Parlamentswahl in Spanien Wahlpatt verstärkt die Sorgen in der EU nach dem Brexit-Votum

Nach dem erneuten Wahlpatt ist die politische Lage in Spanien verworren. Weder die Linke noch die Rechte hat eine Mehrheit im Parlament, der konservative Premier Rajoy will dennoch bald eine Regierung bilden.

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Der amtierende konservative Regierungschef Mariano Rajoy gibt sich optimistisch, die seit Dezember anhaltende politische Lähmung überwinden und binnen eines Monats die Basis für eine Regierung legen zu können. Quelle: Reuters

Die Parlamentswahl in Spanien hat erneut ein Patt ergeben und verstärkt die politische Unsicherheit in Europa nach dem Brexit-Votum. Wie schon nach dem Urnengang vor einem halben Jahr bringt weder das rechte noch das linke Lager im Parlament genügend Mandate zur Wahl eines Ministerpräsidenten auf die Waage. Der erwartete Durchmarsch des EU-kritischen Linksbündnisses blieb aus. Der amtierende konservative Regierungschef Mariano Rajoy gab sich am Montag optimistisch, die seit Dezember anhaltende politische Lähmung überwinden und binnen eines Monats die Basis für eine Regierung legen zu können: „Es wäre Unsinn, noch weitere Monate Zeit zu verlieren.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel will nun rasch den Kontakt mit Rajoy suchen – auch um „europäische Herausforderungen“ nach dem Brexit zu diskutieren, wie Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin ankündigte. „Wir hoffen, dass die Parlamentswahl die Tür zu einer raschen Regierungsbildung öffnet und dass der gute Weg Spaniens mit Reformen, Wachstum und nachlassender Arbeitslosigkeit fortgesetzt werden kann“, fügte er vor der Presse in Berlin hinzu. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker veröffentlichte per Twitter-Botschaft sein Glückwunschschreiben an Rajoy, in dem er seine Hoffnung auf eine stabile Regierung ausdrückt.

Ob die auf Platz zwei gelandeten Sozialisten (PSOE) als Königsmacher Rajoys fungieren werden, ist jedoch fraglich. Aus der Partei kamen unterschiedliche Signale. Lange Gesichter gab es unterdessen bei der drittstärksten Kraft, dem Linksbündnis Unidos Podemos. Dass die Gegner der von Brüssel angemahnten Sparpolitik in Spanien nach dem Brexit-Votum keinen weiteren Zulauf erhielten, löste bei Investoren nur kurzzeitig Erleichterung aus. Der spanische Leitindex beschleunigt nach einer freundlichen Eröffnung seine Talfahrt: Er fiel zeitweise um bis zu 1,7 Prozent und erreichte damit den tiefsten Stand seit drei Jahren.

Die konservative Volkspartei (PP) konnten als einzige größere Partei im Vergleich zur Wahl im Dezember zulegen. Rajoy steht aber ohne Verbündete da. Ob sich die Sozialisten entgegen bisheriger Beteuerungen doch noch zu einer großen Koalition mit der PP durchringen könnten, ließ Partei-Chef Pedro Sanchez offen: Die Fraktion im Parlament werde sich in den „Dienst des Allgemeinwohls“ stellen.


An Rajoy scheiden sich die Geister

Bislang hatten die ideologischen Gräben zwischen Sozialisten und Konservativen und die persönliche Abneigung zwischen Rajoy und Sanchez eine Kooperation der beiden Altparteien verhindert. Diese sehen sich seit der Wahl vom 20. Dezember mit der Protestpartei Podemos und der liberalen Bürgerplattform Ciudadanos mit neuer politischer Konkurrenz im Parlament konfrontiert. Ciudadanos-Chef Albert Rivera kündigte an, eine von Rajoy geführte Regierung nicht zu unterstützen. Beide Parteien zusammen kämen ohnehin nicht auf die erforderliche Mehrheit von 176 Mandaten, da Ciudadanos nur 32 Sitze im neuen Parlament stellt und PP auf 137 Sitze kommt. Die Volkspartei und die PSOE kämen zusammen jedoch auf eine komfortable Regierungsmehrheit von 222 Mandaten.

„Das größte Hindernis für eine Zusammenarbeit zwischen PP und PSOE scheint im Moment Rajoy zu sein, den die Sozialisten – wie auch Ciudadanos – wegen seiner möglichen Verstrickung in die Korruptionsskandale seiner Partei nicht zum Regierungschef wählen wollen“, meint Ökonom Ralph Solveen von der Commerzbank. Ohne personelle Änderungen an der Spitze der Konservativen und vielleicht auch der Sozialisten dürften PP und PSOE aber nicht zueinander finden: „Diese Änderungen sind nach dem eher über den Erwartungen liegenden Ergebnissen beider Parteien sicherlich nicht wahrscheinlicher geworden.“

PSOE-Sprecher Antonio Hernando betonte, seine Partei werde dem Wahlsieger nicht die Hand zum Bündnis reichen: „Wir werden Rajoy bei einer Wahl zum Ministerpräsidenten weder unterstützen noch uns der Stimme enthalten.“ Der in der Partei einflussreiche Präsident der autonomen Region Extremadura, Guillermo Fernandez Vara, sprach sich hingegen für eine baldige Regierungsbildung unter Führung Rajoys aus: „Das hat uns der Wähler aufgetragen, und das werden wir tun müssen.“

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