Partnerschaftsabkommen Brexit torpediert EU-Annäherung der Ukraine

Den Haag fordert Änderungen am EU-Ukraine-Abkommen: Premierminister Rutte will nach dem Brexit-Votum auf die europa-kritische Stimmung im eigenen Land eingehen. Worum es den Niederländern in Wahrheit geht.

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Die Mehrheit der Niederländer hat in einem Referendum gegen ein EU-Ukraine-Abkommen gestimmt. Quelle: dpa

Moskau Nicht nur die Briten haben gegen die EU gestimmt: Auch ein Referendum in den Niederlanden war eine Ohrfeige für die Brüsseler Bürokraten. Die Niederländer hatten im April 2016 gegen ein EU-Partnerschaftsabkommen mit der Ukraine gestimmt, das die übrigen 27 EU-Mitgliedstaaten schon ratifiziert haben. Europakritische Initiativen hatten das rechtlich nicht bindende Referendum erzwungen.

Lange wusste die Politik nicht, wie sie mit dem Votum umgehen soll. Ignorieren oder neu verhandeln? Nun erklärte der niederländische Premier Mark Rutte, ohne Zusatzgarantien könne sein Land den Vertrag nicht ratifizieren.

Es sei eine „juristisch verbindliche Entscheidung“ nötig, um sicherzustellen, dass die Interessen der Niederländer bei der Partnerschaft gewahrt blieben, sagte er. „Wir müssen Antworten auf die Sorgen der Menschen finden. Gelingt uns das nicht, dann können wir nicht ratifizieren“, so Rutte.
Seine Aussage dürfte auch eine Reaktion auf das Brexit-Referendum sein. Offenbar will Rutte nicht die Vertrauenskrise innerhalb der EU weiter anheizen, indem er das Referendum ignoriert.

Der niederländische Premierminister ließ offen, welche Interessen seines Landes er genau meinte – und wie er für diese Sorge tragen wolle. „Konkrete“ Forderungen könne er noch nicht nenne. „Es könnte sein, dass wir den Text ändern müssen. Es könnte aber auch sein, dass wir eine Lösung finden, ohne den Text des Partnerschaftsabkommens ändern zu müssen“, sagte Rutte.
EU-Ratspräsident Donald Tusk versicherte seinerseits, dass die EU alles tun werde, um eine juristische Lösung zu finden, die es Rutte erlaube, den Vertrag zu ratifizieren. Das Problem dabei: Das Abkommen selbst birgt für die Niederländer eigentlich keine Gefahr.

Beim Votum spielte bei vielen Wählern eher die Angst mit, dass damit der Beitritt der Ukraine vorbereitet werden solle. Und dass damit weitere 45 Millionen – eher arme – Menschen auf EU-Fördertöpfe Anspruch erheben könnten. Dabei hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel zuletzt erneut betont, dass eine Mitgliedschaft der Ukraine in absehbarer Zukunft „nicht auf der Tagesordnung“ stehe.

Für die ukrainische Regierung ist ohnehin eine andere Frage dringlicher: Die Aufhebung der Visapflicht. Präsident Petro Poroschenko wiederholte seine Forderung nach einer schnellen Regelung: „Es gibt objektive Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Brexit, aber sie können uns höchstens für ein paar Tage oder Wochen aufhalten“, meinte er. Die Ukraine habe ihre Hausaufgaben jedenfalls gemacht, betonte er.
In Kiew steht die politische Führung dieser Tage mindestens ebenso unter Druck wie in Den Haag oder Brüssel. Sie muss den Ukrainern für das Partnerschaftsabkommen, das den ukrainischen Markt für europäische Waren öffnet und damit einheimische Produzenten unter Druck setzt, zumindest in anderen Bereichen Vorteile aufzeigen können. Jede Verzögerung bei der Visafreiheit erhöht den Grad der Unzufriedenheit in Kiew.

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