Pawel Grudinin Der Kommunist, der Putin zu gefährlich wurde

In Russland drohte der kommunistische Kandidat, Wladimir Putin Wähler abzujagen. Jetzt tauchen Dokumente über Pawel Grudinins angebliche Auslandskonten auf.

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Der 57-jährige Unternehmer wurde in Russland schon als Erneuerer der Linken gefeiert. Quelle: Reuters

Moskau Der Wahlkampf in Russland geht in den Endspurt und die Verbalattacken der Kandidaten werden schärfer. Nicht etwa gegenüber dem Favoriten und Amtsinhaber Wladimir Putin. Vielmehr gehen sich Putins Konkurrenten untereinander scharf an.

Besonders ins Visier geraten ist dabei zuletzt der kommunistische Kandidat Pawel Grudinin. Die Vorwürfe sind pikant: Ausgerechnet er, der Kommunist, soll Millionen auf Schweizer Nummernkonten gelagert haben.

Grudinins Teilnahme an der Wahl war zuerst eine durchaus positive Überraschung. Der 57-Jährige ist Unternehmer, Direktor eines Erdbeerhofs im Moskauer Umland. Nach der Bekanntgabe seiner Kandidatur wurde er schon als Erneuerer der Linken gefeiert. Immerhin verzichtete der langjährige Kommunistenführer Gennadi Sjuganow zu seinen Gunsten.

Der inzwischen 73-jährige Sjuganow hatte viermal an Präsidentenwahlen in Russland teilgenommen. Näher als 1996, als er Amtsinhaber Boris Jelzin in die Stichwahl zwang und dort 40 Prozent erzielte, kam er dem Sieg nicht. Zwar wurde er jedes Mal Zweiter, doch sein Ergebnis verschlechterte sich von Mal zu Mal: Im Jahr 2000 erreichte er noch 29 Prozent, 2008 knapp 18 Prozent und 2012 waren es 17 Prozent. Laut Umfragen drohte Sjuganow dieses Mal der Absturz unter die Zehn-Prozent-Marke.

Sein Verzicht auf die Kandidatur war laut dem Politologen Andrej Kolesnikow mit dem Kreml abgesprochen, „denn Sjuganow als Chef der Kommunisten ist real eigentlich nur ein Mitarbeiter der Präsidialadministration“. Dort versprach man sich von der Teilnahme Grudinins ein erhöhtes Wählerinteresse und damit auch eine höhere Wahlbeteiligung.

Tatsächlich erlebte Grudinin zunächst einen unerwartet starken Popularitätsschub, einfach weil das Volk neue Gesichter sehen wollte. „Das provozierte dann eine Gegenkampagne, eine Menge Informationen wurde gestreut, denn an echter Konkurrenz – sei es auch nur auf dem Niveau von zehn Prozent – war der Kreml natürlich nicht interessiert“, erklärt Kolesnikow.

Laut dem Politologen Abbas Galjamow drohte Grudinin, bisher putintreue Wähler von sich zu überzeugen. Und so tauchte plötzlich kompromittierendes Material über den Kandidaten auf: Spekulationen über die Rechtmäßigkeit der Privatisierung des Erdbeerhofs, der immer noch den Namen „Lenin-Sowchose“ trägt – dazu häuften sich die Meldungen über Grudinins angebliche Auslandskonten. Der hatte stets betont, alle Konten im Ausland vor der Kandidatur geschlossen zu haben.


Warnung vor Grudinin im Wahllokal

Bei den Debatten der Herausforderer wurden die Konten zu einem zentralen Thema. Die Debatten selbst allerdings verkommen – offenbar gewollt – zu einer absoluten Farce und erinnern teilweise an die Reality-Show „Dom 2“, einen russischen Verschnitt von Big Brother, den vielleicht nicht ganz zufällig vor Jahren Xenia Sobtschak moderierte, die sich nun als Oppositionskandidatin von Kremls Gnaden profiliert: Die Kandidaten versuchten, sich zu überschreien.

In einer Sendung schüttete Sobtschak dem wild fluchenden Populistenführer Wladimir Schirinowski ein Glas Wasser über den Kopf, um ihn „abzukühlen“, was aber nur eine weitere Schimpf- und Beleidigungstirade nach sich zog.

Putin selbst nimmt an diesen Diskussionen selbstverständlich nicht teil, um sich nicht auf eine Ebene mit seinen Herausforderern zu stellen. Und auch Grudinin verließ mitten in der Show die Diskussionsrunde, die er als „Basar“ einstufte. Seine Reputation konnte das nicht retten. Die Medien interpretierten seinen Abgang als „Flucht“, um nicht über seine Konten reden zu müssen.

Auch sein Dementi half nicht viel: Grudinin bezeichnete die Infos „über meine Konten, wenn nicht sogar das Gold der Partei, das ich auf einer Schweizer Bank verwahre“, als „Schmutzkampagne“. Der Vorwurf, bei einer Bank 13 Konten zu haben, sei doch unlogisch. „Ich würde mich nicht wundern, wenn sie morgen erzählen, dass auf meiner Datscha das Bernsteinzimmer und die Bibliothek von Iwan dem Schrecklichen gefunden wurde“, ergänzte er.

Doch inzwischen hat die Wahlkommission die Infos beinahe als offiziell bestätigt. Angeblich soll auf den Konten umgerechnet eine knappe Million Dollar liegen, darunter teilweise auch in Goldunzen. Die Meldung stamme schließlich von der russischen Steuerbehörde, die sie bei ihren Schweizer Kollegen erfragt hätten, sagte Kommissionsmitglied Alexander Kinjow. Dokumente über die Schließung der Konten hingegen gebe es nicht, sagte er.

Der diskutierte Wahlausschluss Grudinins ist zwar vom Tisch, doch die Kommission will wohl nun in allen Wahllokalen die Russen über die Millionen Grudinins in Kenntnis setzen. Eine Wählerwarnung gewissermaßen. Das ehrgeizige Ziel des Kremls, die 70/70-Formel; also 70 Prozent Ja-Stimmen für Putin bei 70 Prozent Wahlbeteiligung, rückt mit diesem Manöver in greifbare Nähe.

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