„Partygate“-Affäre Trotz überstandenem Misstrauensvotum: Johnsons Zukunft bleibt ungewiss

Der in der Partygate-Affäre stark in die Kritik geratene britische Premierminister Boris Johnson musste sich einem Misstrauensvotum seiner Konservativen Partei stellen. Er gewann. Quelle: dpa

Der britische Premier kann einem Sturz durch die eigene Fraktion gerade noch einmal entrinnen. Doch der Sieg beim Misstrauensvotum könnte der Anfang vom Ende seiner Amtszeit sein.

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Nach dem gescheiterten Misstrauensvotum gegen den britischen Premierminister Boris Johnson gilt die Zukunft des konservativen Politikers als ungewiss. Johnson hatte die kurzfristig einberufene Abstimmung unter den Tory-Abgeordneten am Montagabend zwar mit 211 zu 148 Stimmen gewonnen, doch er gilt als massiv beschädigt. Mit mehr als 40 Prozent Gegenstimmen in der eigenen Fraktion fuhr Johnson ein schlechteres Ergebnis ein als seine Vorgängerin Theresa May, die sich im Jahr 2018 auf dem Höhepunkt der Brexit-Querelen einem Misstrauensvotum stellen musste.

Zwar darf es laut den Regeln der Konservativen Partei nun für die Dauer von zwölf Monaten kein weiteres Misstrauensvotum mehr geben, doch die Regeln könnten geändert werden und der Druck auf Johnson dürfte so oder so weiter steigen. May sah sich rund ein halbes Jahr nach dem überstandenen Misstrauensvotum zum Rücktritt gezwungen. Und auch Johnson könnte dem konservativen Magazin „Spectator“ zufolge nach Ansicht einiger Verbündeter bald „Toast“ sein, wie man in Großbritannien sagt, wenn die Laufbahn eines Politikers am Ende ist.

Johnson selbst hatte nach der Abstimmung zwar von einem „guten Ergebnis“ gesprochen, mit dem die Regierung nun den Streit um seine Führungsrolle hinter sich lassen könne. Doch so recht kaufte ihm das kaum jemand ab. Mit wenigen Ausnahmen lasen sich die Schlagzeilen britischer Zeitungen für den Premier am Dienstag verheerend: „Ein verwundeter Sieger“, titelte die „Times“, „Hohler Sieg zerreißt die Tories“, hieß es auf der Frontseite des „Daily Telegraph“ – beides sind konservative Blätter. Im linksliberalen „Guardian“ war zu lesen: „Johnson klammert sich an Macht trotz Abstimmungs-Demütigung“.

Auslöser für das Misstrauensvotum war die Partygate-Affäre um illegale Feiern während der Corona-Lockdowns in der Pandemie. Im Regierungssitz Downing Street war teilweise exzessiv gefeiert worden, während im Rest des Landes die Menschen teilweise nicht einmal Abschied von ihren sterbenden Angehörigen nehmen durften. Johnson hatte die Partys nicht nur geduldet, sondern teils selbst mitgefeiert. Wegen seiner Teilnahme an einer der Zusammenkünfte erhielt er als erster amtierender Premierminister in der Geschichte des Landes eine Strafe von der Polizei wegen Gesetzesbruchs. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Spitzenbeamtin Sue Gray stellte der Regierung ein miserables Zeugnis in der Affäre aus.

Die Debatte über Johnsons Führungsrolle dürfte nicht abreißen. Schon am 23. Juni sollen in zwei englischen Wahlkreisen Nachwahlen stattfinden. In beiden wird mit einer Niederlage für die Tories gerechnet. Verantwortlich gemacht werden dürfte dafür der Parteichef, der inzwischen längst nicht mehr als Garant für einen Wahlerfolg, sondern immer mehr als Belastung für die Partei gilt. Hinzu kommt, dass ein Ausschuss im Parlament derzeit prüft, ob Johnson in der Affäre absichtlich die Unwahrheit gesagt hat, als er anfangs behauptete, es habe keinerlei Partys gegeben.

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Als schwierig dürfte sich für Johnson vor allem erweisen, dass die Rebellion in seiner Partei von ganz verschiedenen Flügeln kommt. Darunter sind beispielsweise beinharte Brexit-Anhänger wie der Abgeordnete Steve Baker, aber auch sogenannte Remainer wie Tobias Ellwood, der kürzlich erst eine Rückkehr in den europäischen Binnenmarkt forderte.

Positiv für Johnson wirkt sich aus, dass es bisher keinen klaren Favoriten für seine Nachfolge gibt. Ihren Hut in den Ring geworfen haben Ex-Gesundheitsminister Jeremy Hunt sowie der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Tom Tugendhat. Auch Außenministerin Liz Truss rechnet sich wohl Chancen aus.

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