Petersburger Wirtschaftsforum Putin nimmt Trumps Klima-Ansage locker

Trumps Klima-Entscheidung spielt Russlands Präsident Putin in die Hände. Ausnahmsweise ist nicht der Kreml der Außenseiter auf der großen Bühne der Weltpolitik. Trotzdem verzichtet Putin darauf, die USA anzuprangern.

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Russian President Vladimir Putin, left, meets with Bavarian Prime Minister Horst Seehofer at the the St. Petersburg International Economic Forum in St. Petersburg, Russia, Friday, June 2, 2017. (Alexei Druzhinin/Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP) Quelle: AP

St. Petersburg Der Sturm, den Donald Trumps Ausstieg aus dem Klimavertrag ausgelöst hat, schlägt Wellen bis nach St. Petersburg: Außenpolitik sei eine „der zynischsten Angelegenheiten“, sagte der Chef der russischen Staatsholding für Nanotechnologie Anatoli Tschubais auf dem Internationalen Wirtschaftsforum. „Der US-Präsident hat erklärt, dass ihm die Interessen der nächsten Generation egal sind“, klagte er. Für Moskau habe dies den Vorteil, dass nun ausnahmsweise einmal Russland auf der Seite der Mehrheit stehe, während sich die USA isolierten, ließ der ehemalige Chefprivatisierer Russlands seinen eigenen reichen Erfahrungsschatz mit Zynismus durchblicken.

Tatsächlich will sich die russische Regierung an ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen halten. Präsident Wladimir Putin allerdings lässt vorerst offen, auf welche Seite er sich in dem Streit schlägt. Das Pariser Abkommen sei ein richtiges Dokument im Kampf gegen die Klimaerwärmung, „aber ich würde Trump nicht verdammen“, weil er den Austritt der USA erklärt habe, sagte Putin in der Plenar-Diskussion des Internationalen Wirtschaftsforums in St.Petersburg.

Der russische Präsident kritisierte den „Lärm“, der um Trumps Entscheidung gemacht wurde. Man solle stattdessen besser an einer „konstruktiven Lösung“ arbeiten, schlug er vor und zeigte sich optimistisch, dass diese auch gefunden werde. „Don’t worry, be happy“, schloss er unter dem Beifall des Auditoriums.

Das Wirtschaftsforum ist für Putin ein Heimspiel. Die Themensetzung des Forums unterscheidet sich mit Debatten über Digitalisierung und Weiterbildung, neuen Energien und Klimaschutz, kaum von westlichen Pendants. Vor allem aber dient es stets als Bühne für Putins großen Auftritt – die er sich in diesem Jahr mit den Nebendarstellern Narendra Modi (Premier Indiens), Christian Kern (Kanzler Österreichs) und Igor Dodon (Präsident der Republik Moldau) teilte.

Nutzte Putin den Auftritt zunächst zur Eröffnung seiner offiziell noch gar nicht bekanntgegebenen Wahlkampagne, indem er den Beginn des Aufschwungs und der Digitalisierung in Russland verkündete, drehte sich in der Diskussion anschließend alles um das Thema Außenpolitik, in der Putin lustvoll austeilte, ohne Kontra befürchten zu müssen.


Putin: Russen sind immer die Sündenböcke

Der russische Präsident kritisierte die Nato und nannte Angela Merkels Kritik an Trumps Vorgehen in der Klimapolitik ein Zeichen der Kränkung darüber, dass die Souveränität Deutschlands beschränkt sei. Die Frage nach der russischen Einmischung in den amerikanischen Wahlkampf ließ ihn gar zum Antisemitismus-Vergleich greifen. Seien früher die Juden für alles verantwortlich gemacht worden, seien nun die Russen die Sündenböcke. Dabei handle es sich beim Machtkampf in Washington um ein zutiefst inneramerikanisches Problem, das nichts mit Moskau zu tun habe.

„Sie mischen sich doch ständig in unsere Angelegenheiten ein“, schob er anschließend noch Schuldzuweisungen an die USA nach. Als eine derartige Einmischung in die inneren Angelegenheiten betrachtet Putin nach wie vor die Entwicklung der Ukraine-Krise. Das Geld, mit dem die US-Regierung dort seit 1992 NGO’s und die Zivilgesellschaft unterstützt hat, betrachtet Putin als Schmiergeld für einen Staatsstreich. „Sie haben mit fünf Milliarden Dollar die Opposition in der Ukraine und einen bewaffneten Umsturz finanziert“, sagte er. Das ist ein beliebtes Argument in Moskau, um das eigene Eingreifen auf der Krim und der Ostukraine zu rechtfertigen.

Kern machte in der Diskussion keine glückliche Figur, als er anschließend vor allem über die Kosten der Sanktionen für die österreichische Wirtschaft lamentierte und sein Land als Vorreiter für die Aufweichung der Handelsbeschränkungen präsentierte, ehe er versuchte, sich zum Völkerrecht und Minsker Abkommen zurückzuhangeln.

Der Wunsch, die Handelsbeziehungen nach Russland wieder herzustellen, ist aber allerorten spürbar. Aus München reiste CSU-Chef Horst Seehofer an, um Putin zu treffen. Der bayerische Ministerpräsident nahm auch an der Unterzeichnung eines Milliardendeals zwischen dem Linde-Konzern und der russischen Chemieholding TAIF über den Aufbau eines Ethylenwerks in der Teilrepublik Tatarstan teil. Der erste Vertrag hat nach Angaben von Tatarstans Präsident Rustam Minnichanow einen Wert von 865 Millionen Dollar, die gesamte vorgesehene Kooperation einen Umfang von sogar zwölf Milliarden Dollar.

Das nach Angaben Seehofers „gute“ Verhältnis zwischen ihm und Putin war für das Geschäft sicher hilfreich. Der Kremlchef habe die Kooperation persönlich abgesegnet, teilte Minnichanow mit. Seehofer ist in diesem Jahr bereits das zweite Mal in Russland und versprach, auch zur Grundsteinlegung der Fabrik wiederzukommen.

Am Abend wird auch noch Sigmar Gabriel in St. Petersburg erwartet. Kremlsprecher Dmitri Peskow bestätigte, dass ein Treffen Putins mit dem deutschen Außenminister möglich sei. Zu den Inhalten des Treffens wollten beide Seiten im Vorfeld aber noch nichts sagen.

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