Peter Navarro Trumps protektionistischer Vordenker

Keine gute Nachricht für Deutschland: Peter Navarro hat das Zeug Trumps wichtigster Wirtschaftsberater zu werden. Quelle: Bloomberg

Nach dem Rückzug von Gary Cohn wächst im Weißen Haus der Einfluss des handelspolitischen Beraters Peter Navarro. Der umstrittene Ökonom könnte Trump einen schärferen Kurs gegenüber Deutschland und China einflüstern.

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Eigentlich war er schon abgeschrieben. Doch nachdem Donald Trumps oberster Wirtschaftsberater Gary Cohn gestern frustriert über den protektionistischen Kurs des Präsidenten zurückgetreten ist, könnte nun doch noch die Stunde von Peter Navarro schlagen. Trump hatte den 68-jährigen Ökonomen 2017 zum „Direktor für Handel und Industriepolitik“ eines neu geschaffenen Nationalen Handelsrats ernannt. Doch zunächst blieb dessen Einfluss begrenzt, den wirtschaftspolitischen Ton gab meist die New Yorker Gruppe um Cohn und Finanzminister Mnuchin an, beide langjährige Goldman-Sachs-Größen.

Navarro machte stattdessen durch merkwürdige Auftritte von sich reden, unter anderem beim USA-Besuch von Angela Merkel 2017. Streckenweise wurde er regelrecht abgeschirmt. Bei einem Vortrag im vergangenen Jahr klammerte sich der Ökonom an sein Manuskript, ganze Passagen las er einfach vor. Nachfragen waren nicht gestattet. Nach seinem Vortrag eskortierten ihn Regierungsmitarbeiter aus dem Raum.

Würde Navarro nun die Nachfolge von Gary Cohn als oberster Wirtschaftsberater des Präsidenten antreten - was Insidern zufolge durchaus möglich ist - , wäre das für Deutschland keine gute Nachricht. Das Handelsbilanzdefizit der USA mit Deutschland stellt für die Protektionistenfraktion im Weißen Haus seit Langem ein Ärgernis dar; der deutsche Überschuss im grenzüberschreitenden Warenverkehr ist 2017 auf 50,5 Milliarden Euro gestiegen.

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Michael FlynnBereits im Februar gab Trumps Nationaler Sicherheitsberater, Michael Flynn, nach nicht einmal einem Monat sein Amt auf. Der Grund: Er hatte falsche Angaben zu seinen Russland-Kontakten gemacht. Er tritt auf Aufforderung des US-Präsidenten zurück, der Flynn jedoch als Opfer einer Medienkampagne sieht. Quelle: AP

Navarro gehört zu den wenigen Ökonomen, die die These vertreten, dass Importe prinzipiell die Wirtschaft schwächen. Alles, was Amerika verlässt, macht das Land reich; alles, was das Land einführen muss, macht arm. Freier Handel ist für Navarro nur akzeptabel, solange drei Kriterien erfüllt sind: Erhöhung der (amerikanischen) Wachstumsrate, Verringerung des Handelsdefizits, Stärkung der Produktion. Die Strafzölle auf Stahl und Aluminium feiert er folglich als „mutige, harte Entscheidung“ zum Schutz der heimischen Produzenten. Die Gefahr von Vergeltungsmaßnahmen anderer Länder wischt er mit der Bemerkung vom Tisch, die USA seien „der lukrativste und größte Markt der Welt“.

In den Handelsdefiziten der USA sieht Navarro eine „nationale Gefahr“ – und attackierte neben China und Mexiko auch immer wieder Deutschland. Die Bundesrepublik nutze den „massiv unterbewerteten“ Euro aus, um ihre Exporte zu steigern, darüber müsse man reden.

Andere Ökonomen schütteln über derlei Parolen den Kopf. „Nahezu alle Behauptungen von Navarro weisen eklatante Fehler auf“, so Daniel Ikenson, Handelsexperte bei der US-Denkfabrik Cato. So hätten die USA in den vergangenen 42 Jahren immer mehr importiert als exportiert. Von einer „nationalen Gefahr“ könne also kaum die Rede sein. Außerdem habe die Bundesregierung keinen Einfluss auf den Kurs des Euro, dafür sei die Europäische Zentralbank zuständig. „Ein Ökonom mit Harvard-Abschluss wie Navarro sollte das wissen“, so Ikenson.

Das Thema Handel hat Navarro ohnehin erst vor einigen Jahren für sich entdeckt. Seine Publikationsliste ist ein thematisches Potpourri aus Anlagetipps, Energiemarktanalysen und Studienführern. Um die Jahrtausendwende publizierte er eine Zeit lang viel zum Thema E-Learning, nach den Anschlägen des 11. September beschäftigte er sich mit den Kosten des Terrors. Wirklich bekannt wurde er erst mit seinem Buch „Tod durch China“, einem Pamphlet über die amerikanisch-chinesischen Handelsbeziehungen.
„Chinas Gewinn ist unser Verlust. Wir haben unsere Produktion verloren, 25 Millionen mehr Arbeitslose und kein Wachstum mehr“, sagt er. Aus dem Buch machte er einen Dokumentarfilm, in dem Panzer mit Kommunistenstern über die US-Landkarte fahren und Flugzeuge Bomben auf das Land werfen. Das scheint Trump imponiert zu haben.

Vor einiger Zeit entwickelte Navarro für Trump eine Art Masterplan für die Wirtschaftspolitik. Seine Kernthesen: Die Steuern müssen radikal runter, dann steigt das Wachstum von alleine. Und ist das Handelsdefizit erst einmal reduziert, sinken die Staatsschulden und wächst die Wirtschaft – so Navarros Theorie. „Das Handelsdefizit soll durch eine Kombination von steigenden Exporten und reduzierten Importen gesenkt werden“, schreibt er.

In der Ökonomenszene sorgte die Publikation milde gesagt für Irritationen. „Selbst ein Erstsemester-Student weiß, dass Handelsdefizite Hand in Hand mit Kapitalzuflüssen einhergehen“, spottete Greg Mankiw, Harvard-Volkswirt und ehemaliger Chefökonom unter George W. Bush. Wer Handelsdefizite reduziere, verringere den Kapitalzufluss und letztlich auch Konsum und Investitionen. Auch der Princeton-Volkswirt und Nobelpreisträger Paul Krugman meldete sich zu Wort: „Die Studie ist fürchterlich, und das auf vielen Ebenen.“ Offenbar sei „Trumps Vorstellung, was einen Experten ausmacht, ebenso schlecht wie sein Urteilsvermögen“.

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