgezogen, um sich nach eigenen Angaben ein Mandat für Reformen auf dem Weg zu einem EU-Beitritt erteilen zu lassen. Die Beteiligung lag kurz vor Schließung der Wahllokale am Abend bei rund 53 Prozent und damit etwas höher als bei Vucics vorherigem Wahlsieg 2014.

Bei seiner Stimmabgabe gab sich der Vorsitzende der regierenden Serbischen Fortschrittspartei SNS sicher, dass er die EU-Integration werde fortsetzen können. Der Prozess zum EU-Beitritt müsse beschleunigt werden. Es gehe um „strategische, langfristige Entscheidungen des serbischen Volks“, sagte Vucic. Er werde keine Kompromisse mit Parteien des rechten Flügels machen. Gleichzeitig betonte Vucic aber auch, dass sein Land die traditionellen Verbindungen zu Russland aufrecht erhalten müsse.

Vucic benötigt für seinen Kurs zum EU-Beitritt aller Voraussicht nach eine absolute Parlamentsmehrheit. Ihm wird prognostiziert, dass seine SNS von allen Parteien die meisten der 250 Parlamentssitze erhalten wird. Allerdings erstarkte nach dem Freispruch der nationalistischen Politikers Vojislav Seselj durch das UN-Kriegsverbrechertribunal vor wenigen Wochen die nationalistische Rechte im Land. Deshalb gab es Zweifel, ob es zur eigenen Mehrheit für Vucic reicht. Doch die Wahlforschungsgruppe Cesid berichtete am Abend, seine „Fortschrittspartei“ habe mit 52 Prozent die absolute Mehrheit gewonnen. Auf den zweiten Platz liege sein bisheriger sozialistischer Koalitionspartner SPS mit 14 Prozent.

Seselj, Vorsitzender der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei SRS, sagte bei seiner Stimmabgabe, die Wahl sei auch ein Referendum darüber, ob Serbien dem „Feind“ EU beitritt oder eine Art Union mit „unserem traditionellen Partner Russland“ anstrebt. Nur mit Parteien, die einen EU-Beitritt ablehnten, sei eine Koalition möglich, sagte Seselj.

Eine Rückkehr der SRS ins Parlament wurde erwartet. Einige liberale und prowestliche Gruppen mussten dagegen fürchten, an der Fünfprozenthürde für den Einzug zu scheitern. Darunter ist auch die Partei des früheren Präsidenten Boris Tadic. 6,7 Millionen Bürger waren wahlberechtigt.

Vucic ging mit der vorgezogenen Parlamentswahl ein hohes Risiko ein. Doch durch den neuen Wahlsieg wird der serbische Regierungschef zum politischen Strahlemann: Noch mehr Machtzuwachs – falls das überhaupt noch möglich ist. Denn seine „Fortschrittspartei“ (SNS) dominiert die Politik des EU-Kandidatenlandes nach Belieben. Die Opposition liegt am Boden, der bisherige sozialistische Koalitionspartner SPS ist schwer gedemütigt.

Dabei hat der 46-jährige Politprofi schon viele Schlachten geschlagen, denn er steht schon seit mehr als zwei Jahrzehnten immer an vorderster Front. Erst als Spitzenpolitiker und Scharfmacher der extremen Nationalisten, heute als geläuterter Demokrat und begeisterter EU-Fan. In seinem Beruf als Jurist hat er nie gearbeitet, von Anfang an als Berufspolitiker seine Karriere geschmiedet.

Nach eigener Darstellung will er sein Land aus der wirtschaftlichen und sozialen Misere führen und setzt dabei auf Brüssel und besonders auf Deutschland, das er als großes Vorbild beschreibt. Seine Kritiker unter den Intellektuellen des Landes und in der Opposition legen ihm dagegen diktatorische Züge, groß angelegte Korruption sowie die Knebelung von Justiz und Medien zur Last.

Anhänger und Kritiker sind sich aber einig, dass sie es mit einem klugen Taktiker und blitzgescheiten Strategen zu tun haben. Auch Brüssel und die USA setzen auf Vucic als unbestrittenen Partner in Serbien. Große Teile der Zivilgesellschaft klagen jedoch, die EU halte sich mit Kritik an Vucic zurück. Im Gegenzug erwarte sie Zugeständnisse Serbiens im vor acht Jahren abgefallenen albanisch dominierten Kosovo. Dort wurde aber viel versprochen und nur wenig gehalten.

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