Philippinen schicken Soldaten gegen die Bevölkerung Militäreinsatz gegen Junkies

Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte hat das Vertrauen in die Polizei verloren. Nun zieht er mit der Armee in den Drogenkrieg. Doch der Kampfeinsatz richtet sich nicht gegen die Bosse. Beobachter sind entsetzt.

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Der philippinische Präsident will den Drogenhandel mit Gewalt bekämpfen. Quelle: Reuters

Manche Politiker versprechen Arbeitsplätze, andere dichte Grenzen. Am späten Samstagabend erklärte der philippinische Präsident Rodrigo Duterte, er habe die Armee angewiesen, sich „auf einen langen Krieg vorzubereiten”. Frieden mit den maoistischen Rebellen werde es in dieser Generation nicht mehr geben. Beide Seiten hatten im August vergangenen Jahres eine Waffenruhe erklärt. Die informelle Vereinbarung wurde weitgehend eingehalten, während im Ausland Friedensgespräche geführt wurden. Duterte sagte nun aber, er habe die Regierungsvertreter angewiesen, am Ort der Verhandlungen in Rom ihre Zelte abzubrechen und zurückzukehren. Er habe kein Interesse mehr daran, mit den Anführern der Rebellen zu verhandeln.

Die Aufständischen hatten zuvor angekündigt, zum 10. Februar die seit fünf Monaten geltende Waffenruhe zu beenden. Die Rebellen hatten Dutertes Regierung Verrat und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Das Militär müsse nun bereit sein, sagte Duterte : „Geht zurück in eure Heerlager, putzt eure Gewehre und seid bereit zu kämpfen.” Nach Angaben der Armee habe es trotz des Waffenstillstandes seit Januar 18 Angriffe durch die kommunistischen Rebellen gegeben. Stabschef Eduardo Ano kündigte eine harte Vorgehensweise an.

Duterte sieht sein Land in einem Krieg gegen die Drogen - und der könnte sich nun noch weiter verschärfen. Wie der Präsident ankündigte, werde er die Armee für seinen Kampf gegen Drogenkriminelle einsetzen. „Ich habe die Streitkräfte herangezogen”, sagte er. „Das Drogenproblem ist eine Bedrohung für die nationale Sicherheit.” Den Armeeeinsatz werde er per Dekret auslösen.

Die Neue Volksarmee (NPA), der bewaffnete Arm der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP), hatte Ende der 60er Jahre einen maoistisch beeinflussten Aufstand gegen die Regierung in Manila begonnen. Schätzungen zufolge wurden in dem blutigen Konflikt bislang bereits mehr als 30.000 Menschen getötet. Die Rebellen verfügen derzeit nach Armeeangaben über rund 4000 Kämpfer. In den 1980er Jahren sollen es bis zu 26.000 gewesen sein.

Mit seiner Gewaltoffensive gibt Duterte auch sein Scheitern zu. Offenbar hat er das Vertrauen in seine Polizisten verloren, die er zuvor wochenlang verteidigte. Dabei haben die Beamten genau das gemacht, was er von ihnen verlangt hatte: Sie sind brutal vorgegangen. Duterte selbst hatte ihnen zugesichert, sie vor der Strafverfolgung zu schützen.

Mehr als 2500 Menschen hat die Polizei offiziellen Angaben zufolge im Zusammenhang mit mutmaßlichen Drogendelikten getötet. Der Mord an 4000 weiteren Menschen wird noch untersucht. Menschenrechtsaktivisten werfen der Regierung vor, dass auch hinter diesen ungeklärten Morden Beamte stecken – und dabei zahlreiche Unschuldige getötet wurden.

Doch nun ist offenbar selbst Duterte der von ihm ins Leben gerufene Drogenkrieg zu sehr eskaliert. Im Januar wurde bekannt, dass ihm auch ein südkoreanischer Geschäftsmann zum Opfer gefallen ist. Dem Manager wurde wohl ein Drogendelikt angelastet, später wurde er im Nationalen Polizeihauptquartier getötet.  Zuvor erpressten die Beamte noch umgerechnet 94.000 Euro Lösegeld von der Familie des Opfers.

Auch Duterte nannte den Fall schließlich „beschämend” und entschuldigte sich gegenüber Südkorea. Diese Woche sprach er davon, dass einige Polizisten „korrupt bis ins Mark” und teilweise „genauso mies wie Drogenbarone” seien.


Kopfgelder ausgesetzt

Dass der Mord an dem Geschäftsmann offenbar kein Einzelfall war, zeigt auch ein diese Woche veröffentlichter Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Die Aktivisten werfen darin vor, mit dem Drogenkrieg eine „Todes-Ökonomie” geschaffen zu haben. So würden korrupte Polizeibeamte beispielsweise Schmiergelder von den Bestattungsinstituten erhalten, bei denen sie die Toten abliefern.

Doch das ist nicht der einzige Nebenverdienst: Laut dem Bericht würden Polizisten Kopfgelder in Höhe von bis zu 280 Euro kassieren. Sie sollen sogar Auftragsmörder aus dem Untergrund eingesetzt haben. Immer wieder würden Beweise gefälscht und absichtlich unwahre Polizeiberichte geschrieben. Für den Bericht interviewten die Aktivisten 110 Personen, darunter Polizisten und Kopfgeldjäger. Die Polizei weist die Vorwürfe von sich.

Dass Duterte die Polizei nun teilweise abzieht, und stattdessen die Armee schickt, beruhigt Beobachter jedoch nicht. „Mit der Entscheidung militärische Einheiten heranzuziehen, wird sich der Krieg gegen die Drogen fortsetzen und damit auch die erschreckend hohen Opferzahlen, die er verursacht”, sagt Phelim Kine, Vize-Asien-Chef bei der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Mit dem Einsatz von Soldaten bestehe das Risiko für unnötige und übertriebene Gewalt.  Zudem gibt es „eine lange Tradition der Straffreiheit für Machtmissbrauch im Militär auf den Philippinen.”

Trotz der Kritik scheint sich Duterte nicht aufhalten zu lassen. Diese Woche kündigte er bereits an, dass sein Kampf bis 2022 weitergehen werde - dann stehen wieder Präsidentschaftswahlen an. „Es ist mir scheißegal”, sagte er diese Woche. „Ich habe einen Job zu erledigen und ich werde ihn zu Ende bringen.” Dafür braucht er nun allerdings schon deutlich länger als angekündigt. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er noch versprochen, das Drogenproblem innerhalb eines halben Jahres zu lösen.

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